- Erst mit Körperkraft und heute mit sanftem Schalterdruck: das Starten des Autos
- Sicherheitsaspekte machen den Zündschlüssel zu einem Systembestandteil
- „33 Extras“: Exponate der Automobilkultur im Mercedes-Benz Museum
160 Fahrzeuge und insgesamt 1.500 Exponate präsentiert die vielfältige Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums. Ein besonderer Bestandteil sind die „33 Extras“: Sie lassen am Beispiel oft überraschender Details Mobilitätshistorie und Automobilkultur lebendig werden. Die Newsletter-Reihe Mercedes-Benz Museum Inside lenkt den Blick auf die „33 Extras“ und bringt ihre Geschichten auf den Punkt. In der heutigen Folge geht es um die Anlasskurbel.
12/33: Die Anlasskurbel
1 – Startprozedur: Mit der Anlasskurbel wird die Verbrennungsmaschine von Hand angeworfen. Zündung einschalten – Kurbel drehen – Maschine läuft. Das technische Prinzip ist einfach und im Übrigen entscheiden sich die Pioniere Gottlieb Daimler und Carl Benz, die fast zeitgleich ein Automobil entwickeln, für zwei ganz unterschiedliche Varianten bei ihren ersten Fahrzeugen: Bei Benz gibt es ein zunächst waagrecht liegendes Schwungrad und bei Daimler eine Handkurbel. Doch es zeigen sich Tücken. So sieht beispielsweise das Ankurbeln leicht aus, es ist aber eher Schwerstarbeit. Denn das Drehen der Mechanik verlangt erheblichen körperlichen Einsatz. Zudem muss der Automobilist einem eventuellen Rückschlag ausweichen, um nicht Armverletzungen wie den gefürchteten „Chauffeur-Bruch“ davonzutragen.
2 – Sicherheitsstufe: Um das Jahr 1910 ändert sich die Vorgehensweise ein wenig. Es gibt Autos mit einem Schlüsselschalter. Dieser schließt den Stromkreis für die Zündung und ist zugleich ein Diebstahlschutz. Ein Zündschlüssel ist er noch nicht, denn nach dem Einschalten der Zündung wird der Motor weiterhin angekurbelt.
3 – Elektrischer Helfer: Weil das Hantieren mit der Kurbel gefährlich und umständlich ist, verbreitet sich ungefähr um die gleiche Zeit der elektrische Anlasser immer mehr, zunächst in leistungsstarken Modellen. Ein fest montierter, kompakter Elektromotor wirft zuverlässig die Verbrennungsmaschine an. Die Energie stammt aus einer Batterie. Der Fahrer schließt den Zündstromkreis und schaltet kurz den Anlasser ein. Diese neue Einfachheit verhilft dem Automobil mit Verbrennungsmotor zum Durchbruch. Doch bis in die 1950er-Jahre zählt die Kurbel oft noch zur Werkzeugausstattung des Fahrzeugs – für den Fall, dass es nicht per Anlasser anspringt.
4 – Mit Dreh: Ab den 1920er-Jahren setzt sich dann der Zünd-Anlass-Schalter durch, er gilt damals als Hightechprodukt. Indem der Fahrer den Schlüssel dreht, schließt er in einem Vorgang den Stromkreis und startet den Anlasser. Außerdem ist der Zünd-Anlass-Schalter ein weiterer Diebstahlschutz, denn nach dem Abziehen des Schlüssels rastet das Lenkrad in einer festen Position ein. Da außerdem immer mehr Autos geschlossene Karosserien haben, lassen sich deren Türen zusätzlich mit einem separaten Schlüssel abschließen.
5 – Schlüsselbund: Der Zünd-Anlass-Schalter ist für viele Jahrzehnte Standard. Bis in die 1960er-Jahre hinein bleibt es auch üblich, mehrere Schlüssel fürs Fahrzeug zu haben. Da ist der zu dieser Zeit hochmoderne sogenannte Kombinationsschlüssel für Türen und Zündschloss ein echter Fortschritt.
6 – Symbolkraft: Der Zündschlüssel ist Ausdruck von Mobilität, symbolisiert er doch den Zugriff auf Auto und Autonomie. Manchmal sind es besondere Schlüssel für besondere Autos: So erhält Prinzessin Soraya von Persien ihren Mercedes-Benz 300 SL „Gullwing“ (W 198) mit einem Zündschlüssel aus massivem Gold.
7 – Zusatzfunktionen: Ein nächster Schritt ist die Zentralverriegelung. Mercedes-Benz bietet sie in pneumatischer Ausführung ab 1963 im repräsentativen 600 (W 100) an. Bereits im 300 SE lang (W 112) war sie als Sonderausstattung erhältlich. Ab 1972 gibt es sie in der S-Klasse (Baureihe 116). Schließrunden ums Auto und „Knöpfchendrücken“ sind seitdem Vergangenheit. In den 1990er-Jahren wird der Autoschlüssel mit eingebauter Elektronik dann sogar zum Fernbedienungssender: Ein Knopfdruck genügt für das Öffnen und Schließen.
8 – Sesam öffne dich: 1999 führt Mercedes-Benz in der S-Klasse das KEYLESS-GO System ein. Die Türen lassen sich öffnen, sobald man neben dem Fahrzeug steht. Der Komfortschlüssel kann in der Hosentasche bleiben. Ein Start-Stopp-Knopf ersetzt das Zündschloss, der Motor wird per Fingerdruck gestartet und gestoppt. Und nicht nur das, denn das Auto ist ja insgesamt komplexer geworden: Der Knopfdruck ist das Startsignal, dass im Hintergrund alle elektronischen Systeme hochfahren.
9 – Formfaktor: Der Zündschlüssel verliert über die Jahrzehnte nicht nur seinen Bart. Er ändert auch sein Aussehen, beispielsweise hin zu einer Scheckkartenform. Heute gibt es den kompakten SmartKey – oder das Smartphone ersetzt ihn gleich ganz. Dann ist im mobilen Endgerät ein virtueller Schlüssel gespeichert, den Sensoren im Auto erkennen und den Zugang zum Fahrzeug freigeben.
10 – Motorsport: Das Anlassen des Verbrennungsmotors in Rennautos hat eine ähnliche Entwicklung durchgemacht. In den frühen Jahren werden sie ebenfalls mit der Kurbel gestartet. Ab den 1930er-Jahren erledigt das bei den Silberpfeilen ein externer Anlasser, der nur fürs Starten angesetzt wird und dann wieder in die Box darf. Denn ein fest eingebautes Aggregat würde das Fahrzeuggewicht erhöhen. Die Fremdstarteinrichtung ist im Motorsport bis heute Standard. Bevor sie in Aktion tritt, überwachen die Ingenieure mit dem Laptop, ob alle Systeme auf „Grün“ stehen. Klar: Einen Diebstahlschutz benötigen die Boliden nicht.