von Wolfgang Kalbhenn
Die sogenannte „107er“-Baureihe hatte es von Anfang an schwer die Nachfolge der legendären „Pagode“ anzutreten!
Der W 113 hatte vor Allem in USA viele Käufer gefunden. Er sollte sich abheben von den mehr rundlichen Linien der Vorgänger, unterstrichen durch das ungewöhnlich konkav ausgeformte Hardtop-Dach und die markant vorwärtsblickende Scheinwerfer-Einheit!
Durch die weitgehende Übernahme vieler Komponenten aus der aktuellen Mittelklasse-Baureihe, W 123 ergaben sich schon mal die Grundzüge zu dessen biederem Design. So trugen die Breitband-Leuchten in Verbindung mit dem SL-Grill nicht unbedingt zur erwünschten „Sportlichkeit“ bei. Der übrige, mehr sachliche Wagenkörper strahlte da eher funktionelle Strenge aus! Es war die neue Design-Linie, die sich auch in der S-Klasse-Limousine W 116 darstellte.
Warum erzähl ich das so (über-)deutlich!? >Hier musste der Motor den Anreiz bringen, was dann die extrem vielen Motor-Typen und -Varianten zeigten, die hier in der langen Bauzeit der 107er SLs zum Einsatz kamen. Die „lange Bauzeit“ – 1971 bis 1989 – war ein weiterer Grund auf der Motorenseite immer wieder etwas Attraktives einfließen zu lassen; dazu später mehr.
Es wurde ja mit diesem neuen SL wiederum vorrangig der US-amerikanische Markt anvisiert, warum man gleich mit dem kleinen neuen Achtzylinder (Amerikaner lieben V-eight) dem M 116 startete, dem 350 SL mit 200 PS; nahezu zeitgleich wurde er mit M 117 mit 225 PS nachgereicht.
Die motorseitige „Sparversion“ lies aber auch nicht lange auf sich warten; sie kam in Form des 280 SL in 1974 auf den Markt. Kenner und Insider sagen dazu allerdings, dass dieser R 107 mit seinem drehfreudigen und nicht minder leistungsstarken 6-Zylinder M 110 mit auch 185 PS das erheblich agilere und sportlichere Konzept darstellte. Ich sag ja: > Motor macht den Charakter!
Nun ging es – vor Allem in Kalifornien – mit der Verschärfung der Abgasgesetze los; die Fahrzeuge mussten für USA (+ Japan) spezielle Grenzwerte in Co und Nox, etc. unterschreiten, und dies dann sogar über große Laufleistungen garantierten! Auch wurden Motor-Spezifikationen notwendig wegen des nieder-oktanigen Ami-Sprits und später dann dem bleifreien Kraftstoff. Das führte logischer Weise zu unschönen Leistungseinbußen, die wir dann durch Hubraum-Erhöhung auszugleichen suchten. Es entstand der 380 SL mit zunächst 204 PS, dann ab 1981 mit (nur noch) 155 PS. Um das bei der nun notwendigen Katalysator-Technik wieder auszugleichen, kam 1985 der 420 SL mit wieder 204 PS zum Einsatz. Hier wird wieder erkennbar, was vor Allem für einen Sportwagen der potente Motor für eine Schlüssel-Rolle spielt.
Dazu nun meine „Geschichte“:
Da ich dann – nach meiner Zeit als Motoren-Mit-Entwickler am Wankel-Motor – für Abgas-Reinigung und Verbrauchssenkung an den V8 – Motoren eingesetzt war, war ich natürlich auch beteiligt an der Weiterentwicklung und Anpassung der „SL-Motore“ für die US-Varianten.
Noch im Jahr 1975 hatten wir sogar eine Ausführung des 4-Scheiben-Wankel-Motores des legendären Mercedes C 111 für den R/C 107 bis zur Serienreife entwickelt! Der hätte dann allerdings 285 Sport-Motor-PS gehabt!!
Die „neue“ Abgasgestzgebung zwang systemrelevant zu immer weiteren Leistungseinbußen!
Die Motoren-Familie „M 117“ wurde nun von ursprünglich 4,5 Liter auf 5,0 „nach oben“ erweitert. Für die große S-Klasse-Limousine W 126 wurde dann sogar durch eine neue Kurbelwelle mit mehr Hub eine 5,6 Liter-Version dargestellt, um Anschluss an die Konkurrenz zu halten.
In der Europa-Ausführung der R/C 107 war nun als Maximum der 5 Liter M 117 eingeführt; USA (Japan, Australien) mussten sich mit dem 420 SL zufrieden geben!? „Für diesen Ur-alt-„107″ ist nach 14 Jahren Bauzeit KEIN größerer Motor zu verantworten“, so die Meinung der Verantwortlichen! Tatsächlich geht sein Fahrwerk ja zurück auf Bauteile der Limousine W 114 / 115, und sein Automatik-Getriebe ist begrenzt in der Drehmoment-Übertragung, und-und-und!
„Nichts ist nicht bewiesen, bevor es nicht ausprobiert wurde„; hab hier noch die Worte von Rudolf Uhlenhaut noch im Ohr! So haben wir dann mal „unter der Hand“ einen einzelnen Prototypen R 107 mit „five-point-six-engine“ aufgebaut, um eben zu „beweisen“, dass doch was geht! Dieser hatte zur Einhaltung der Abgasgrenzwerte natürlich die Katalysator-Technik und weitere Motorspezifikationen nötig, wodurch sich in Folge die Leistung auf 231 PS einpendelte, was in etwa dem Wert des 450 SL von 1971 (225 PS) entsprach! Wer will und kann da als „Entscheider“ noch was dagegen finden!? > der 560 SL (R 107 mit 5,6 L M 117) für USA, Japan und Australien war geboren!!
Ich war dann in 1984 selbst wieder mit dabei bei den Abnahme-Tests vor der EPA (Umweltschutzbehörde) in USA, und man war schon da überrascht bis begeistert von dem „Fortschritt“ zum Vorjahresmodell, dem 420 SL in punkto Leistung und Drehmoment.
Zur Info: der europäische 500 SL, der mit der Gummilippe auf dem Kofferdeckel hatte 245 PS.
Und so hatte wieder der MOTOR dem R 107 kurz vor seinem Karriere-Ende einen ungeahnten Aufschwung beschert!
Und hier schließt sich der Kreis zu dem wunderschönen Artikel von Reinhard Krell im OltimerTicker vom 15.10.2020, der dieses Kleinod sein eigen nennt.