Aus der Clubzeitung: Zwei Traumsportwagen feiern Jubiläum

55 Jahre C 111 und 70 Jahre 300 SL Seriensportwagen Saisoneröffnung in der KLASSIKSTADT Frankfurt am 21. April 2024

Aus der Jubiläumsausgabe der Clubzeitung des Mercedes-Benz 300 SL Club

von: Wolfgang Kalbhenn (Initiator dieses Events und Verfasser des Berichts) 
Fotos: Mercedes-Benz Classic, Wolfgang Kalbhenn und Dr. York Seifert)

„ ERBE SCHAFFT ZUKUNFT“

(Zitat von Marcus Breitschwerdt Febr. 2023)


Das renommierte und mehrfach ausgezeichnete C 111 -Buch von Wolfgang Kalbhenn und Gerhard Heidbrink ist nun schon in der zweiten – von Gerhard Heidbrink deutlich aktualisierten und ergänzten – Auflage erschienen, und vor diesem Hintergrund planten wir einen neuen öffentlichen Auftritt der Legende Mercedes-Benz C 111. Die ideale Lokation war in der KLASSIKSTADT Frankfurt schnell gefunden, zumal wir versprechen konnten, neben dem C 111 auch einen 300 SL -“Flügel“  als Eyecatcher vor Ort zu bringen. Es bot sich nämlich an, die Veranstaltung um diese beiden „Jubilare“ – C 111 55 Jahre / W 198  70 Jahre – gemeinsam zu gestalten.

Nach erfolgreichen  „Verhandlungen“  mit der Mercedes-Benz Heritage GmbH bekamen wir schließlich die Zusage für die Leihgabe eines Original- C 111-Fahrzeuges aus dem Museumsbestand. Wir konnten sogar den Typ 1 auswählen, weil dieser der 1969 vorgestellten ersten Version entsprach.

Zum  70-Jährigen Jubiläum des 300SL Flügeltürers lag es auf der Hand, die Brücke zu schlagen von der 1. Uhlenhaut-Schöpfung, dem W 198 als Serienversion des Rennsportwagens W194 zu seinem 2. Baby, dem C 111.

Nach recht aufreibenden und langwierigen Vorbereitungen konnte ich am 19.April den C 111 #23 – sogar mit 4-Scheiben-Wankelmotor –  im KLASSIKSTADT-Innenhof „in Empfang nehmen“!

Wer sieht hier NICHT meine Begeisterung!? Das war schon ein erhebendes Gefühl, nach deutlich über 50 Jahren, einen „meiner“ C 111 – hier „in echt“ –  in Empfang nehmen zu können.

Ausladen und im Event-Room positionieren wurde dann noch „inniger“!

Am Sonntag, den 21. April 2024 war es dann soweit: Titus Schneider, Geschäftsführer von  KLASSIKSTADT, begrüßt uns, Gerhard Heidbrink und mich,  gegen 11.oo Uhr neben dem „schnellsten Denkmal der Welt“, dem MB -C 111 von 1969, vor den zahlreichen Gästen und den vielen C 111 – Interessierten (ca. 2 x 100) im Event-Room.

Gerhard Heidbrink ging zunächst in einem ebenso brillanten wie mitreißenden Vortrag auf die nicht minder spannende Erfolgsgeschichte des Mercedes 300SL (W198 I) zu dessen 70–jahrigen Jubiläum ein. Eigens aus diesem Anlass waren über zehn 300 SL-Gullwings und 300SL-Roadster aus der 300 SL-Club-Szene vorwiegend vom Regionalclub Frankfurt unter Helmut Gessler  angereist und bereicherten den Innenhof und die Indoor-Parkplätze der KLASSIKSTADT; dies sogar trotz des „nicht gerade idealen Wetters“!  Guido Hommel stellte dankenswerterweise seinen 300SL Flügeltürer für die Ausstellung zur Verfügung und war überdies noch mit seinem Roadster angereist.

Der „rote Roadster vom Rotenberg“, das Autobahn Rekordauto von 1958, damals mit Rudolf Uhlenhaut am Steuer, trifft in der KLASSIKSTADT auf das „schnellste Denkmal der Welt“,

Uhlenhauts 2. Baby, den C 111 –  eine  treffliche Szene: „sie sehen sich hier wohl zum ersten Mal!“

Den sich anschließenden  Powerpoint-Vortrag zur Entwicklungsgeschichte des Mercedes-Benz C 111 vom ersten „Hobel“ (C 101) bis zum C 111 Typ2 hätte KEINER eindrucksvoller und kompetenter halten  können als Gerhard Heidbrink, Autor unseres gemeinsamen C 111-Buches und langjähriger Mitarbeiter der Daimler-Produkt-Archive in gehobener Stellung:

LEAD Technologies Inc. V1.01

Rudolf  Uhlenhaut war – wie Wolf-Dieter Bensinger – ein begeister Anhänger des kleinen, leichten, aber immens leistungsstarken Wankelmototors! So war es kein Wunder, dass der innovative „Nachfolger“ des legendären 300 SL dann diesen charakterstarken Sportmotor bekommen sollte!

Heidbrink stellte Funktion und Arbeitsweise des „Wankel“ kurz vor, um dann zügig zu den ersten Design-Studien dieses hyper-modernen Hochleistungssportwagen  C 101 zu kommen.

C 101: Unter diesem Kürzel beginnt Ende 1968 die konkrete Umsetzung des Wankel-Sportwagens. Verantwortlich zeichnet Rudolf  Uhlenhaut, einst Vater des legendären 300 SL. Projektleiter ist Dr. Hans Liebold, Leiter der Vorentwicklung. Das faszinierende Design entwirft ein Team um Joseph Gallitzendörfer  und Bruno Sacco, der kurz zuvor von der Vorentwicklung in die Stilistik gewechselt ist, koordiniert die Karosserieentwicklung des spektakulären Sportwagens.

Mit Mut und Entdeckerfreude entwickeln die Ingenieure des Unternehmens den Wankelmotor trotz großer Herausforderungen weiter. So berichtet Entwicklungschef Prof. Dr. Hans Scherenberg 1967, dass der Verbrauch des Wankels rund 50 Prozent höher sei als bei einem gleich starken Hubkolbenmotor in V-Form.

Aus C 101 wurde C 111 und es entstanden die ersten fahrfähigen Prototypen, zunächst noch mit (nur) 3-Scheiben-Wankelmotor mit ca. 280 PS.

„Ich kann mich noch gut an das völlig neue, kreischende Auspuff-   Geräusch erinnern, als die ersten Versuchsträger unter Dr. Liebold die Einfahrbahn in Stuttgart-Untertürkheim umrundeten!!“

Die Vorstellung des C 111 Typ 1 auf der IAA in Frankfurt im September 1969 kam einem Paukenschlag in der Sportwagen-Szene gleich! Sollte doch der C 111 die Daimler-Benz Antwort auf die Konkurrenz-Fahrzeuge von Ferrari, Lamborgini und Maserati  etc. sein und werden!

Tatsächlich war dann der C 111 Typ 2 vom Autosalon Genf 1970 diesen in ALLEN Disziplinen deutlich überlegen!!

Das Projekt „C 111“ war aber tatsächlich wesentlich mehr als nur Wankelmotor-Entwicklung: Kunststoff im Karosseriebau, zukunftsweisende Fahrwerksauslegung (Raumlenker-Achse), neue Bremssysteme wie z.B. ABS und – schon damals – Entwicklung des strömungsgünstigen Fahrzeug-Körpers, um nur Einige zu nennen. Die Computer-gestützte Auslegung und Berechnung von Bodengruppe und Karosserie war genauso damals eine bahnbrechende Pionierarbeit von Daimler-Benz!

Immer den Serieneinsatz im Blick wurden bis 1974 insgesamt 16 Prototypen aufgelegt, wovon quasi Keiner dem Anderen glich!

Letztlich sprechen  aber Verbrauch und Emissionsverhalten damals gegen eine Serienfertigung des starken und laufruhigen Wankelmotors. Auch die Zuverlässigkeit ist ausbaufähig, obwohl der Einbau von Wankelmotoren für den SL der Baureihe 107 und die Mittelklasse-Baureihe 123 erwogen wird. Doch das Pech klebt dem Wankel an den Fersen: Pkw-Entwicklungschef und C-111-Förderer Rudolf Uhlenhaut geht 1972 in Rente, 1973 folgt die erste Ölkrise und Bensinger stirbt 1974.

Eingestellt wurde dann das Projekt „C 111“, als von den USA die immer „schärfer“ werdenden Abgasgesetze und die ersten Crash-Tests zu „bestehen“ waren; Letztere hätten eine völlige Neu-Konstruktion zur Folge gehabt! Die Weiterentwicklung wurde daher laut Vorstandsbeschluss  im Jahr 1974  „nicht weiter verfolgt“.

Eine neue Karriere des C 111 -Fahrzeug-Konzeptes bot dann noch die Verwendung vorhandener C 111 -Fahrgestelle für die Rekordfahrten mit Dieselmotor in Nardo / Süditalien. Der Dieselmotor sollte attraktiv gemacht werden für die Einführung – vor allem in den USA – in der „S“-Klasse! Die eingefahrenen Rekorde brachten das Fahrzeug „C 111“ noch mal groß in die Öffentlichkeit, ohne natürlich aber ein weiterer „C 111“ zu sein!

Der C 111 ist nämlich nur ein ECHTER mit seinem 4-Scheiben Wankelmotor! Uhlenhaut hat schon bei der Auslegung, jeden weiteren Motor für das Konzept ausgeschlossen!!

Die große Öffentlichkeit am 21 04. 2024 in Frankfurt bei KLASSIKSTADT und die vielen begeisterten Kommentare belohnen den Aufwand, den hier das Orga-Team und die Macher von  KLASSIKSTADT für dieses C 111 -Event betrieben haben!

Die Zukunftsentwicklung bei Daimler findet ihre Fortführung im Projekt VISION „One-Eleven“!


Anmerkung des Verfassers:

Ich habe habe immer proklamiert, dass neben dem „Fahrwagen“ C 111 #35 mit V8-Motor auch  ein  C 111 mit seinem 4-Scheiben-Wankelmotor aus seinem Museumsschlaf geweckt werden muss und wieder lauffähig „auf die Straße“ kommen sollte!

Nun nach über 50 Jahren stehen hierfür die Zeichen gar nicht schlecht!

„Die Sonne wird es an den Tag bringen“ Wolfgang Kalbhenn


Der Wankelmotor läuft wieder

Wolfgang Kalbhenn sollte Recht behalten und sein großer Traum inzwischen wahr werden, der erste nun wieder fahrfähige  C 111 mit Wankelmotor wurde nämlich am 16.08.2024 von Mercedes-Benz Heritage nach Überarbeitung im Mercedes-Benz Classic Center tatsächlich erstmals wieder vorgestellt. Im Rahmen der Monterey Car Week erfolgte  Mitte August nämlich die zweite Premiere des Mercedes  C 111-II von 1970  nach seinem Debüt in Genf nun in der Sonne von Pebble Beach, und zwar wieder mit originalem Wankelmotor.  Der beim Concous d’Elegance vorgestellte Wagen wurde aber nicht auf einen Concours-Zustand gebracht, sondern die originale Prototypen-Optik beibehalten. Der Wankelmotor war fast 50 Jahre nicht gelaufen. Er war jedoch sehr gut konserviert, so dass er nach wenigen Wochen wieder lief. Die ersten Kilometer hat der C 111-II inzwischen bereits zurückgelegt.

„Mit Wankelmotor, Hightech-Werkstoffen, atemberaubenden Fahrleistungen und einem futuristischen Design ist er heute eine faszinierende Zeitmaschine. Sie lässt den visionären Spirit von 1970 lebendig werden. Wir bringen diesen innovativen und 257 kW (350 PS) starken Sportwagen nach mehr als 50 Jahren erstmals nach Pebble Beach. Ein wahrer Supersportwagen mit bis zu 300 km/h Top Speed – schon 1970!“, so Marcus Breitschwerdt, CEO Mercedes-Benz Heritage GmbH.