von Frank Kersten-Elter Technikblog auf www.107doc.de aus der MB R/C 107 SL-Clubzeitung 107 Klassik
Der folgende Artikel wurde uns freundlicherweise vom Mercedes-Benz R/C 107 Club aus deren Clubzeitung zur Verfügung gestellt. Er bezieht sich speziell auf die betroffenen Fahrzeuge der Baureihe R/C107. Da die dort verbauten Geschwindigkeitsanzeiger aber auch in anderen Mercedes-Benz Baureihen zeitgleich ähnlich eingesetzt wurden, ist der Artikel sicherlich auch für diese Baureihen interessant.
Mechanischer Tacho bis ca. 03.80 Funktion und Reparatur
Mechanische Tachos, Drehzahlmesser, Uhren und Kombi-Instrumente sind bei Daimler schon lange nicht mehr lieferbar. Nachschub vom Zulieferer VDO gibt es nicht.
Im Falle eines Defektes können die Tachos also nur noch von einem Spezialisten repariert werden. Es gibt zwar noch die, meist von ehemaligen VDO Mitarbeitern betriebenen, Tachodienste. Diese sind jedoch nur noch eingeschränkt in der Lage, die 107er-Tachos zu reparieren. Es fehlen Ersatzteile wie Tachonadeln, Wegstreckenzählwerke und Zahnräder. Die Reparaturkosten betragen, je nach „Krankheit“, 400 bis 700 Euro und dauern bis zu 8 Wochen. Von gebrauchten 107er und 116er-Tachos raten wir ab. Diese haben größtenteils hohe Laufleistungen und sind daher defekt.
Mechanische Tachos werden über eine Tachowelle angetrieben. Das Getriebe hat einen mechanischen Ausgang für die Tachowelle. Von dort werden die Kardanwellenumdrehungen auf die Tachowelle übertragen. Die Tachowellen verschleißen mit der Zeit. Folge ist ein unruhiger Tacholauf oder ein Totalausfall des Tachos. Die Tachowelle sollte also überprüft und falls erforderlich erneuert werden. Je nach Fahrzeug und Getriebe gibt es unterschiedliche Tachowellen.
Im Tacho werden die Kardanwellenumdrehungen dann durch den Wegstreckenzähler und die Tachonadel optisch angezeigt. Die Tachowelle treibt dabei zwei unterschiedliche Systeme im Tacho an. Den Wirbelstromantrieb (magnetisch) für die Tachonadel und den Zahnradsatz für den Wegstreckenzähler. Ab ca. 03.76 ist bei Fahrzeugen mit Tempomat zusätzlich rückseitig ein Tempomatgeber (Hallsensor) angebracht. Dieser Geber generiert das Tempomatsignal über den Wirbelstrommagneten. Bei Fahrzeugen bis ca. 03.76 ist der Geber an der zweiteiligen Tachowelle angebracht. Die Tachos sind also in Bezug auf den Tempomatgeber nicht baugleich und können daher nicht untereinander getauscht werden.
Jedes Tacho ist mithilfe der K oder W-Zahl (Impulse pro gefahrenen km oder mph) auf die Hinterachsübersetzung und serienmäßige Reifengröße des Fahrzeuges abgestimmt. Der K oder W-Wert ist auf der Rückseite des mechanischen Tachos eingeschlagen. Bei einigen späten Produktionschargen wurde auf das Einschlagen verzichtet und ein Aufkleber mit dem K-Wert angebracht. Es ist also nicht möglich z. B. ein Tacho aus einem 280 SL in einen 450 SL einzubauen, da diese unterschiedliche Hinterachsen und daher auch unterschiedliche K oder W-Werte haben. Eine Liste mit den Hinterachsübersetzungen und den K oder W-Werten ist im Technikblog auf www.107doc.de zu finden. Wer ein Tacho austauscht, sollte also auf gleiche K oder W-Werte achten. Die mechanischen 107er und 116er-Tachos sind bis auf die Nummer der Tachoscheibe baugleich. Ein Umbau der Zahnräder ist zwar möglich, jedoch sind diese nicht mehr lieferbar und müssen erst angefertigt werden. Auch der einfache Austausch einer mph Tachoscheibe gegen eine km/h Scheibe ist nicht empfehlenswert. Die Skalierung ist unterschiedlich. Das Tacho muss auf die neue Tachoscheibe aufwendig eingestellt und eingemessen werden.
Auf der Tachoscheibe steht immer eine Ersatzteilnummer: A 107 542 XX XX oder A 116 542 XX XX. Bei dieser Nummer handelt es sich um eine Teilenummer NUR für die Tachoscheibe. Es handelt sich NICHT um die Ersatzteilnummer für die Tachoeinheit. Mit der Nummer auf der Tachoscheibe kann der Tacho also keinem Fahrzeugmodell eindeutig zugeordnet werden. Bei jeder kleinen Änderung der Motor-Getriebeabstufung wurden die orangen Strichmarkierungen I II III und die Teilenummer für die Tachoscheibe geändert oder auch nicht. Es gibt also für jedes Modell mehrere mögliche Tachoscheiben. Als die Tachos noch lieferbar waren, wurde dem Kunden vielfach ein neues Tacho mit anderen Strichmarkierungen eingebaut. Es war nicht möglich, alle Ausführungen als Ersatzteil zu bevorraten. Die Bedeutung der Strichmarkierungen wird in der Bedienungsanleitung des Fahrzeuges erklärt.
Unter den 107er US mph Tachos gibt es, wie bei den elektronischen Tachos, besondere Exoten. Die Tacho-Skala geht beim 450 SL ab ca. 09.79 nur bis 85 mph oder 140 km/h, obwohl das Fahrzeug schneller ist. Die Tachonadel wird hier durch einen zweiten Anschlagpin bei 85 mph gestoppt. Das Fahrzeug kann jedoch auch schneller bewegt werden, ohne den Tacho zu beschädigen. Dem deutschen TÜV gefällt diese Begrenzung natürlich überhaupt nicht. So ordnet der TÜV vielfach eine Umrüstung auf z. B. 240 km/h an.
Die mechanischen 107er und 116er-Tachos sind bauartbedingt noch ungenauer als die elektronischen 107er und 126er-Tachos und mit modernen Tachos überhaupt nicht vergleichbar. Moderne Tachos erhalten Ihr Signal von vernetzten Steuergeräten. Die Steuergeräte ermitteln die Geschwindigkeit über die Radsensoren und können die Geschwindigkeit viel präziser anzeigen. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass Tachos nie weniger anzeigen dürfen, als die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit. Zusätzlich war zu der Zeit eine „Voreilung“ vorgeschrieben. Über die Höhe der Voreilung herrscht große Verwirrung, da es zu dem Thema mindestens drei EU Verordnungen gibt. Die entsprechenden Formeln wurden zudem fehlerhaft in die Amtsblätter übernommen. Wir haben einige fabrikneue 107er-Tachos geprüft und eine Voreilung von ca. 10 % gemessen. Die US-Tachos mit mph wurden jedoch ohne Voreilung ausgeliefert und zeigen die Geschwindigkeit relativ genau an. Dies ist jedoch bei mechanischen Tachos schwer einzuhalten. Mechanische Tachos mit hoher Laufleistung haben da häufig größere Abweichungen. Der Ausschlag der Tachonadel wird maßgeblich durch die Spiralfeder unterhalb der Tachoscheibe bestimmt. Diese Feder verliert jedoch mit der Zeit Ihre ursprüngliche Federkraft und Linearität. Also umsichtig fahren und die Abweichung mit dem Navi vorsorglich überprüfen. Aber Vorsicht! Unterschiedliche Navis zeigen auch unterschiedliche Geschwindigkeiten an. Navis sind also auch nur „Schätzeisen“. Nur hochwertige Navis, die gleichzeitig mehrere Satellitensignale auswerten können, sind genauer.
Die mechanischen 107er-Tachos sind im Vergleich zu den elektronischen 107er-Tachos langlebiger. Zahnausfall und zersetzte Zahnräder sind selten. Ein Ausfall der Elektronik ist unmöglich. Jedoch kommt es auch hier zum Stillstand der Wegzähler. Ursache sind meist durchdrehende Walzenzahnräder. Je höher die Umgebungstemperatur, umso weniger drehen die Walzen. Die Wegstrecke wird also nicht mehr richtig angezeigt.
In diesen Fall muss der Tacho zerlegt werden, um die Zahnräder zu erneuern. Im Netz werden diverse Reparaturmethoden beschrieben. Alle zielen darauf ab, die Achsen zu verdicken, damit die Zahnräder nicht mehr durchdrehen. Eine Möglichkeit ist das Auftragen und anschließende Abtragen von Lötzinn. Andere verwenden Sekundenkleber oder Schraubensicherung. Kann man machen, hat jedoch Risiken. Die Zahlenwalzen können dabei verkleben oder werden bei der Montage aufgeweitet. Wir verwenden bevorzugt neue Zahnräder.
Quelle Bilder: Frank Kersten-Elter + Cabriodoc GmbH