Vom blühenden Geschäft zum Niedergang einer Branche
Am 6. Juni 1933 eröffnete Richard Hollingshead Jr., Besitzer einer von seinem Vater gegründeten Firma für Autopflegemittel, das weltweit erste Autokino vor den Toren seiner Heimatstadt Camden, New Jersey. Gezeigt wurde der Film „Wife Aware“, eine Produktion, die in der Geschichte des Films ansonsten keine größere Rolle spielt. Als Projektionsfläche verwendete Hollingshead noch keine Leinwand, sondern eine große, geweißte Steinmauer. Die Beschallung erfolgte über drei große Lautsprecher, so dass der Ton noch mehrere Kilometer entfernt zu hören war. Das Camden Drive-In Theatre bot 335 Fahrzeugen Platz, wurde allerdings schon nach drei Jahren wieder geschlossen.
Die deutsche Zeitschrift „Die Woche“ berichtete von den Lehren, die man aus den Lärmproblemen dieses ersten „Freiluft-Kinos“ zog: „Weil die Lautstärke aber für die Nachbarschaft störend wirkte, wurden zu Los Angeles in letzthin eingerichteten Kinos gleicher Bestimmung 400 kleine Lautsprecher verwendet. Sie hängen jeweils vor dem Kühler der Wagen, und ihre Stimme lässt sich zwar von deren Insassen gut hören, weiter jedoch nicht.“
Die Idee wurde zwar positiv aufgenommen, in von Wirtschaftskrisen und Zweitem Weltkrieg geprägten unsicheren Zeiten wurden aber nur vergleichsweise wenige Autokinos eröffnet; so gab es 1942 erst etwa 100 Autokinos in den USA. Mit der wachsenden Mobilität erreichten die Ozoners, wie sie in den USA oft genannt wurden, dann in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren den Höhepunkt ihrer Popularität. In dieser Zeit gab es allein in den USA rund 4.000 Autokinos, und viele konventionelle Kinos in den Innenstädten mussten aufgrund der Konkurrenz in den Vorstädten schließen. Beliebt war das Autokino wegen seiner relativ günstigen Eintrittspreise zum einen bei Familien, die auch zu schätzen wussten, dass die Betreiber auf dem Gelände Imbissstände und sogar Spielplätze errichteten, was Autokinos zu einem beliebten Ausflugsziel am Wochenende machte. Auch junge Liebespärchen, die bevorzugt die letzte Wagenreihe – die sogenannte love lane – anfuhren, genossen hier gerne die Privatsphäre des eigenen Autos.
Autorennen und Schmuseorgien in Autokinos waren bei den Jugendlichen in dieser Zeit auch ein rebellischer Ausdruck gegen die Moralität und Prüderie der US-amerikanischen Erwachsenenwelt, wo vielerorts auch heute noch ein Kuss in der Öffentlichkeit verpönt ist. Besonders beliebt bei Jugendlichen waren Horrorfilme, die zahllose Momente boten, in denen die Freundin bei ihrem Begleiter Schutz suchen konnte.
In Europa setzte sich das Autokino in dieser Breite nicht durch, vom US-amerikanischen Autokult der 1950er und 1960er Jahre war hier kaum etwas zu spüren.
Zudem erhielten die Betreiber meist nur die Rechte zur Zweitverwertung von Filmen, so dass neue Produktionen erst sechs bis acht Wochen nach dem eigentlichen Kinostart gezeigt werden konnten. Am 2. September 1957 eröffnete in Castelfusano bei Rom das erste Autokino Europas. Das Autokino Gravenbruch nahe Frankfurt am Main öffnete 1960 als erstes Autokino in Deutschland seine Pforten.
Mit der Verbreitung des Fernsehens und später der Heimvideos nahmen die Besucherzahlen jedoch ab den 1970er-Jahren ständig ab.
Zudem erschwerten steigende Grundstückspreise an den Rändern der Großstädte sowie Umweltauflagen den rentablen Betrieb von Autokinos. Heute gibt es nur noch vergleichsweise wenige Autokinos, die sich jedoch einer bleibenden Anhängerschaft von 1950er-Jahre-Nostalgikern und Autofreaks sicher sein können
Bonmot zum Schluss
Rettungsversuch für die durchgehende Sitzbank
In den 1960er-Jahren stellten die US-Autoproduzenten nach und nach von Lenkrad- auf Knüppelschaltung um. Damit verschwand die durchgehende Sitzbank. Mithin taugte das Automobil nur noch eingeschränkt als privates Kuschelkino. Der Verband der amerikanischen Drive-In-Betreiber sah diese Entwicklung kommen.
Mit Petitionen an Abgeordnete und Autohersteller versuchten, sie die durchgehende Sitzbank zu retten, aber ihr Versuch scheiterte.
Zukunft aufblasbar?
In verschiedenen Regionen der Republik ist in den letzten Jahren eine neue Art von Autokino aufgetaucht. Da wird -teilweise sogar direkt an den alten verlassenen Stellen geschlossener Autokinos- mittels einer aufblasbaren Leinwand für ein paar Tage das Thema Autokino wieder lebendig. Der Ton wird mittlerweile auf einer vorher auf der Leinwand gezeigten Frequenz über das normale Autoradio übermittelt. Diese einfach Technik birgt, neben der nicht ganz windfesten Leinwand, allerdings ein gewisses Risiko… manch Gast muss sein Gefährt nach dem Filmabenteuer fremdstarten lassen…
Fotos Daimler AG, privat (Quelle Wikipedia)