Aus der Clubzeitung: Langenburger Preziosen

Mercedes-Benz 300 d Pullman-Limousine

von Dr. Eberhard Pfütze - www.MBIG.de

Über mittlerweile acht Folgen der Ladenburger Pretiosen konnten die Mitglieder der MBIG über das Schlüsselloch des PontonKuriers Einblick in den Sternenkosmos von Winfried A. Seidel und seinem Automuseum Dr. Carl Benz nehmen. Für den Autor ist Ladenburg mit einer Entfernung von etwa 35 Kilometern von seinem Ludwigshafener Wohnort zügig zu erreichen. Außerdem gibt es auch noch die sogenannte „Ranch“ im Hohenloher Land nahe Künzelsau, wo er, seine Frau und zwei Hunde die Sommermonate verbringen. Von da aus sind es rund 25 Kilometer bis nach Langenburg und in das dortige Deutsche Automuseum. Was liegt also näher, als auch hier mit der gleichen Absicht wie in Ladenburg vorzusprechen? Und siehe da, die Museumsleitung in der Person von Lukas Hofer zeigte sich gegenüber diesem Wunsch ebenso spontan aufgeschlossen wie Winfried A. Seidel dreieinhalb Jahre zuvor. 

Das Deutsche Automuseum in Langenburg gilt neben dem 1966 eröffneten Automuseum Hillers in Tremsbüttel nördlich von Hamburg als eines der frühen markenunabhängigen Automobilmuseen in Deutschland. Es geht zurück auf die Initiative von Fürst Kraft zu Hohenlohe-Langenburg, einem ausgewiesenen Sammler von klassischen Fahrzeugen und Vater des heutigen Fürsten, und Richard von Frankenberg, einem Rennfahrer und Rennsportjournalisten. Einem entsprechenden Beschluss von 1969 folgte am 20. März 1970 die Museumseröffnung im ehemaligen Marstall rechterhand vom Schlosstor. Aufgrund der kontinuierlichen Vergrößerung der Sammlung erfolgte bereits zwei Jahre später der Anbau einer zweigeschossigen Museumshalle mit umlaufender Galerie und 1978 die Angliederung der Remise.

 

Die breit aufgestellte Sammlung lässt keinen speziellen Schwerpunkt eines Herstellers erkennen. Lediglich eine Ausrichtung auf den Motorsport und hier eine gewisse Tendenz für Produkte aus Zuffenhausen ist ersichtlich. Neben den eigenen Fahrzeugen ergänzen regelmäßig Leihgaben anderen Ursprungs die Ausstellung, so zum Jahresausklang 2023 zum Beispiel eine Jaguar SS 100 Limousine aus dem Technikmuseum Sinsheim. Derivate mit dem Stern auf der Kühlerhaube sind im Fahrzeugbestand eher nicht so reichhaltig vertreten. Quasi wie zum Ausgleich wird in Langenburg ein ganz besonderer Stern präsentiert, der in der reichhaltigen Historie von Mercedes-Benz zudem noch ein Unikat darstellt.

Mercedes-Benz 300 „Adenauer“ (W 186), 1952 bis 1954

Zwanzig Jahre zuvor hatte die aus den gröbsten Nachkriegswirren aufstrebende Bundesrepublik Deutschland wieder eine repräsentative Luxuslimousine erhalten. Auf der ersten Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt nach 1945 hatte Mercedes-Benz 1951 im oberen Fahrzeugsegment neben dem 220 (W187) den auf großes Publikumsinteresse stoßenden 300 (W186), seinerzeit größter und schnellster Serienwagen aus deutscher Produktion, präsentiert. Schon bald avancierte der Typ 300 zum bevorzugten Fortbewegungsmittel von Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Dem komfortablen und vor allem repräsentativen Charakter des 300 entsprechend waren von Anbeginn Extras wie Trennwand oder Schiebedach verfügbar, in der letzten Serie ab Dezember 1958 auch eine Behr-Klimaanlage, mit einem Aufpreis von 3500 DM allerdings eher kein Schnäppchen, dafür eine Premiere in einem Mercedes-Benz-Pkw.

Vor allem der erste Bundeskanzler der jungen Republik Konrad Adenauer legte großen Wert darauf, stets im 300er chauffiert zu werden, was dem Fahrzeug dessen Namen als heute gängige Bezeichnung eintrug. Sein erster Dienstwagen von 1951 ist im „Haus der Geschichte“ in Bonn ausgestellt, der 300d aus seinem Ruhestand gehört seit 1967 zum Fundus des Mercedes-Benz Museums. Im Zeitraum von November 1952 bis März 1954 sind 5245 Fahrzeuge vom Typ 300, Limousine und Cabriolet D, produziert worden.

Im März 1954 stellte Mercedes-Benz einen Nachfolger vor, der allerdings im Rahmen einer Modellpflege äußerlich nur geringe Veränderungen wie Ausstellfenster in den vorderen Türen, Stoßstangenhörner vorn und hinten sowie verchromte Steinschlagschutzbeschläge an den hinteren Kotflügeln aufwies. Wesentlich umfangreicher fielen die technischen Neuerungen unter dem Blech aus, die allerdings an dieser Stelle sowie ganz generell nicht Inhalt dieses Beitrages sein sollen. Von diesem als Typ 300b bezeichneten Fahrzeug gelangten von März 1954 bis August 1955 insgesamt 1560 Exemplare in den Markt, wiederum Limousine und Cabriolet D.

Nach diesem vergleichsweise kurzen Modellzyklus folgte auf der dritten IAA im September 1955 mit einer vergrößerten Heckscheibe und breiteren Reifen ein äußerlich erneut lediglich gering modellgepflegter 300c. Wiederum fand die Modellpflege überwiegend unter dem Blech statt. Während der im Vergleich zum Vorgänger nicht wesentlich längeren Produktionszeit von September 1955 bis Juli 1957 entstanden 1432 Limousinen und 51 Cabriolet D, letztere allerdings nur bis Juni 1956.

300 c Sondermodell mit langem Radstand für Kanzler Adenauer, 1956

300 d Hardtop-Limousine

Anfang Mai 1956 entstand auf Wunsch des Bundeskanzlers eine Version 300c mit einem um 100 Millimeter verlängerten Radstand. Durch Rückversetzung der Fondsitze um zusätzliche 40 Millimeter wuchs die Beinfreiheit hinten um 140 Millimeter. Im Juni 1956 wurde der Radstand dieser an das Kanzleramt gelieferten Sonderausführung von 3150 Millimeter, zuvor 3050 Millimeter, in die reguläre Produktion übernommen und ab August 1956 ausgeliefert.

Wahrhaft royale Innenausstattung

Die nächste Modellpflege zum August 1957 fiel innen wie außen wesentlich tiefgreifender aus, so dass das Ergebnis den Status einer Neukonstruktion und damit die neue Konstruktionsbezeichnung W189 erhielt. Die Karosserie des intern als 300$d bezeichneten Fahrzeugs zeigte sich vor allem im Dach- und Heckbereich modernisiert. Die als „pfostenlose Vollsicht-Karosserie“ bezeichnete Neugestaltung, besonders mit den filigranen C-Säulen, ermöglichte eine um fast ein Drittel vergrößerte Fensterfläche, deren Seitenscheiben voll versenkbar waren, das Werk sprach von einer Hardtop-Limousine. Das Kofferraumvolumen wuchs um etwa 15 Prozent, als Extra konnten zwei Reserveräder untergebracht werden. In der Bauzeit von August 1957 bis März 1962 entstanden 3077 Limousinen und 65 Cabriolet D, letztere ab Dezember 1958. Dabei betrug der Mehrpreis für das Cabriolet 8500 DM, bei einem Grundpreis von etwa 27$000 DM für die Limousine nicht unbedingt ein Sonderangebot.

300 Pullman-Landaulet von Papst Johannes XXIII

300 Pullman-Landaulet, Verbleib im Werksbesitz

300 Pullman-Limousine, Verbleib im Werksbesitz

Auf Basis des 300$d sind im Jahr 1960 im Stuttgarter Werk vier Sonderfahrzeuge entstanden, die jeweils als Unikat eingeordnet werden können. Drei davon basierten auf einem längeren Radstand von 3600 Millimeter und erhielten die luxusträchtige Zusatzbezeichnung „Pullman“. Es handelte sich um zwei Pullman-Landaulets und eine Pullman-Limousine mit erhöhtem Dachaufbau. Die beiden Landaulets waren insofern jeweils auch als Unikat anzusehen, als sie sich in der Ausgestaltung des Fondbereiches unterschieden. Das eine Landaulet war im Fond mit einem einzelnen Sessel ausgestattet und wurde als Sonderfahrzeug für Papst Johannes XXIII. im Dezember 1960 an den Vatikan ausgeliefert. Das zweite Landaulet mit konventioneller Fondsitzanlage und die Pullman-Limousine verblieben als Repräsentationsfahrzeuge im Werkseigentum. Sie konnten zu besonderen Anlässen an die Bundesregierung oder solvente Privatiers vermietet werden. Die Historie des zweiten Landaulets weist keinen markanten Höhepunkt auf. Die Limousine führt zum britischen Königshaus Windsor.

Technische Daten – Mercedes-Benz 300 d Pullman-Limousine

  • Erstzulassung                     22. Dezember 1960
  • Abmeldung                         15. Juni 1972, bereits im Museumsbestand
  • Motor                                   Reihen-Sechszylinder M 189, 2996 ccm,
  •                                               160 PS bei 5300 U/min, Verdichtung 8,55:1
  •                                               Bosch-Einspritzung
  • Elektrik                               12 Volt, 70 Ah
  • Getriebe                              4-Gang-Lenkrad-Automatic
  • Bremsen                             hydraulisch Servo, Trommel rundum
  • Radstand, Spur v/h         3600, 1480/1525 mm
  • Lenkung                             Kugelumlauf

Im 13. Jahr ihrer Regentschaft reiste die britische Königin Elisabeth II. gemeinsam mit dem Prinzgemahl Philip zu ihrem ersten Staatsbesuch in die Bundesrepublik Deutschland, vier weitere sollten noch folgen. Neben Empfängen von Regierungs- und Staatsoberhaupt (Ludwig Erhard und Heinrich Lübke) bescherte ihr die elftägige Reise vom 18. bis 28. Mai 1965 acht Bundesländer samt Regierungen und Parlamentspräsidenten, 15 Stadtoberhäupter, Einträge in Goldene Bücher von 18 Städten und 14 kalte Buffets; nach Empfehlung vom Buckingham Palace oftmals Hummer mit Spargel, was sie nach der Reise vielleicht nicht mehr ganz so hoch favorisierte wie zuvor. Für die mehr als 3000 Kilometer Reisestrecke stand überwiegend ein Sonderzug der Deutschen Bundesbahn zur Verfügung, in dem das königliche Paar auch sieben der zehn Übernachtungen verbrachte. Öffentlichkeitswirksame Autofahrten erfolgten fast ausschließlich im Mercedes-Benz 600 Landaulet, von der Bundesregierung bei Daimler-Benz angemietet. Nach Besuchen unter anderem in Bonn, Köln, Düsseldorf, München, Stuttgart, Berlin und Hannover endete die Reise in Hamburg als letzter Station. Wir als Sechstklässler hatten an diesem Tag schulfrei und winkten dem royalen Paar, bewaffnet mit Union-Jack-Fähnchen, bei seiner Fahrt durch die Hansestadt. Am 28. Mai startete die Rückreise ab Hafen Hamburg auf der königlichen Yacht Britannia.

Fotos der Familie – Anna Ballheimer.
Das königliche Paar im Langenburger Schloss, rechts neben Elisabeth II. Fürst Kraft zu Hohenlohe-Langenburg

Fast ausschließlich im Mercedes-Benz 600 Landaulet, aber eben nicht ganz. Bei allem staatstragenden Charakter der Reise gab es zumindest auch einen eher dem Privaten vorbehaltenen Tag. Am 24. Mai 1965 besuchte das königliche Paar Schloss Langenburg. Der Besuch galt Fürstin Margarita zu Hohenlohe-Langenburg, der ältesten Schwester des britischen Prinzgemahls Philip und Großmutter des heutigen Fürsten Philipp. Für die Fahrt nach Langenburg stellte die Daimler-Benz AG die 300$d Pullman-Limousine zur Verfügung. Dieses „königliche“ Sonderfahrzeug auf Basis der 300d Limousine steht heute als Dauerleihgabe von Mercedes-Benz im Deutschen Automuseum in Langenburg und erinnert an den royalen Besuch vor 59 Jahren.

Der Vollständigkeit halber sei noch ein Blick auf das vierte Einzelstück des 300d geworfen. Auf normalem Radstand von 3150 Millimeter wurde ein zweitüriges Kombifahrzeug aufgebaut, das als leistungsstarker Messwagen der Versuchsabteilung von Mercedes-Benz zugeordnet war und dort jahrelang seinen Dienst versah. Seinerzeit eher nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt, wird es heute im Bestand des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart gezeigt.

Sondermodell Messwagen

QUELLE: Mercedes-Benz Interessengemeinschaft www.MBIG.de

BILDER: E. Pfütze, Mercedes-Benz Archiv, Schloss Langenburg/Anna Ballheimer