- Innovationen vom automatischen Überrollbügel bis hin zum Integralsitz
- In der Baureihe R 129 debütiert der Zwölfzylinder in den SL-Modellen
- Erstmals sind offizielle AMG-Versionen des SL erhältlich
Seine große Bühne ist der Automobil-Salon in Genf im März 1989: Mercedes-Benz präsentiert den neuen SL der Baureihe R 129. Die Resonanz ist auf Anhieb überaus positiv – so positiv, dass die vorgesehene jährliche Fertigungskapazität von 20.000 Einheiten bald mehr als ausgelastet ist. Wer einen R 129 haben möchte, muss in der Anfangszeit mehrjährige Lieferfristen in Kauf nehmen.
Knapp ein Jahr nach seiner Vorstellung wird der SL mit dem internationalen „Car Design Award“ ausgezeichnnet. Chefdesigner Bruno Sacco und sein Team haben ganze Arbeit geleistet. Die stilsicheren, schnörkellosen Linien der leicht keilförmigen Karosserie, die ausgestellten Radläufe für die Breitreifen, die Halbspoiler vor den Vorderrädern, eine sehr schräg stehende Windschutzscheibe, das gekonnt modellierte Heck und die serienmäßigen Leichtmetallräder ergeben eine äußerst harmonische Gesamtwirkung – inklusive Funktionalität: Der aerodynamische Feinschliff im Detail, einschließlich Unterboden und Motorraum-Durchströmung, ergibt in der Summe den kraftstoffsparenden und geschwindigkeitserhöhenden cW-Wert von 0,32 mit montiertem Hardtop. Für den offenen Wagen mit geschlossenen Seitenscheiben werden 0,40 gemessen.
Neue Maßstäbe setzt dieser Wagen auch in puncto Sicherheit. Die passive Sicherheit wurde über zahlreiche Maßnahmen auf ein für ein offenes Fahrzeug immens hohes Niveau gehoben. Ein integraler Bestandteil des Sicherheitskonzepts ist der automatische Überrollbügel, der erstmals im Automobilbau realisiert ist. Bei einem drohenden Überschlag wird er sensorgesteuert elektromagnetisch ausgelöst, durch die Kraft vorgespannter Federn innerhalb von 0,3 Sekunden hochgeklappt und durch Sperrklinken gesichert. Ein weiterer Bestandteil des Sicherheitskonzepts sind die Integralsitze des SL, deren Konstruktion ein technisches Meisterwerk darstellt: 20 Patente für Detaillösungen stecken in diesem Sitz. Gestell und Lehne bestehen aus unterschiedlichen, speziellen Magnesium-Legierungen in Dünngusstechnik. Sie enthalten die integrierten Dreipunktgurte mit Gurtstraffer, die Gurthöhenverstellung mit gekoppelter Kopfstützenverstellung sowie elektrische Stellmotoren für die Längs-, Höhen- und Neigungs-Verstellung von Sitzkissen und Lehne. Die Belastbarkeit des Sitzes im Crashfall beträgt ein Vielfaches der möglichen auftretenden Kräfte.
Vollautomatisches Faltverdeck und Fahrwerk mit Aktivfunktionen
Besonders hohen Bedienungskomfort bietet das neu konstruierte elektrohydraulische Stoffverdeck, mit dem der SL serienmäßig ausgestattet ist. Allein durch Betätigen eines Schalters kann das Verdeck innerhalb von 30 Sekunden geöffnet oder geschlossen werden. Die einwandfreie Funktion des automatischen Überrollbügels ist unter dem geschlossenen Verdeck garantiert. Das serienmäßige Hardtop besteht aus Aluminium und ist trotz größerer Fensterflächen gegenüber dem Coupédach des Vorgängermodells bei einem Gewicht von 34 Kilogramm rund 10 Kilogramm leichter.
Für das SL-Fahrwerk ist auf Wunsch ein neu entwickeltes Zusatzsystem lieferbar, das den seinerzeit realisierbaren Stand der Fahrwerktechnik markiert und drei Teilsysteme miteinander kombiniert. Aufbaubewegungen werden je nach Beladungszustand, Straßenbeschaffenheit und Fahrweise beruhigt, was quasi eine Vorstufe zum aktiven Fahrwerk darstellt, das im Jahr 1999 im Coupé der Baureihe C 215 seine Serienreife erlebt.
Der R 129 ist über die Jahre mit verschiedenen Motorisierungen lieberbar. Spitzenmodell ist der Typ 600 SL/SL 600 mit V12-Motor (290 kW/394 PS, von Juni 1993 an SL 600 genannt), der im Oktober 1992 präsentiert wird. Der leistungsstärkste Motor des Pkw-Verkaufsprogramms ermöglicht fulminante Fahrleistungen und gilt als Musterbeispiel an Laufruhe und turbinenartiger Kraftentfaltung. Vor allem das unaufgeregte Fahren in hohen Geschwindigkeitsregionen und das eindrucksvolle und zugleich kultivierte Erreichen der Höchstgeschwindigkeit charakterisieren den 600 SL. Wem bei den Acht- und Zwölfzylindern Leistung und Prestige noch nicht ausreichen, kann sich an AMG in Affalterbach bei Stuttgart wenden. Auch von dort gibt es über die Jahre mehrere SL-Typen mit leistungsstarkem Antrieb und einer insgesamt sehr sportlichen Ausrichtung. Das Highlight bildet ab 1999 auf Basis des SL 600 der Mercedes-Benz SL 73 AMG mit 386 kW (525 PS).
Zwei Modellpflegen (1995 und 1998) halten den R 129 frisch. Premiere im SL feiert mit der Modellpflege 1995 das Elektronische Stabilitäts-Programm ESP®, das den Fahrer in kritischen Fahrsituationen unterstützt. Sensoren erfassen und vergleichen Lenkwinkel und Gierrate. Passen die Bewegungen nicht zusammen, wird das System automatisch aktiv. Einzelne Räder werden individuell so abgebremst, dass das Fahrzeug leichter in der Spur zu halten ist. Auch ist der beliebte R 129 der erste SL, von dem es zahlreiche Sonderserien gibt. Im Juli 2001 läuft im Werk Bremen das letzte von insgesamt 204.940 Exemplaren der Baureihe R 129 vom Band; die Nachfolge tritt im gleichen Monat die Baureihe R 230 an. Damit ist der R 129 hinsichtlich der Gesamtstückzahl nicht ganz so erfolgreich wie sein 18 Jahre lang gebauter Vorgänger der Baureihe R 107 mit 237.287 Fahrzeugen; im Vergleich der durchschnittlichen Jahresproduktion liegt dagegen die Baureihe R 129 mit etwa 16.500 Einheiten weit an der Spitze. Erfolgreichstes Modell dieser Baureihe ist die mit dem Vierventil-V8-Motor M 119 ausgerüstete 5-Liter-Variante, von der im Zeitraum von 1988 bis 1998 insgesamt 79.827 Exemplare entstehen. Die bei Weitem seltenste Ausführung ist der SL 280 mit V6-Motor, der von 1997 an als Einsteigermodell der Baureihe fungiert und nur 1.704 Mal vom Band läuft.
Der Club zum Klassiker für den Lebensabend: www.r129sl-club.de