von Stefan Röhrig aus dem W123 Magazin Ausgabe 3/2017
Den ersten Teil dieses Reiseberichtes finden Sie unter dem 22.11.2017 oder einfach HIER klicken.
5. Tag
Wir haben uns etwas länger Schlaf gegönnt, sodass es erst um 9:00 Uhr weitergeht. Es sind nur wenige Kilometer bis zur finnischen Grenze. Vor uns taucht ein Sattelzug auf, der sich in den Straßengraben gebohrt hat.
Wenn diese langen LKW auf den glatten Straßen einmal ins Schlingern geraten, sind sie nicht mehr einzufangen. Man sieht deutlich die Schleuderspuren. Wir werden in den nächsten Tagen noch mehr dieser meist finnischen Transportfahrzeuge abseits der Straße sehen, was kein Wunder ist, wenn man das Wahnsinns-Tempo der schweren Transportfahrzeuge beobachtet. Die Straße führt für ca. 30 Minuten an einem imposanten Flusstal vorbei, dem Torneälv. Dieser bildet für mehrere hundert Kilometer die Grenze zwischen Schweden und Finnland. Als wir ihn überqueren, stehen wir bereits vor der – verwaisten – finnischen Grenze. Wir steigen aus, um ein paar Fotos zu schießen, wobei wir feststellen, dass die Straße spiegelglatt ist. Die Oberfläche sieht eigentlich wie festgefahrener Schnee aus, aber tatsächlich ist es pures Eis.
Man kann sich kaum auf den Füssen halten. Deswegen ist die weitere Fahrt ziemlich anstrengend. Auf der meistens geradeaus verlaufenden E8 fahren wir zwischen 80 und 100 km/h. Das Fahrzeug schwimmt ständig; ich habe das Lenkrad nur mit den Fingerspitzen gefasst, um die kleinste Reaktion des Fahrzeugs zu spüren. Die Anspannung ist extrem, nach kurzer Zeit verspannen sich die Schultern. Aber auch mit dem rechten Fuß muss man vorsichtig agieren. An Bremsen ist nicht zu denken, und das Gaspedal wird lediglich gestreichelt. Wir wechseln uns in kürzeren Abständen ab. Nach 100 Kilometern verlassen wir dann die E8 und befinden uns nun auf der Staatsstraße 93. Sie ist wesentlich einfacher ausgebaut als die Europastraßen mit ihrem genormten Standard. Diese sind nicht nur breiter und ebener, sondern sie umgehen z. B. die meisten Ortschaften. Die Landschaft wird zunehmend eintöniger. Der Anfangs dünne Fichtenwald wechselt zur glatten Hochebene mit höchstens noch vereinzelten kargen Büschen. Gelegentlich sehen wir abseits der Straße Schneemobile dahinrasen. Sie sind teilweise schneller unterwegs, als wir. Bei einem Tankstopp treffen eine Gruppe junger Männer mit diesen für uns fremden Gefährten, die gerade Rast machen. Wir unterhalten uns ein wenig und erfahren, dass die Mobile vielfach aus reinem Spaß genutzt werden, genau wie bei uns die Motorräder. Die 500 bis 800 ccm Zweitaktmotoren leisten bis zu 160 PS. Die Höchstgeschwindigkeit kann je nach Auslegung des Gefährts bis zu 150 km/h betragen!!
Um ca. 13:00 Uhr erreichen wir die Grenze nach Norwegen.
Ab hier erleben wir eine sehr abwechslungsreiche Strecke. Wir verlassen eine Hochebene und fahren durch wilde Canyons Richtung Alta. Der Himmel ist strahlend blau, die Temperaturen nur gering unter Null. Gott sei Dank, denn es gibt einige Abschnitte mit starkem Gefälle, die wir lieber nicht bei starkem Schneefall passieren wollen. Wir umgehen Alta, eine größere Stadt am Altafjord und begeben uns auf die E6 Richtung Nordkap. Starker Schneefall hat eingesetzt, wir müssen äußerst vorsichtig fahren. Die Straße ist kurvig, und der 280 E neigt bei Glätte doch arg zum Untersteuern. Im Gegensatz zu den meisten heimischen PKW haben wir keine Spikereifen, da es für unseren Wagen bei den Verleihstellen in Malmö kein passendes Material gab. Ich hatte mich deshalb während der Vorbereitung für schmale Winterreifen der Größe 175/15 entschieden. Wie bisher auf dem größten Teil der Strecke, gibt es – sobald man aus dem Einzugsgebiet der Städte weg ist – kaum noch Verkehr. Meistens sind es LKW, oft Kühltransporter für Fischereiprodukte. Nach ca. 20 Kilometern tauchen vor uns im Schneetreiben ein paar Lastwagen auf, die rechts am Straßenrand parken. Ich fahre langsam vorbei, sehe dann jedoch eine geschlossene Schranke mit einem Blinklicht. Die Straße ist gesperrt. Nachdem wir zwischen den LKW geparkt haben, Rudy seine obligatorische Zigarette angezün-det hat und ich das gemacht habe, was man nach drei Stunden Fahrt so macht, schlendern wir durch das eisige Schneetreiben vor zur Schranke. Dort treffen wir ein paar LKW-Fahrer, die uns berichten, dass die Straße bereits seit ein paar Stunden gesperrt ist. Vor uns liegt ein kleiner Pass, der offensichtlich von einer Lawine verschüttet wurde. Wir prüfen unsere Karte auf eine mögliche Umgehung. Die gibt es tatsächlich, würde aber 400 Kilometer (!!) Umweg bedeuten. Wir beschließen deshalb, bis 7:00 Uhr abzuwarten und dann gegebenenfalls nach Alta zurückzufahren, um dort zu übernachten. Wir sitzen im Wagen und lassen den Motor weiterlaufen, denn es ist eisig.
Sobald der Motor ausgeschaltet ist, wird es in Minutenschnelle ungemütlich kalt. Schließlich tauchen ein paar Räumfahrzeuge auf. Die Fahrer informieren uns, dass versucht wird, weitere Schneefelder mit Sprengungen auszulösen, um dann die Straße freizuräumen. Tatsächlich erscheint kurz darauf ein Helikopter, der unter sich eine Art Tonne hängen hat. Da der Schneefall aufgehört hat, können wir beobachten, wie er in einiger Entfernung über einem Berghang schwebt. Dann gibt es einen Blitz aus der Tonne mit darauffolgendem dumpfem Knall. Offensichtlich ist die Aktion erfolgreich. Insgesamt werden wir vier Stunden aufgehalten, dann geht es bei totaler Dunkelheit weiter. Wir folgen einigen LKW, die sich den kleinen Pass raufwinden. Es sind nur 400 Höhenmeter zu überwinden, aber die haben es in sich. Dann kommen wir auf eine Hochebene, dem fantastisch anmutenden, kahlen Sennaland. Die Straße ist pures Eis; ich kann dem Tempo der LKW kaum folgen. Sie ziehen riesige Schneefahnen hinter sich her, sodass ich mich ausschließlich an den Rücklichtern orientieren kann. Es ist eine echt gruselige Angelegenheit. Bei der Abzweigung nach Hammerfest, der nördlichsten Stadt Europas, biegen die meisten der LKW ab.
Nun sind wir für lange Zeit alleine. Es ist stockdunkel. Wir haben zum ersten Mal die Cibiés zugeschaltet. Der starke Wind bläst den Schnee seitlich auf die Straße, man sieht nur noch weiß, sodass man sich tatsächlich nur noch an den orangenen Begrenzungsstangen seitlich der Straße orientieren kann. Vor uns taucht eines der mächtigen Räumfahrzeuge aus dem Dunkel auf. Er versucht, eine Seitenbucht der Straße zu räumen. Vorsichtig, ohne zu bremsen, reduziere ich die Geschwindigkeit auf ca. 40 km/h und umfahre das große, schaufelbewährte Spezialfahrzeug. Danach beschleunige ich behutsam, aber nicht behutsam genug. Die Hinterachse schmiert weg, ich kann den Wagen nicht mehr fangen. Nach einigen wilden Schleuderbewegungen streift der 123 eine Schneewehe am linken Straßenrand, was das ganze Fahrzeug in eine Drehbewegung bringt. Dann schiebt sich der rechte hintere Kotflügel in die Schneebegrenzung auf der anderen Straßenseite, und schon stehen wir wieder in Fahrtrichtung mitten auf der Straße. Ich lege den 1. Gang ein, pfeife ein Liedchen und fahre mit Puls 180 von nun ab mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit weiter.
In Olderfjord erreichen wir die Küste. An einer Kreuzung machen wir an einer Tankstelle halt. Auch auf der ganzen Rastanlage ist es spiegelglatt. Während des Tankens beobachte ich einen LKW, der auf dem Parkplatz einige Minuten jeweils einen Meter vor und wieder zurückfährt. Der Fahrer erklärt uns, dass er das macht, damit die etwas wärmeren Reifen nicht in die Schnee- bzw. Eisdecke einsinken. Schon wenige Zentimeter würden ausreichen, dass er nicht mehr losfahren kann. Mit dem Vor- und Zurückfahren verdichtet man die Eisschicht und kühlt gleichzeitig die Reifen ab.
Wir verlassen die E6 und folgen nun der E69, der einzigen Straße zum Nordkap. Es geht immer der Küste entlang, bis zu unserem Zielort Honningsvag. Allerdings können wir außer dem dunklen Meer auf der rechten Seite und schnee- und eisbedeckten Felsen links nicht viel erkennen. Es stürmt und schneit, und die Fahrt wird immer anstrengender. Wir durchfahren einige Tunnel und schließlich als Höhepunkt den berühmten Nordkaptunnel. Er verbindet das Festland mit der Insel Mageroya. Dieser Tunnel ist über ca. 7 Kilometer lang und geht bis in eine Tiefe von 212 Metern. Kurz darauf erreichen wir endlich unsere Übernachtungsstätte. Es ist eine Art Jugendherberge, das Nordkapp Vanderhjem. Da es sehr spät ist, finden wir nichts mehr zum Essen und gehen deshalb hungrig schlafen.
Bisher zurückgelegte Strecke: 3.700 km
6. Tag
Wir können ausschlafen, da die restliche Etappe zum Nordkap lediglich 35 km beträgt. Außerdem ist die Fahrt auf den letzten 13 Kilometern nur im eskortierten Konvoi erlaubt, und diese starten frühestens um 11:00 Uhr. Beim Frühstück stellen wir fest, dass das große Hostel heute nur eine Handvoll Gäste beherbergt. Im Sommer muss man hier lange vorab buchen, da es in Honningsvag nur noch ein weiteres Hotel gibt und täglich ganze Ströme von Touristen zum Nordkap wollen. Wir frühstücken ausgiebig – kein Wunder nach dem asketischen Vorabend – und checken dann an der Rezeption aus. Wir erfahren dort von einem Japaner, dass er bereits seit drei Tagen auf die Öffnung der Straße zum Nordkap wartet, wegen schlechtem Wetter und somit unbefahrbarer Straße. Mein Gott, was sollen wir jetzt machen? Wir haben unsere Tour im Voraus durchgetaktet, die meisten Übernachtungen sind fix gebucht und Rudy und ich haben beide keinen Spielraum für eine Verlängerung der Reise. Nachdem ich im Internet keine bessere Auskunft finde (bzw. die rein norwegische Homepage nicht verstehe), bitte ich die freundliche Dame an der Rezeption, doch sicherheitshalber bei der zuständigen Behörde anzurufen. Das macht sie auch sofort und siehe da, heute wird die Straße für eine Tour um 11:00 Uhr geöffnet. Erleichtert machen wir uns auf den Weg.
Gestern Abend konnten wir unsere Umgebung ja wegen Dunkelheit nicht sehen. Umso beeindruckender zeigt sie sich uns heute. Die kahle, absolut baum- und strauchlose Landschaft hat eine unendliche Weite. Schwarze Wolken rasen über den Himmel. Gelegentlich öffnet sich der Blick auf eine Bucht des ebenfalls dunklen Meers. Auf der vereisten Straße sind wir – soweit das Auge reicht – das einzige Fahrzeug. Ein surreales Szenario.
Es ist ein irgendwie beruhigendes Gefühl, als uns eines der großen Räumfahrzeuge entgegenkommt. Wir sind doch nicht alleine.
Wir sind etwas zu früh am Startpunkt für die Kolone zum Nordkap, deswegen fahren wir ein paar Kilometer weiter bis Skarvag, dem wirklich nördlichsten Ort in dieser verlassenen Welt. Am Ortseingang steht ein Kühltransporter, und wir fragen uns, wie der es bisher geschafft haben kann. Nach einer kurzen Fahrt hört die Straße am Meeresufer einfach auf. Wir haben wirklich das Gefühl, am Ende der Welt angekommen zu sein.
Jetzt ist es Zeit, zum Treffpunkt für die letzten Kilometer zu fahren. Dort stehen bereits drei PKW, alles SUVs mit Spikes. Die Konvoi-Verantwortliche – eine kräftige Norwegerin – kommt zu uns, um unseren 280 E zu prüfen. Nach eingehender Betrachtung kommt sie zu dem Schluss, dass das Fahrzeug zu alt ist und außerdem nicht passend bereift sei. Wir diskutieren ein bisschen mit ihr, bis sie schließlich das Okay gibt. Allerdings sollen wir alles letztes Fahrzeug in der Kolone fahren und auf keinen Fall stehen bleiben. Schließlich trifft noch ein Bus mit Touristen von einem Kreuzfahrtschiff ein, der sich uns anschließen wird. Natürlich hat auch dieser Bus Spikereifen, trotzdem habe ich nach den Erfahrungen des gestrigen Abends Hochachtung vor dem Fahrer. Dann geht es los: Voran fährt ein Schneepflug, dann der Bus und schließlich die vier PKW. Den Abschluss bildet ein Pickup 4WD Sicherungsfahrzeug.
Es geht sofort ziemlich steil bergauf und man muss wirklich in Bewegung bleiben. Ich glaube nicht, dass wir bei Stillstand noch einmal anfahren könnten. Die Straße ist einspurig, die bizarre Landschaft von vorher setzt sich fort. Man fährt wie auf einer hohen Klippe, immer wieder mit Ausblicken auf die dunkle See. Dann geht es ein letztes Mal hügelan, und das Ziel, ein modernes Gebäude auf einem schwarzen Felsen, ist schon von weitem zu sehen. Kurz vor Ankunft taucht ein Pförtnerhäuschen auf. Es ist tatsächlich besetzt, um die Zutrittsgebühr zu kassieren, immerhin stattliche 60 EUR. Und jetzt passiert unser einziges Malheur während der kompletten Fahrt (na ja, außer dem 360 Grad Dreher): Dieses Häuschen steht an einer kaum wahrnehmbaren Steigung. Der Boden ist spiegelglatt, und trotz allem vorsichtigen Bemühen, unser W123 will nicht mehr vorwärts. Die Reifen finden einfach keinen Halt. Ich versuche, etwas anzuschieben, rutsche dabei aber selber aus. Rudy lässt den Wagen vorsichtig nach hinten an den Straßenrand rollen, denn dort ist noch etwas loser Schnee vorhanden. Hier finden die Hinterräder genug Traktion, um sich Schwung für die letzten Meter auf den Parkplatz zu holen. Zu dem Nordkap-Monument gehen wir dann zu Fuß. Wir hätten gerne unseren Wagen dort für ein Foto platziert, aber es ist hier einfach alles zugeschneit und vereist. Rudy und ich stellen uns vor der Weltkugel auf und lassen uns von einem Holländer fotografieren.
Dann treibt uns der eisige Wind in das Besucherzentrum, ein sehr modernes Gebäude. Es gibt ein Museum, einen großen Souvenirladen und ein Restaurant. Alles ist geöffnet, wie im Sommer-Betrieb. Wir gehen ins große Panoramakino und sind dort die einzigen Gäste, die sich den beeindruckenden Film vom Nordkap anschauen. Wir lernen dort, dass es noch viel Verrücktere gibt als uns. Es gab schon Leute, die im Winter mit dem Motorrad gekommen sind, oder welche, die die komplette Strecke mit einem Traktor bewältigt haben oder mit dem Fahrrad und tatsächlich auch einige Menschen, die von Zentraleuropa bis hierhin gewandert sind.
Um Punkt 13:00 Uhr geht der Konvoi wieder zurück.
Für uns ist damit der Wendepunkt unserer Reise überschritten. Wir haben uns im Vorfeld entschieden, für die Rückreise die Route über Norwegen zu nehmen. Die ist zwar etwas länger, soll aber abwechslungsreicher sein. Heute allerdings müssen wir wieder dieselbe Strecke bis Alta fahren, die wir gestern Abend genommen haben. Jetzt erkennen wir bei Tageslicht, wie grandios, aber auch gefährlich sich die schmale Straße die ersten 100 Kilometer an der Küste entlangwindet. Nach Alta beginnt der schönste Teil unserer ganzen Strecke. Ab hier bis Helsingborg werden wir auf der E6 fahren. Es geht nun immer der Küste entlang, vorbei am Altafjord, Langfjord, Kvaevangenfjord und schließlich zum Ziel der Tagesetappe, dem Reisafjord. Die Fjorde sind von schneebedeckten Bergen umgeben, jede Kurve der Straße bringt eine neue Aussicht.
Einige Male führt die Straße komplett um die Fjorde herum, manchmal geht es über kleine Pässe, praktisch als Abkürzung zwischen den Meeresarmen. Wir stoppen zum Fotografieren am Straßenrand. Wie üblich, gehe ich kurz um den Mercedes herum, um zu prüfen, ob alles in Ordnung ist. Dabei stelle ich fest, dass die Radkästen komplett mit Schnee gefüllt sind. Der ist betonhart gefroren, und kann so nicht da drin bleiben. Der Federweg des Wagens ist dadurch stark eingeschränkt. Mit Hammer und Meißel können wir mit einiger Mühe die großen Brocken herauslösen.
Unterwegs erhalten wir einen Anruf des Vermieters unserer nächsten Unterkunft. Er teilt uns mit, dass wir alleine in dem Haus mit 6 Zimmern sind, Zugang wieder mit Code. Es ist schon spät abends, als wir endlich in Storslett ankommen. Es schneit stark, wir können das Haus nur mit dem Koordinatensystem unseres TomTom finden. Im Haus sind alle Lichter an, jedes der Zimmer ist beheizt (elektrisch!!), sodass wir uns die schönsten aussuchen können. Da wir wussten, dass es heute spät wird, haben wir unterwegs etwas zu Essen eingekauft. Rudy bereitet eine tolle Pasta zu, die wir mit Genuss zu uns nehmen.
Bisher zurückgelegte Strecke: 4.170 km
7. Tag
Am Abend habe ich noch im Internet geprüft, ob es eine passende Fährverbindung von Moskenes (Lofoten) nach Bodö gibt. Im Winter sind die Fährdienste – besonders die der Autofähren – im Norden von Norwegen nur eingeschränkt verfügbar. Gut, dass ich nachgeschaut habe. Am Sonntag – da war unsere Überfahrt geplant – gibt es lediglich eine Fährverbindung, dazu noch abends. Da wir von Bodö noch weitere vier Stunden bis zum nächsten Zielort fahren müssten, entschließen wir uns, über Narvik weiter der E6 zu folgen und somit auf dem Festland zu bleiben.
In der Nacht hat es ordentlich geschneit. Der Parkplatz an unserem Haus ist etwas abschüssig, sodass wir nur mit einiger Mühe auf die ebenfalls zugeschneite Straße gelangen.
Wieder haben wir einen herrlichen Tag vor uns. Während der Fahrt wechselt das Wetter fast im Minutentakt, mal herrlichster Sonnenschein, mal Schneesturm Die Fjordlandschaft sieht abschnittsweise richtig dramatisch aus, besonders wenn die Sonne durch die Wolken hervorkommt und einzelne Abschnitte mit gleißendem Licht ausleuchtet. Da wir durch den Wegfall des Abstechers über die Lofoten heute nur eine kurze Strecke vor uns haben, können wir auch immer wieder eine Pause einlegen. Wir genießen die Fahrt entlang des Storsfjord und den darauf folgenden spektakulären Balsfjord. Einfach traumhaft schön.
Danach führt uns die Straße ins Landesinnere. Es ist eine Bergregion mit bis zu 1.500 Meter hohen Gipfeln. Der 280 E hat keinerlei Mühe, die teilweise steilen Passagen zu meistern.
Auch in dieser verlassenen Region finden wir ohne Probleme eine Tankstelle. Überhaupt muss ich sagen, dass die Tankstellen-Situation auf der gesamten Reise wesentlich besser war, als vielfach beschrieben. Auch im höchsten Norden gab es immer eine Zapfsäule in Reichweite von maximal 200 Kilometern. Meistens handelt es sich hierbei um mehr als reine Tankstellen. Diese verfügen nämlich über ausgezeichnete Sozialräume, vielfach mit Duschen, manchmal auch mit angeschlossenem einfachem Hotel. In der Tankstelle selber gibt es fast immer etwas zu Essen oder aber eine Shoppingmöglichkeit. Das Personal – wie eigentlich alle Leute, die wir getroffen haben – spricht ausgezeichnet Englisch. Viele der Zapfsäulen sind ausschließlich mit Kreditkarte zu bedienen, generell kann man sagen, dass auch in den Shops vorzugsweise mit Kreditkarte gezahlt wird. Über die gesamte Strecke war unser 280 E relativ genügsam. Er verbrauchte exakt 9,9 Liter Super auf 100 km. Noch erfreulicher ist jedoch, dass er keinen Tropfen Öl gebraucht hat. Somit hat es sich ausgezahlt, dass ich von dem Angebot des Motoreninstandsetzers Gebrauch gemacht hatte, Kolben mit besonderen Ölabstreifringen einzubauen.
Am frühen Nachmittag erreichen wir Narvik am Ofotfjord. Diese Stadt ist in Deutschland durch die „Schlacht um Narvik“ gut bekannt, die während des 2. Weltkriegs ausgetragen wurde. Narvik hat einen dauerhaft eisfreien Hafen, der von großer Bedeutung für den Abtransport der schwedischen Eisenvorkommen ist. Unser kleines, aber feines Hotel liegt in einer Nebenstraße etwas oberhalb am Berg. Die Straße ist ziemlich steil und schneeglatt, sodass wir vermutlich nur in einem Rutsch nach oben kommen können. Es gibt aber auf halber Höhe eine kleine, ampelkontrollierte Kreuzung, die wir passieren müssen. Wir warten also am Fuß der Straße, bis wir den Takt der Ampel verinnerlicht haben und fahren dann rechtzeitig so los, dass wir ohne Anzuhalten bei Grün die Kreuzung passieren können. Das Problem ist nur, dass wir nicht alleine auf der Straße sind. Alle anderen Fahrzeuge haben natürlich Spikereifen und sind uns somit klar überlegen. Trotz der Kälte komme ich ins Schwitzen, aber letztlich schaffen wir den Berg und rutschen mit einem gekonnten Schwung auf den Parkplatz des Hotels.
Wir schauen uns vor dem Abendessen noch etwas in Narvik um. Auf den Höhen gibt es noch einige Bunker und Ähnliches aus Kriegszeiten. Auch wenn die Stadt toll zwischen den Bergen liegt und eine spektakuläre Aussicht auf den Fjord bietet, gibt es ansonsten nicht viel zu sehen (zumindest nichts, was uns aufgefallen wäre).
Wir essen gemütlich im Hotel zu Abend und legen uns rechtzeitig in die Falle.
Bisher zurückgelegte Strecke: 4.502 km
Weiter geht der Reisebericht am 6.12.2017