Das Lenkrad: Mercedes-Benz Museum Inside Nr. 8/2020

  • Vom reinen Steuerinstrument zur vielseitigen Schnittstelle zwischen Mensch und Fahrzeug
  • 1894 feiert das Lenkrad Premiere – davor gab es Kurbeln oder Hebel
  • 120 Jahre Lenkradentwicklung bei Mercedes-Benz
  • Exponatreihe „33 Extras“: Objekte der Automobilkultur im Mercedes-Benz Museum

Mercedes-Simplex – Das Lenkrad ist mit zusätzlichen Hebeln zum Einstellen von Motorfunktionen ausgestattet

160 Fahrzeuge und insgesamt 1.500 Exponate präsentiert die vielfältige Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums. Ein besonderer Bestandteil sind die „33 Extras“: Sie lassen am Beispiel oft überraschender Details Mobilitätshistorie und Automobilkultur lebendig werden. Die Newsletter-Reihe Mercedes-Benz Museum Inside lenkt den Blick auf die „33 Extras“ und bringt ihre Geschichten auf den Punkt. In der heutigen Folge geht es um das Lenkrad.

8/33: Das Lenkrad

1 – Präzision: Im Jahr 1894 erhält das Automobil erstmals ein Lenkrad. Premiere feiert es im ersten Motorsportwettbewerb der Geschichte auf der Fahrt von Paris nach Rouen. Der französische Ingenieur Alfred Vacheron rüstet damit sein von einem Daimler-Motor angetriebenes Fahrzeug der Marke Panhard & Levassor aus. Im Vergleich zu den bis dahin üblichen Hebeln ermöglicht ihm das Lenkrad eine präzisere Steuerung – und damit auch ein höheres Tempo. Sein Steuerrad besteht aus einem runden Griffkranz, der über Speichen mit der Lenksäule verbunden ist – das bis heute gültige Grundprinzip.

2 – Kurbel oder Lenker: Bevor sich das Lenkrad um die Jahrhundertwende durchsetzt, gibt es vielfältige Lösungen, bis hin zu solchen, die einem Fahrradlenker ähneln. Carl Benz verwendet beim dreirädrigen Patent-Motorwagen von 1886 eine Drehkurbel, die den Steuerimpuls des Fahrers auf die Lenksäule überträgt. Gottlieb Daimler stattet seine vierrädrige Motorkutsche von 1886 mit einem kreuzförmigen Griff aus.

3 – Bedeutung: Das Lenkrad setzt sich am Ende durch, weil es sich intuitiv bedienen lässt. Es ist neben Pedalerie und Sitz die wichtigste Schnittstelle zwischen Mensch und Automobil. Ein Vorteil: Die Fahrtrichtung kann viel feinfühliger bestimmt werden als mit einem Hebel. Denn das Rad erlaubt die Übersetzung des Lenkeinschlags in mehrere Umdrehungen.

4 – Zusatzfunktionen vor 120 Jahren: In der Mercedes-Simplex Modellfamilie ist ab 1902 das Lenkrad bereits mit Hebeln ausgestattet, über die wichtige Motorfunktionen eingestellt werden, insbesondere Zündzeitpunkt und Gemischbildung. In den 1920er-Jahren kommt der Lenkradring für die Bedienung der Hupe dazu – quasi ein frühes System der Car-to-X-Kommunikation.

5 – Zusatzfunktionen heute: Über heutige Lenkräder lassen sich zahlreiche Systeme bedienen, etwa der Bordcomputer, die Sprachsteuerung, Telekommunikation und Multimedia. Hinzu kommen die in unmittelbarer Nachbarschaft angeordneten Hebel. Im Sommer 2020 stellt Mercedes-Benz die nächste Generation des Steuers als Kommandozentrale vor – das kapazitive Lenkrad mit digitalen Bedienfeldern.

6 – Ergonomie und Emotion: Die technischen Ansprüche an das Lenkrad sind hoch. Aber auch die an das haptische Erlebnis. Denn wenn das Lenkrad beim Anfassen nicht als angenehm empfunden wird, kann sich das auf die Fahrzeugbedienung auswirken. Neben Materialien spielt auch das Design eine wichtige Rolle.

7 – Idealer Ort: Zur Lenkrad-Ergonomie gehört auch seine Position im Fahrzeug. Das machen bereits der Daimler Phönix-Rennwagen von 1900 und der innovative Mercedes 35 PS aus dem Jahr 1901 deutlich: Ihre Lenksäulen sind deutlich stärker geneigt als bis dahin üblich. So lassen sich diese Automobile viel besser und dynamischer steuern. Das trägt zur Fahrsicherheit bei – aber auch zum überwältigenden sportlichen Erfolg der Mercedes 35 PS in der Woche von Nizza 1901.

8 – Größe und Gewicht: Die ersten Lenkräder geben Auskunft darüber, wie groß und schwer ein Fahrzeug ist. So brauchen Lastwagen, Busse und auch Repräsentationsfahrzeuge zunächst gewaltige Steuerradkränze. Nur so entsteht aus purer Muskelkraft eine ausreichend große Hebelwirkung, um die notwendige Lenkkraft zu übertragen. Deutlich macht das zum Beispiel der Mercedes-Benz O 10000 im Mercedes-Benz Museum (Raum Collection 2: Galerie der Lasten): Er hat ein riesiges Lenkrad. Erst mit dem Aufkommen der Servolenkung können Lenkräder in großen Fahrzeugen kleiner werden. Diese Entwicklung beginnt in Personenwagen. Der Mercedes-Benz 300 ist im Jahr 1958 die erste Limousine der Stuttgarter Marke mit diesem System. Ab den 1960er-Jahren erhalten dann immer häufiger auch Mercedes-Benz Nutzfahrzeuge die Lenkunterstützung.

9 – Gepolstert: Mercedes-Benz ist ein Vorreiter für passive Sicherheit. Im Rahmen des 1959 verwirklichten Sicherheitskonzepts bei der Baureihe W 111 erhält die „Heckflossen“-Limousine erstmals ein Lenkrad mit einer gepolsterten, großflächigen Prallplatte. So wird das Verletzungsrisiko verringert. Im Jahr 1967 führt Mercedes-Benz serienmäßig für alle Fahrzeuge die Sicherheitslenkung mit Teleskoplenksäule und Pralltopf ein. 1981 schließlich hält der Fahrer-Airbag im Lenkrad Einzug. Diese Weltneuheit von Mercedes-Benz für Serienautomobile hat in der S-Klasse der Baureihe 126 Premiere.

10 – Forschung: Ein Auto ohne Lenkrad? Mercedes-Benz hat dieses Szenario zumindest in Versuchs- und Forschungsfahrzeugen durchgespielt. So wird das 1996 präsentierte Forschungsfahrzeug F 200 Imagination mithilfe von Sidesticks gesteuert. Das innovative System funktioniert tadellos. Doch das Lenkrad bleibt weiterhin das Mittel der Wahl. Das gilt für Serienautomobile genauso wie für moderne Rennwagen mit ihren hochkomplexen Steuereinheiten. Vielleicht kommen autonom fahrende Autos von morgen ganz ohne Lenkrad aus. Doch zunächst unterstützt das neue kapazitive Lenkrad von Mercedes-Benz Funktionen des autonomen Fahrens – und zwar so umfassend wie nie zuvor.


Eine kurze Geschichte des Lenkrads erzählt auch diese Presseinformation von Mercedes-Benz Cars :

Von der einfachen Lenkstange zur kapazitiven Kommandozentrale

Mit der E-Klasse startet im Sommer 2020 eine neue, umfassend digitalisierte Lenkradgeneration von Mercedes-Benz: das kapazitive Lenkrad. In seinem Kranz befindet sich eine Zwei-Zonen-Sensormatte, die erkennt, ob die Hände des Fahrers das Lenkrad umfassen. Die in den Speichen platzierten Touch Control Buttons arbeiten ebenfalls mit digitalen Signalen. Den ersten Schritt zum modernen Mercedes-Benz Lenkrad vollzog die damalige Daimler-Motoren-Gesellschaft vor über 120 Jahren: mit dem Wechsel von der einfachen Lenkkurbel oder Lenkstange zum deutlich funktionaleren Lenkrad. Daraus entwickelte sich die High-Tech-Kommandozentrale von heute, die es dem Fahrer ermöglicht, präzise zu lenken und gleichzeitig zahlreiche Komfort- und Assistenzsysteme bequem und sicher zu bedienen.

Entwickler und Designer arbeiten Hand in Hand – und ringen um jedes Detail. So entscheidet zum Beispiel jeder Millimeter einer Platine, wie elegant die Oberfläche gestaltet werden kann. Dabei geht es um Optik und vor allem um Haptik. „Lenkraddesign ist eine ganz eigene Welt und eine ganz besondere Herausforderung, die vielfach unterschätzt wird“, sagt Hans-Peter Wunderlich, Creative Director Interior Design bei Mercedes-Benz, der seit rund 20 Jahren Lenkräder gestaltet. „Das Lenkrad ist neben dem Sitz das einzige Bauteil im Fahrzeug, mit dem wir einen intensiven Körperkontakt haben. Die Fingerkuppen empfinden Kleinigkeiten, die wir sonst nicht wahrnehmen. Wenn eine Unebenheit stört oder das Lenkrad nicht satt in der Hand liegt, mögen wir es nicht. Dieses haptische Empfinden geht als Rückkopplung ans Gehirn und entscheidet darüber, ob wir das Auto mögen.“ Die emotionale Bindung zu einem Auto entsteht somit über den Tastsinn der Hände.

Ganz ohne Lenkrad – die ersten Automobile

Das erste Automobil der Welt, der Patent-Motorwagen von Carl Benz aus dem Jahr 1886, kam noch „ohne“ aus. Genauso wie der von Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach konstruierte „Stahlradwagen“ von 1889: Beide hatten kein Lenkrad. Sie waren nur mit einem simplen Lenkhebel oder einer Lenkkurbel ausgestattet. Denn damals war man es von Kutschen gewohnt, am rechten oder linken Zügel zu ziehen, um die Pferde in die gewünschte Richtung zu dirigieren.

Das erste Lenkrad debütierte 1894 beim ersten Automobilrennen der Welt

Der französische Ingenieur Alfred Vacheron gilt als Erfinder des Lenkrads. Für das erste Automobilrennen der Welt, die Wettfahrt von Paris nach Rouen im Juli 1894, hatte er in seinen von einem Daimler-Motor angetriebenen Panhard & Levassor ein Lenkrad anstelle des üblichen Lenkhebels eingebaut. Sein Ziel – bessere Kontrolle – erreichte er, weil sich die Lenkbewegung der Vorderräder aus einer neutralen Mittelstellung bis zum Anschlag auf mehrere Umdrehungen der Lenksäule verteilen ließ. Das ermöglichte eine präzisere Steuerung und damit höhere Fahrgeschwindigkeiten. Der Franzose fuhr zwar nur auf Platz 11 – doch der „Volant“ setzte sich durch.

Mercedes Simplex mit schräggestellter Lenksäule und Motorfunktionsregelung

1900 stattete auch die Daimler-Motoren-Gesellschaft ihren Phoenix-Rennwagen mit einem Lenkrad aus. Außerdem wurde die Lenksäule schräg gestellt, was die Bedienung enorm erleichterte. Dennoch erforderte jede Lenkbewegung einen hohen Kraftaufwand. In den 1902 eingeführten Mercedes-Simplex Modellen gab es zusätzliche Hebel am Lenkrad, über die essenzielle Motorfunktionen wie Zündzeitpunkt und Gemisch reguliert werden mussten.

Die 1920er bis 40er Jahre: großer „Volant“ mit Hupenring

Während die Hebel zur manuellen Justierung von Kraftstoffgemisch und Zündung dank Weiterentwicklung der Motoren allmählich überflüssig wurden, blieb eine Zusatzfunktion aus der Frühzeit des Autos bis heute erhalten: das Hupen. Die einfachste Form der Car-to-X-Kommunikation begann mit der Ballonhupe auf dem Lenkradkranz, gefolgt von der Hupentaste auf der Lenkradnabe. In den 1920er Jahren debütierte der Hupenring auf den Lenkradspeichen. Er gehörte bis in die 1970er Jahre zum Standard und wurde immer filigraner.

1949 übernahm der Hupenring auch die Funktion zur Betätigung der Blinker bzw. der bis Mitte der 1950er Jahre üblichen Winker. Zum Abbiegen wurde er einfach nach links oder rechts gedreht. Dann schwenkte ein etwa 20 Zentimeter langer Winkerarm seitlich aus der Karosserie und zeigte die Fahrtrichtung an. Diese aus heutiger Sicht skurril anmutenden Richtungsanzeiger wurden von den orangegelben Blinkleuchten abgelöst, die durch Drehen des Rings über ein zentrales Steuergerät aktiviert wurden.

Die 1950er Jahre: Das Debüt von Lenkradschaltung und Servolenkung

In den 1950er Jahren wurde das Lenkrad noch mehr zur zentralen Schnittstelle zwischen Auto und Fahrer – zur Schaltzentrale für neue Komfortfunktionen und mehr Sicherheit. 1951 führte Mercedes-Benz im Typ 300 „Adenauer-Mercedes“ (W 186) und im Typ 220 (W 187) die Lenkradschaltung ein. Ein Komfortgewinn für Fahrer und Beifahrer. Denn damals bestanden die Vordersitze in der Regel aus einer durchgehenden Bank, auf der bis zu zwei Beifahrer Platz fanden. Bis in die 1970er Jahre blieb der Schalthebel an der Lenksäule eine weit verbreitete Art der Getriebebetätigung.

Bei Mercedes-Benz kehrte er 2005 mit dem Automatik-Wählhebel DIRECT SELECT wieder zurück, was die Mittelkonsole für andere Zwecke frei machte. Als weitere Lenkradfunktion kam 1955 der Hebel für die Lichthupe hinzu. Das Lenken selbst war jedoch trotz großer Lenkübersetzung und ausladender Lenkrad-Durchmesser häufig kräftezehrend. Daher führte Mercedes-Benz 1958 in der Repräsentationslimousine des Typs 300 eine Servolenkung ein.

Die 1960er Jahre: Geringeres Verletzungsrisiko dank Sicherheitslenkung

Mit dem „Heckflossen-Mercedes“ (W 111) revolutionierte Mercedes-Benz 1959 den Automobilbau, vor allem in puncto Unfallschutz. Die Limousine war das weltweit erste Fahrzeug mit einem ganzheitlichen Sicherheitskonzept, bestehend aus stabiler Fahrgastzelle, Knautschzonen, einem neuen Sicherheitslenkrad mit großflächiger, deformierbarer Prallplatte, die das Verletzungsrisiko bei einem Aufprall reduzierte, sowie einer geteilten und nach hinten versetzten Lenksäule. Dadurch konnte der sogenannte Lanzeneffekt vermieden werden. Bei früheren Fahrzeugen mit starrer Lenksäule gab es immer wieder schwere Verletzungen, da sich nach einem Frontalaufprall die Lenksäule dem Fahrer entgegenschob. Zur weiteren Erhöhung der Sicherheit führte
Mercedes-Benz eine patentierte Sicherheitslenkung mit Teleskoplenksäule und Pralltopf ein, die 1967 Standard im gesamten Pkw-Programm wurde.

Zusätzlich feierte 1959 der erste kombinierte Hebel sein Debüt in der „Heckflosse“ und im „Ponton“. Nach dem Motto „aus zwei mach eins“ umfasste er die Funktionen Blinker und Lichthupe. 1963 wurde der Hebel um die Funktionen Scheibenwischer und Scheibenwaschanlage erweitert. Der Scheibenwischer wurde vorher mit einem Zugschalter auf der Oberseite der Instrumententafel aktiviert.

Die 1970er und 1980er Jahre: Ganz im Zeichen der Sicherheit

Das 1971 im 350 SL Roadster eingeführte Vierspeichen-Sicherheitslenkrad sorgte dank breiter Polsterplatte mit Pralltopf für nochmals verbesserten Aufprallschutz. Die Speichen dienen als Stützen für den Kranz. Sie nehmen bei einem Aufprall die Kräfte auf und leiten sie so weiter, dass der Lenkradkranz nicht brechen kann. Der Hupenring hatte ausgedient und die Taster für das Signalhorn wanderten wieder auf die Lenkradmitte.

1975: Der erste Tempomat

Als eines der ersten Automobile erhielt der Mercedes-Benz
450 SEL 6.9 im Dezember 1975 serienmäßig eine sogenannte Geschwindigkeitsregelanlage, kurz Tempomat. Der weltweit erste radargestützte Abstandsregeltempomat DISTRONIC, der den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug konstant hält, hatte 1998 Weltpremiere, ebenfalls in der S-Klasse (Baureihe 220).

1981: Der erste Airbag

Das weitere Streben nach bestmöglicher Sicherheit führte dazu, dass sich das Lenkraddesign ab 1981 einmal mehr entscheidend veränderte. Ursache dafür war die Einführung des ersten Fahrer-Airbags in der S-Klasse (Baureihe 126). Hinter der ausladenden Prallplatte verbarg sich das neue Rückhaltesystem, das im Kollisionsfall einen nie zuvor erreichten Sicherheitsstandard bot. Die Entwickler jubelten, die Designer rauften sich die Haare. Denn frühe Airbags waren voluminös, der Pralltopf musste deshalb deutlich größer werden. Im Lauf der weiteren Entwicklung konnte das vakuumverpackte Luftkissen jedoch immer kleiner gefaltet werden, die Gestaltungsspielräume für die Designer wurden wieder größer. 1992 wurde der Fahrer-Airbag zur Serienausstattung in allen Pkw-Modellen von Mercedes-Benz. 1994 folgte der Beifahrer-Airbag. Der Luftsack bläst sich bei einem Aufprall innerhalb von 30 Millisekunden auf einen Durchmesser von 720 Millimeter und ein Volumen von 64 Litern auf. „Heute haben wir den kompaktesten Airbag im Markt“, sagt Marcus Fiege, Leiter Lenkradentwicklung bei Mercedes-Benz.

1998: Das erste Multifunktionslenkrad

Eine weitere technische Revolution verkörperte das Multifunktionslenkrad, das 1998 zusammen mit dem COMAND (Cockpit Management and Data) System eingeführt wurde. Nicht nur die Vielzahl der Fahrzeugfunktionen, auch der Vormarsch neuer Geräte für Information, Navigation und Unterhaltung erforderten ein Umdenken bei der Fahrzeugbedienung und beim Anzeigenkonzept. Ein wichtiges Ziel bei der Entwicklung der S-Klasse Baureihe 220 war es, den Autofahrer so weit zu entlasten, dass er sich ganz aufs Wesentliche konzentrieren kann: auf die Verkehrslage und das Fahrerlebnis. Mit einem neuen, serienmäßigen Multifunktionslenkrad steuerte er viele Systeme und rief wichtige Informationen per Daumendruck ab. Das Lenkrad war erstmals mit Autoradio, Autotelefon und einem Display in der Mitte des Kombiinstruments gekoppelt, auf dem bis zu acht Hauptmenüs erschienen.

2005: Die Wiedereinführung der Lenkradschaltung

2005 debütierten die damals neuen Modelle der M-Klasse und S-Klasse mit neu gestaltetem Cockpit: Der Automatik-Wählhebel wanderte von der Mittelkonsole an die Lenksäule. Die neue DIRECT SELECT Schaltung schaffte Platz zwischen Fahrer und Beifahrer und erleichterte die Bedienung erneut. Zusätzliche Lenkrad-Schalttasten ermöglichten die manuelle Vorwahl der sieben Gänge, das Leistungsvermögen der Sechs- und Achtzylindermotoren ließ sich nun in jeder Fahrsituation optimal ausnutzen. Ab 2008 war im SL Roadster das 7G-TRONIC Sportgetriebe mit Lenkrad-Schaltpaddles erhältlich.

Von der polygonalen zur geometrischen, runden Form mit fließenden Speichen

Mit neuen Funktionen hielten immer mehr Kabel, Platinen und Sensoren Einzug ins Lenkrad. Um sie und den Airbag zu verstecken, waren die Lenkräder in den 2000er Jahren eher wuchtig. Im Lauf der Zeit wurde die Gestaltung immer feiner. Aus den zunächst polygonalen Formen entwickelten sich geometrische Formen mit einem Kreis in der Mitte und fließenden Speichenformen.

2016: Erstmals berührungssensitive Touch Control Buttons in der damaligen E-Klasse

Die E-Klasse von 2016 verfügte als erstes Auto der Welt über berührungssensitive Touch Control Buttons am Lenkrad. Sie erlauben die Steuerung des gesamten Infotainments per Finger-Wischbewegungen – ohne die Hände vom Lenkrad nehmen zu müssen. Wie die Oberfläche eines Smartphones sind die Buttons berührungssensitiv und reagieren daher auf horizontale und vertikale Wischbewegungen eines Fingers. Damit kann der Fahrer alle Funktionen des Infotainmentsystems einfach, logisch und intuitiv steuern. Ein Drücken der Touch Control Buttons löst die mit Wischgesten angewählte Funktion aus. Weitere vier Tasten pro Schalterfeld sind mit den bekannten Funktionen wie Lautstärkenregelung und Telefonsteuerung hinterlegt.

2020: Das kapazitive Lenkrad in der neuen E-Klasse

Ebenfalls in der E-Klasse startet jetzt die neue Lenkradgeneration mit kapazitiver Hands-Off-Erkennung. Im Lenkradkranz befindet sich eine Zwei-Zonen-Sensormatte. „Die Sensoren auf der Vorder- und Rückseite des Kranzes registrieren, ob das Lenkrad umfasst wird. Es ist keine Lenkbewegung mehr erforderlich, um den Assistenzsystemen zu signalisieren, dass man das Fahrzeug kontrolliert“, erklärt Marcus Fiege. Auch die Steuerung der in den Lenkradspeichen integrierten Touch Control Buttons funktioniert jetzt kapazitiv. Damit werden die Bedienflächen mechanisch maximal reduziert.
Die in mehrere Funktionsbereiche aufgeteilten, fugenlosen Bedienfelder sind flächenbündig präzise in die Speichen integriert. Die Berührungen werden, wie bei einem Smartphone, über eine kapazitive Sensorik erfasst und ausgewertet, was eine intuitive Bedienung über Wischgesten und Drücken der bekannten Symbole ermöglicht. Die hochwertigen Materialien sind so gewählt, dass die Bedienung auch in einem durch Sonneneinstrahlung stark aufgeheizten Innenraum ermöglicht wird. „Das System erkennt automatisch, wo sich der Finger gerade befindet. Und die Schaltflächen sind auf Temperaturen von über 100 Grad Celsius ausgelegt“, so Fiege.

Perfekte Proportionen

Lenkrad eines Formel-1-Rennwagens von Mercedes-AMG Petronas Motorsport. Foto aus dem Jahr 2018.

Das Lenkrad ist in drei Ausführungen erhältlich: „Sport“, „Luxus“ und“ Supersport“. „Es ist das schönste Lenkrad, das wir je gebaut haben“, sagt Hans-Peter Wunderlich. „Die Proportionen von Airbag, Speichen und Kranz sind absolut harmonisch. Der Airbag wird nicht kaschiert, sondern als umschmeichelnde Kugel inszeniert“. Bei der Variante „Luxus“ formen die Speichen einen von eleganten Callas-Blüten inspirierten Kelch in Black-Panel-Optik, in der die Kugel schwebt. In der Ausführung „Supersport“ wird sie von zwei Doppeldeckerspeichen in Black-Panel-Optik gehalten, die an Radflügelmuttern von Sportwagen erinnern. So inszenieren die Lenkräder Hightech und wecken gleichzeitig Emotionen – ganz im Sinne der Designphilosophie der Sinnlichen Klarheit, die die Bipolarität von Intelligenz und Emotion zum Ausdruck bringt.

Die Größe des Lenkrads ist im Vergleich zur Vorgängergeneration gleich geblieben. Mercedes-Benz hat für Lenkräder feste Größen entwickelt. Der Lenkraddurchschnitt beträgt je nach Ausführungsvariante 370 Millimeter („Supersport“) bis 380 Millimeter („Luxus“). Der Lenkradkranz ist 29 Millimeter breit und 42 bis 44 Millimeter tief. Hans-Peter Wunderlich: „Der Lenkradkranz ist der heimliche Königsmacher eines Lenkrads. Seine geometrische Ausarbeitung ist eine Wissenschaft für sich, die in keinem Lehrbuch steht. Der Kranz muss satt in der Hand liegen. Hat er einen Millimeter zu viel, fühlt er sich unangenehm wulstig an. Ist es ein Millimeter zu wenig, wirkt er wie verhungert. Und dieser Eindruck trübt dann das Gesamtfühl für das Auto.“