Tretautos – das ist der Zauber der bewegten Kindheit, winzige Träume aus Holz und Metall. Die Kollektion im Tretautomuseum in München ist die größte ihrer Art weltweit, ein liebenswürdiges Spiegelbild der Automobilgeschichte und zugleich das Lebenswerk eines außergewöhnlichen Sammlers aus München. Im März 1993 strampelt Rechtsanwalt Manfred Klauda auf einem Aero Morgan tapfer Richtung Osten. Nichts kann Klauda und sein Tretmobil stoppen. Tapfer trotzt der 53-jährige Wind und Wetter, den Weltrekord fest im Visier. Am 11. April hat er es geschafft. Er war in Dresden. Das Fernsehen überträgt live. 600 Kilometer in einem Tretmobil – was für eine Leistung. Heute, neun Jahre danach, ist die einzigartige Münchner Sammlung auch eine tragische Hinterlassenschaft. Manfred Klauda stirbt vor zwei Jahren ausgerechnet bei einem Verkehrsunfall. Alles kostbare Wissen über die Herkunft der alten Unikate nimmt er mit ins Grab. Die Aufarbeitung ist mühsam. Es gibt zum Beispiel ein Fahrzeug von König Georg den Fünften, dann noch eines von Prinz Boudein aus Belgien. Solche kleinen Unikate waren nur wirklich gut situierten Leuten vorbehalten, da vieles im Handwerk angefertigt wurde und dadurch sehr teuer war. Die ältesten Exponate stammen aus der Zeit um die Jahrhundertwende. In Tretkutschen ließen sich kleine Herrenreiter von ausgebildeten Zofen über die Schlosshöfe ziehen, zum Beispiel in einem Renault von Farizon aus dem Jahr 1910 in einem sehr gut erhaltenen Originalzustand, mit allen Attributen, die der Wagen besessen hat. Man kann zum Beispiel die Motorhaube und die Türen öffnen. In den zwanziger Jahren entwickelt sich die Spielzeugindustrie zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Tretautos gehören jetzt zum festen Warenangebot großer Kaufhäuser. Die Hersteller entdecken die mobilen Miniaturen als Instrument der Markenbindung in der Kinderstube. Auch ein Mercedes SSK von 1934 gehört dazu. Er ist mit einem Original-Mercedes-Lenkrad ausgestattet und hat noch die ganzen üblichen Verstellhebel. Man musste die Vorzündung regen, mit dem Choke das Gemisch aufbereiten, so wie es auch bei den normalen Autos vorzufinden war. Noch aufwändiger werden die Modelle ab den vierziger Jahren. Tretautos protzen mit Beleuchtung und verstellbaren Spiegeln. Besonders Sportwagen stehen bei den Kindern hoch im Kurs wie zum Beispiel ein Bugatti Typ 51. Oder ein Rolls Royce von 1950, maßstabsgetreu gefertigt mit Anlasserkurbel, Lederpolster und 12 Zylindern. Ab den 50er Jahren beginnt der Siegeszug der neuen Kunststoffe, Tretautos werden leichter und preiswerter. Ein VEB-Horch beweist, dass auch die damalige DDR den Vergleich mit Modellen aus dem Westen nicht scheuen muss. Natürlich haben moderne Tretautos viel von der Faszination früherer Modelle eingebüßt. Die alten Stücke lassen allenfalls für einen Moment Kindheitserlebnisse erwachen. (Quelle : SWR3 Rasthaus)
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