Bereits 1946 erhielt Daimler-Benz die Zustimmung der Alliierten, den erfolgreichen 170 V wieder in Produktion zu nehmen. Drei Jahre später kam dann die größere Version, der 170 S. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits zwei neue Modelle auf dem Zeichenbrett unter der technischen Führung von Fritz Nallinger.
Auf der IAA in Frankfurt 1951 wird die Öffentlichkeit fast magisch angezogen von den vielen Neuheiten. Dies leitet auch die allgemeine Mobilität der Europäer letztlich ein. Gutbrod, Fiat 500c „Topolino“, Lloyd 300 und der etwas größere Käfer sind die ersten Vorreiter. Der Unterschied zwischen diesen „Autochen“ und dem mächtigen Mercedes ist deutlich wahrnehmbar.
Die erste Automobilausstellung macht deutlich, daß Deutschland es ernst meint mit dem Wiederaufbau und dem Wirtschaftswunder. Für den Mittelstand bezeichnet dies der Umstieg vom Motorrad oder -roller auf das erste kleine Auto. Bei den Reichen und hochdotierten Funktionären fällt die Wahl auf Mercedes-Benz, ein Symbol des Wohlstandes. Understatement war damals noch keine Tugend.
Wie alles begann
Rudolf Uhlenhaut und Wolf-Dieter Bensinger arbeiteten mit einem kleinen Technikerteam an einem neuen Kraftbringer. Der letzte Sechszylinder, den Mercedes-Benz gebaut hatte, war der M 159 aus dem Typ 260. Dieser wurde auch im 260 M (Militärausführung mit Allradantrieb) und L 1500 A LKW in Militärausführung verbaut. Der 2,6 Liter Motor brachte den gut eineinhalb Tonnen schweren 260 auf eine Spitzengeschwindigkeit von immerhin 134 km/h, bei einer Leistung von 72 PS.
Die Zuverlässigkeit dieses Motors bewies er aber besonders in dem allradgetriebenen 260 M, dem keine Schonung zu Teil wurde. Ein Solex Fallstom–Doppelvergaser regelte hierbei die Gemischaufbereitung. Zu den interessantesten Geschehnissen um diesen Motor gehören eine Anzahl Experimente ab 1941, bei denen eine Benzineinspritzung getestet und weiterentwickelt wurde.
Diesem Vorstoß von Nallinger verdankt der 300 sein sehr modernes Aggregat mit obenliegender Nockenwelle und den zwei Solex Fallstomvergasern. Mit dem erstmals eingeführten Oktanzahlkompensators für Benzine mit abweichendem Oktanwert können unterschiedliche Kraftstoffqualitäten ohne große Krafteinbuße gefahren werden. Die Zündkerzen werden neuartig nicht mehr von oben in den Zylinderkopf geschraubt, sondern seitlich in den Rumpfblock mit seiner, an dieser Stelle schräggestellten Passfläche zum Kopf. Durch diese Neuplazierung sollte eine bessere Kühlung der Kerzen erreicht werden und außerdem ist diese Konstruktion bereits eine Vorbereitung auf eine spätere Einführung eines Einspritzsystems. Mit einem Inhalt von 2.996 cm³ entwickelt der Motor mit der siebenfach gelagerten Kurbelwelle stolze 115 PS. Der fast 1,8 Tonnen schwere Koloss vermag damit immerhin auf 160 km/h zu beschleunigen. Ein Wert, den viele Sportwagen zu dieser Zeit gerade erreichten. Der gleichzeitig eingeführte Sechszylinder 220 W 187 unterscheidet sich in einer ganzen Anzahl von Punkten. Dieser kleinere Bruder birgt ganze 35 PS weniger und seine Kurbelwelle ist nicht siebenmal, sondern nur viermal gelagert. Trotzdem gelten beide Motoren als besonders moderne Reihenmotoren mit Kipphebeln. Erwähnenswert sind hierbei auch die obenliegenden Nockenwellen deren Vorteil auch der vorbelastete Steuerkettenspanner mit hydraulischer Dämpfung ist.
Der 300 stand jedoch von Anfang an auch für die komfortable Reiselimousine, die die Konkurrenten in großem Abstand hinter sich lassen sollte. Dies resultierte hauptsächlich aus der Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern, hydraulischen Stoßdämpfern und der bekannten Mercedes-Benz Pendelhinterachse.
Für einen noch höheren Komfort des Antriebs konstruierte man eine Hypoidverzahnung und ein dynamisch arbeitendes Differential. Anfangs noch als „Extra‘ (bis Fahrgestell # 00037/51), wurde die regelbare Torsionsstangenaufhängung noch im ersten Halbjahr zur Serie, Mittels eines elektrischen Drehschalters am Armaturenbrett konnte der Chauffeur die Federungseigenschaften der Hinterachse und damit den Fahrkomfort der jeweiligen Belastung der Hinterachse anpassen.
Als Neuheit wurden von Daimler-Benz die hydraulischen Stoßdämpfer eingeführt, die zwischen Achse und Rahmen diagonal und nicht wie bisher üblich innerhalb der Feder montiert sind. Das durch schlechte Fahrbahnuntergründe verursachte Schütteln und Stoßen in Sturzrichtung wurde hierdurch effizienter gedämpft. Diese technische Veränderung sieht man als einen großen Beitrag der Fahrsicherheit an und sie wird später von vielen Automobilfabrikanten übernommen. Das Vierganggetriebe ist natürlich bei einem so modernen Fahrzeug jetzt vollständig synchronisiert und dadurch entfällt das lästige „Zwischengas“. Lenkradschaltung ist ebenfalls obligatorisch, wodurch die sehr breiten Vordersitze schon fast eine durchgehende Sitzbank darstellen. Einzelne Fahrzeuge sollen auch als „Sechssitzer“ (vorne drei und hinten drei) zugelassen sein.
Die Erfahrung lehrt uns nun, dass man halt nicht den Prospekten glauben darf. Nur wirklich wenige Fahrzeuge fahren mit dem Automaticgetriebe wirklich angenehm. Das Borg-Warner Getriebe, das aus einem Buick stammte, geringfügig verändert als Detroit-Gear in einem Jaguar noch recht gut seine Dienste tat, hielt die zweite Modifizierung einfach nicht mehr aus. Der 300er Motor hatte eine gänzlich andere Charakteristik als der dicke Buick-Motor. Alle Besitzer dieser Fahrzeuge können darüber klagen und haben sich letztlich mit dem ungewohnten Schaltverhalten abgefunden.
Auch große und größere Autos waren bis dahin mit 6 Volt-Anlagen ausgestattet, aber die technischen Finessen erzwangen geradezu die Umstellung auf 12 Volt-Technik. Erst einige Jahre später folgten alle Benziner-Pkw diesem guten Beispiel.
Zum Einen soll der neue Wagen den neuen Zeitgeist darstellen, und zum Anderen soll er aber auch die traditionellen Werte repräsentieren. Der Weg dahin war nicht einfach.
Nallinger ist 1949 absolut nicht begeistert von dem ersten 1:5 Modell. So erhält der vorbehaltlose Designzeichner Hermann Ahrens, der zu diesem Zeitpunkt 47 Jahre alt ist und vor knapp 20 Jahren erstmals in das Unternehmen eingetreten war, vom Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Haspel den Auftrag, ein „echt schickes Auto“ zu zeichnen. Die Gestaltung sollte sich an bereits bestehenden Modellen orientieren. Wiederum nahm man den 230 (W 153) als Ausgangspunkt und kombinierte ihn mit vielen Elementen des 170 S. Die Karosserie soll zwar modern, aber minder progressiv sein. Die stark geschwungenen Kotflügel mit externen Lampen sollten halbintegrierten Scheinwerfern weichen. Die Welle des Kotflügels durfte gemindert, aber nicht abgeschafft werden, um die klassische Ausstrahlung zu erhalten.
Das Ergebnis war dann auch ein recht typisches „Fünfziger-Jahre-Produkt“. Die solide Menge Chrom und Blech macht auf den ersten Blick klar, dass es sich hier um eine Limousine der Spitzenklasse handelt. Auch das Interieur strahlt Klasse aus.
Das Reserverad steht erstmals senkrecht im Kofferraum und zwar rechts neben dem Tank. Die Position, die für Jahrzehnte beibehalten weden sollte. Links daneben ist ebenfalls eine gleich geformte Mulde, die, mit einem Brett abgedeckt, einiges an Werkzeug oder anderen Utensilien bergen kann. Das Kofferset, das man zum 300 maßgenau ordern konnte, bestand aus einem Damen- und einem Herrenkoffer, sowie zwei Hutköfferchen.
Das Cabrio D schließt nur noch mit seiner Bezeichnung nahtlos an die Vorkriegsfahrzeuge an. Als Cabriolet D werden bei Daimler-Benz richtige Vollcabriolets (im Gegensatz zur Cabrio-Limousine) mit vier Türen und vier Fenstern seitlich bezeichnet. Das erste 300 Cabriolet D gab es seit März 1952 auf dem Markt. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass dieses Cabrio D eines der elegantesten und mit größter Perfektion gebauten Automobile in diesen Jahren war. Überkommt einen schon bei der Limousine einige Ehrfurcht, potenziert sich dieser Effekt enorm beim Anblick des imposanten Cabriolets. Nur die wirklich großen Industriebosse und bekannte Gesichter der Filmwelt leisteten sich diese Wagen. Durch den Cabrio-Aufbau mit Verdeckgestänge und anderen Anbauteilen hat das ohnehin schon schwere „Flaggschiff der Deutschen Industrie“ nochmals gute 50 kg zugelegt. Das Verdeck ist, durch mehrere Federn unterstützt, recht einfach in der Handhabung. Ganz perfekt saßen jedoch auch die Verdecke ab Werk nicht. Wer heute ein Dach hat, welches 100% falten- und wellenfrei sitzt, kann sich besonders glücklich schätzen. Das Öffnen des Daches ist eigentlich ein Kinderspiel, wenn man mindestens eine Körpergröße von 1 ‚75 m misst. Kleinere Menschen müssen schon mal auf die Trittbretter der geöffneten Türen treten, um das Dach zu bedienen. Zum Schließen braucht es allerdings etwas mehr Übung. Zum ersten muss man darauf achten, dass die Sonnenblenden nach unten geklappt sind. So manche Sonnenblende, die nähere Bekanntschaft mit dem Verschlußhebel gemacht hat, hat dies nicht schadlos überstanden.
Bei geöffnetem Dach reicht der normale Limousinen-lnnenspiegel nicht aus, um die rückwärtige Sicht zu gewährleisten. Dafür hat das Cabriolet einen Spiegel, den man nicht nur nach oben drehen kann, sondern in sich durch eine Teleskopstange noch nach oben verlängerbar ist. Länger als die knappe Minute, die man benötigt um das Dach zu öffnen oder schließen, benötigt man für die Anbringung der Verdeckhülle. Ein geübter Fahrer hat dazu nämlich rund fünf Minuten nötig. Diese Zeit muss aber investiert werden, da man ohne Verdeckhülle wegen der Verletzungsgefahr nicht fahren darf.
Ich denke jedoch, dass ein Polizist viel zu viel an einem solchen Auto zu sehen und zu erfragen hat, als dass er auf solche Kleinigkeiten auch noch achtet. . .