Das Band schaltet jetzt AB

AB 1Vor rund 75 Jahren wurde er erfunden, seit 60 Jahren gibt es ihn in Deutschland auch für Privathaushalte. Doch der automatische Anrufbeantworter ist nicht irgendeine Kommunikationstechnik …

Schließlich hat er eine eigene Kultur begründet: Ohne ihn könnten wir nicht für andere da sein, obwohl wir ganz woanders sind. Ohne ihn wären wesentliche Informationen erst gar nicht zu uns gelangt („Jürgen, hallo, bist du da, hier spricht deine Mutter, HALLOOOO!!! …“). Und ohne ihn könnte noch nicht einmal der Heilige Vater zu unvermutet abwesenden Nonnen sprechen („Ich bin Papst Franziskus. Ich wollte euch Silvestergrüße schicken. Mal schauen, ob ich nachher wieder anrufen kann. Gott segne euch!“).  Und jetzt? Jahr um Jahr und mehr und mehr wird er für überflüssig erklärt, ersetzt erst durch integrierte Mailboxen und Sprachcomputer, dann durch EMail, SMS und WhatsApp. Dabei wissen wahre Fans, dass es niemals einen wirklichen Ersatz für ihn geben kann.

Nicht nobel, sondern Müller

Die ebenso tragische wie dauerhafte Unterschätzung des Kulturguts Anrufbeantworter begann schon mit dessen Erfindung. So hieß sein geistiger Vater nicht etwa Bell oder Edison oder gar Nobel, sondern schlicht Müller. Willy Müller. Diesem wackeren Geist, der sich selbst vom Reichspostzentralamt nicht einschüchtern ließ, sondern seinen 1938 erstmals erdachten Apparat sofort nach dem Krieg in aufgepeppter Version auf den Mark brachte, diesem Müller verdanken wir übrigens auch den elektrischen Wagenheber.

Der Allgäuer Müller verlegte seinen Betrieb in die Schweiz und nannte seine Erfindung „Ipsophon“. Obwohl das Gerät ganze 164 Kilo wog und mit bis zu 2000 Meter langen Stahldrähten als Speichermedien arbeitete, waren alle heute gewohnten Features bereits vorhanden:

  • automatische Antwort mit Sprechtext, automatisches Überspringen nicht besprochener Stellen, Fernabfrage und Löschen mit Geheimcode.

AB 2In Deutschland waren Anrufbeantworter für Privathaushalte erstmals 1953 verfügbar. Willy Müller & Co. stellten sie in München her und nannten sie „Sprachspeichergeräte“. 1957 folgte Müllers „Alibiphon“. Es bestand aus zwei Teilen: einem Magnetplattengerät, das man ans Telefon anschließen konnte und das einen zuvor aufgezeichneten Text durchgab. Und einem „Untersatz“, der mit dem Magnetplattengerät mittels zweier Stecker und Schrauben verbunden war. Mit diesem Untersatz konnte man ein Tonbandgerät verbinden, das die Nachrichten aufzeichnete.

Wirklich komfortabel und preiswert wurden ABs in den USA schon ab den 1960ern, in der Bundesrepublik erst viel später. Bis in die 1980er gab es von der Bundespost zugelassene Geräte, die bis zu 3.000 DM kosteten. Nicht wenige Nutzer behalfen sich in dieser Zeit mit nicht zugelassenen Geräten. Legalen wie illegalen Lösungen gemein war die Kassette als Speichermedium für Ansage- und Anrufertext: entweder als spezielle Mini- oder Mikroversion oder schlicht als Audiokassette. Ältere Menschen (30+) können sich vielleicht noch erinnern, wie es sich anfühlte, wenn man feierabends nach Hause eilte zu einer lang ersehnten Liebesnachricht und stattdessen Bandsalat vorfand. Oder 15 Minuten lang den Nachbarn abhören musste, weil man vorher nicht löschen konnte: „Hallo, hier ist Schulze, es ist 10 Uhr 40 und Ihr Mülleimer versperrt meine Garageneinfahrt …“

QUELLE: Sonepar Deutschland FOTOS: JH-Funk, Plenz, jeweils Wikipedia