Aktuelles von der Initiative Kulturgut Mobilität e.V. (02/12)

Die Sitzung des Parlamentskreises Automobiles Kulturgut vom 06.02.2012

Am 06.02.2012 saß der Parlamentskreis Automobiles Kulturgut wieder in Berlin zusammen und folgende Punkte standen auf der Tagesordnung:

Thomas Jarzombek eröffnete die Sitzung und freute sich, erstmalig als neuer Vorsitzender eine Sitzung des Parlamentskreises eröffnen und zahlreiche Teilnehmer begrüßen zu dürfen. Besonders herzlich begrüßte Herr Jarzombek den Präsidenten der FIVA, Horst Brüning, sowie seine beiden Abgeordnetenkollegen, Christian Lindner und Sebastian Körber.

Anschließend stellte Martin Halder klar, daß der Parlamentskreis, entgegen so mancher Erwartung im Kreis, kein Entscheidungsgremium darstellt, vielmehr gehe es seiner Auffassung nach lediglich um eine Moderation unterschiedlicher Meinungen zu Fachfragen. Herr Koeppen, Vorgänger von Herrn Jarzombek umschrieb den Parlamentskreis als „Frühwarnsystem“ für die Szene, um sich rechtzeitig auf gesetzgeberische Veränderungen einstellen zu können.

Zum Status von Sonderkennzeichen teilte Thomas Jarzombek mit, dass er das Thema nochmal neu aufgerollt habe. Er habe zunächst zu identifizieren versucht, wer der richtige Adressat sei, um das erstrebte Ziel einer praktikablen Lösung der diversen Probleme bei Oldtimer-Kennzeichen möglichst zügig und unbürokratisch zu erreichen. Auf entsprechenden Hinweis von Herrn PStS Dr.Scheuer habe er sich daher schriftlich an das DIN-Institut gewandt. Der Ausschuss Normenpraxis (ANP), beim DIN zuständig für Problemstellungen im Umfeld von Normung, sei zunächst um seine Einschätzung gebeten worden. Der Vorsitzende des ANP, Holk Traschewski, habe die Problematik jedoch nicht endgültig klären können. Daher sei sodann der Normenausschuss Automobiltechnik (NAAutomobil) angeschrieben worden, der beim DIN die nationalen, regionalen und internationalen Normungsinteressen auf dem Gebiet des Kraftfahrzeugwesens vertrete. Der Vorsitzende des Ausschusses, Egbert Fritzsche, habe im Ergebnis wiederum auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums (BMVBS) verwiesen. Herr Jarzombek verlas das entsprechende Antwortschreiben von Herrn Fritzsche. Damit sei nun klar, dass das BMVBS um eine Regelung durch Verordnung ersucht werden müsse und anderenfalls eine Regelung durch den Gesetzgeber zu erfolgen habe.

Anschließend stellte Michael Kaiser die im Auftrag von der VF-Verlagsgesellschaft, und mit Unterstützung durch den VDA, erstellte Allensbach-Studie zum Oldtimersegment vor. Da die Studie zu umfangreich ist und den Mitgliedern des Parlamentskreises noch nicht vorliegt, kann an dieser Stelle nicht umfassend darauf eingegangen werden. Die prägnanteste Information jedoch betrifft den Wirtschaftszweig Oldtimer, welcher mit 5 Mrd. Euro beziffert wurde.

Den meisten Raum nahm das folgende Thema, die FIVA-Charta von Turin, ein. FIVA-Präsident Horst Brüning leitete zunächst in das Thema ein. Er erläuterte den Hintergrund wie es zur Erstellung einer Charta kam. So habe man die Initiative seitens der für dieses Kulturgut Interessierten aufnehmen wollen. Unter anderem die vier größten Staaten der Welt seien inzwischen Mitglied der FIVA. Daher habe man es als wichtig erachtet, sich ein gemeinsames Fundament zu erschaffen. Etwa 40 Mitgliedsländer hätten Feedback zu dem ersten Entwurf gegeben. Die Charta sei unter der engagierten Mitwirkung zahlreicher Beteiligter entstanden. Johann König teilte mit, dass der ADAC gemeinsam mit anderen Beteiligten einen eigenen Entwurf für eine geänderte Charta ausgearbeitet habe. Diesen Entwurf stellte er zusammen mit Tilman Kleber in einer Präsentation vor. Die anschließende Diskussion förderte Ängste und Befürchtungen zutage und einmal mehr wurden Analogien zum Gebäudedenkmalschutz bemüht. Auch die in die Charta eingeflochtenen Definitionen der Begriffe Erhaltung, Konservierung, Restaurierung, Reparatur und Renovierung wurden kritisiert und sorgten überwiegend für Irritationen. Standardisierte Begriffsdefinitionen sind jedoch bei der Kommunikation innerhalb des Oldtimersektors sehr hilfreich.

Die FIVA möchte mit der Charta von Turin tragfähige Voraussetzungen schaffen für eine gleichwertige Anerkennung historischer Fahrzeuge mit anderen, längst etablierten Kulturgütern. Leider haben „Unschärfen“ in der Presse zu angeblichen Zielen des Dokumentes in der Szene einige Missverständnisse ausgelöst. Dazu gehört beispielsweise die Befürchtung, hier solle ein „Denkmalschutz“ mit neuen bürokratischen Hürden und Verboten etabliert werden oder die Interpretation, einzelne Fahrzeuge würden nun zu „Weltkulturerbe“ erklärt. Dies war nie geplant und wäre auch nicht sinnvoll. Zentraler Punkt der Überlegungen war dagegen: das rollende Kulturgut soll unverfälscht erhalten und dabei auf jeden Fall genutzt werden, denn sonst verliert ein „Automobil“ seine ursprüngliche Aussage und wird zum „Stehzeug“.

Die bereits seit 2002 bzw. 2005 existierenden Chartas der Verbände für historische Schiffe und Eisenbahnen (Charta von Barcelona / Charta von Riga) haben hier schon Grundlegendes geleistet. Die FIVA-Arbeitsgruppe zur Charta von Turin, in welcher auch die Initiative Kulturgut Mobilität e.V. engagiert ist, hat nun die bestehenden internationalen Grundlagen für (meist immobile) Kulturgüter für die besonderen Anforderungen von aktiv genutzten historischen Fahrzeugen übersetzt.

Wichtiges Anliegen der Charta ist es auch, ein genaueres Vokabular für heute lebhaft diskutierte Themen wie „Original“, „Patina“ und „Restaurierung“ zu finden. Wie deutlich hier die Unschärfen und teilweise willkürlichen Auslegungen sind, hat sicher jeder, der sich mit historischen Fahrzeugen beschäftigt, schon selbst erlebt. Ein fruchtbarer Meinungsaustausch wurde mangels unmissverständlichen Vokabulars aber immer wieder sehr behindert. Doch auch hier kann nicht nach eigenem Gutdünken „frei erfunden werden“, denn es existieren internationale Begriffsdefinitionen, die für andere Kulturgüter schon lange in Gebrauch sind. Diese wurden inzwischen ebenfalls von der FIVA-Arbeitsgruppe an den Fahrzeugbereich angepasst.

Unabhängig vom Chartadokument haben Diskussionen rund um das Thema „Originalität“ die Oldtimerszene von sich aus schon seit einiger Zeit für diese Themen sensibilisiert. Doch das heißt nicht: „Restaurieren verboten!“, denn oft können auch sehr unberührt erhaltene Fahrzeuge erst durch gezielte Bearbeitung wieder als geschlossenes Ganzes in einem ihrem Alter entsprechenden, gepflegten Gebrauchszustand gezeigt und benutzt werden.

Die Ziele der Charta von Turin sind:

  • Historische Fahrzeuge sollen auch zukünftig uneingeschränkt auf öffentlichen Strassen mobil bleiben
  • Dafür müssen sie langfristig und gesichert als Kulturgut anerkannt werden
  • Solche Standards sollen auch in Ländern gefördert werden, die eine mobile Erhaltung von historischen Fahrzeugen bisher noch nicht unterstützen
  • Der Kulturgut-Status ist Privileg und Verantwortung, darum wird ein respektvoller Umgang mit dem
  • Original bei der Instandsetzung und Restaurierung unterstützt: – „soviel wie nötig und so wenig wie möglich eingreifen“ – verfremdende Überrestaurierungen, Fälschungen oder „Tuning“ mit modernen Komponenten werden hinterfragt
  • die Begriffe rund um Beschreibung, Erhaltung und Restaurierung von Oldtimern werden präzisiert
  • Dokumente, Archivmaterialien, und das Fachwissen um historische Materialien und Arbeitstechniken sollen bewahrt und gefördert werden

Die aktuelle Version (englisch) des Charta-Textes kann heruntergeladen werden unter: http://www.fiva.org/EN/Torino/CharterTorino.html, Kontakt zur Charta-Gruppe ist unter charterofturin@fiva.org möglich, wo Fragen rund um die Charta gerne beantwortet werden.

Abschließend noch zwei Termine, an welchen die Initiative Kulturgut Mobilität e.V. vor Ort zum Gedankenaustausch zur Verfügung steht: vom 22.-25.03.2012 sowohl auf der Techno-Classica (Stand des Allgemeinen Schnauferl Clubs ASC in Halle 5) als auch auf der Retro-Classics (Stand des Allgemeinen Schnauferl Clubs ASC auf der Empore in Halle 1).