von Jan Hennen / DEUVET
Eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde beim DEUVET Bundesverband Oldtimer-Youngtimer e.V. auf der Bremen Classic Motorshow gibt Ausblicke auf die Zukunft der historischen Mobilität.
Auf der traditionell ersten deutschen Oldtimermesse in der neuen Saison lud der DEUVET wie in den vergangenen Jahren zur Diskussion über die augenblickliche Situation der Old- und Youngtimerszene. Mit Tiddo Bresters, dem gerade neu gewählten Präsidenten des FIVA Weltverbands, Bernd Lange MdEP, dem Initiator und Leiter der Historic Vehicle Group des Europaparlaments und Carsten Müller MdB, dem Leiter des Parlamentskreis Automobiles Kulturgut im Deutschen Bundestag konnte DEUVET Präsident Peter Schneider eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde begrüßen.
Auf dem DEUVET Stand in Bremen: Peter Schneider DEUVET, Bernd Lange MdEP, Tiddo Bresters FIVA, Carsten Müller MdB
Gleich zu Beginn unterstrich Tiddo Bresters, dass die gemeinsame Hauptaufgabe aller Verbände, Clubs und Fahrzeugbesitzer zur Zeit und in Zukunft sein wird, das Fahren auf öffentlichen Straßen auch weiterhin zu ermöglichen. Dazu muss auf allen Ebenen Überzeugungsarbeit geleistet werden. Auch die im Moment noch nicht überall bekannte Rolle der FIVA als weltweit tätige Vertretung der Szene will er stärker in der allgemeinen Wahrnehmung verankern. Ein gemeinsames wichtiges Ziel muss die Anerkennung der historischen Mobilität als UNESCO Weltkulturerbe sein.
Bernd Lange MdEP stellte klar, dass in Deutschland sehr viel bessere Bedingungen als in vielen Teilen Europas herrschen. In Griechenland war einige Jahre lang aus politischen Gründen gar kein Fahren mit Oldtimern erlaubt. Er wünscht sich eine Vereinheitlichung der Regeln, damit auch in Zukunft grenzüberschreitende Ausflüge, Treffen und Veranstaltungen möglich bleiben. Selbstverständlich tragen solche Anlässe auch zu Freundschaften über Ländergrenzen hinweg bei. Es muss das allgemeine Verständnis für die Beschäftigung mit alten Fahrzeugen und die Zugehörigkeit zum Kulturgut erhalten und verbessert werden. Die EU sollte auch Regeln für den Umgang mit früher üblichen und heutzutage umstrittenen oder sogar verbotenen Werkstoffen oder Arbeitsweisen erlassen wie z.B. Chrom oder bestimmte Lacke.
Carsten Müller MdB berichtete über die soeben veröffentlichte Dokumentation einheitlicher Begriffe in der Old- und Youngtimerszene, die helfen soll, die „babylonische Sprachverwirrung“ in diesem Bereich zu beenden. Auch die Bewertungsrichtlinien werden erweitert, um zum Beispiel ein originales von einem originalgetreu restauriertem Fahrzeug mit bisher gleicher Zustandsnote abgrenzen zu können. Carsten Müller wünscht sich eine praxisgerechtere Auslegung der H-Bestimmungen. Er führt das Beispiel einer Alfa Romeo Giulia an, die wegen einer kleinen Beule unterhalb der Stoßstange keine H-Zulassung bekommen sollte. Bei einer so strengen Auslegung gäbe es sonst vielleicht gar kein solches Fahrzeug mehr. Natürlich ist ein guter Zustand sehr wichtig, denn unter anderem durch die Verschärfung der Prüfrichtlinien ist ja die von verschiedenen Seiten befürchtete H-Auto Schwemme ausgeblieben.
DEUVET Präsident Peter Schneider erklärt die moderate jährliche Zunahme der Fahrzeuge mit H-Zulassung auch mit der permanenten Fertigstellung von Restaurierungen. Die Besitzer mehrerer H-Oldtimer verteilen dann ihre Gesamtfahrleistung meist auf mehrere Autos, die zurückgelegten Kilometer erhöhen sich dadurch nicht signifikant.
DEUVET Diskussionsrunde auf der Bremen Classics: v.l. Peter Schneider DEUVET, Tiddo Bresters FIVA, Bernd Lange MdEP, Carsten Müller MdB
Alle Teilnehmer der Runde inklusive des fachkundigen Publikums stellen klar, dass Klima- und Umweltthemen jetzt auch die Old- und Youngtimerszene erreicht haben und gemeinsame Strategien entwickelt werden müssen, um das Fahren mit den historischen Fahrzeugen weiterhin zu ermöglichen. Carsten Müller verspürt eine Entwicklung, dass in der Klimadiskussion eine Versachlichung eingetreten ist. Die Grenzwerte in den Städten werden zunehmend eingehalten, die eingeleiteten Maßnahmen tragen Früchte, einzelne Fahrverbote können gelockert und neue verhindert werden. Gleichzeitig lehnt er die Beschäftigung mit eher unwichtigen Randthemen zum Beispiel der Zulassung alter DIN Kennzeichen ab. Sehr am Herzen liegt Carsten Müller bereits seit einigen Jahren, dass die Old- und Youngtimerszene die Gesellschaft nicht komplett abbildet. Aus Bereichen der Migranten auch der zweiten oder dritten Generation gibt es wenig Beteiligung, auch könnte die Szene mehr jüngere und mehr weibliche Fans gebrauchen. Hier wollen alle Teilnehmer die Nutzung der sozialen Medien forcieren, vor allem auch die Clubs, um neue Freunde für die historische Mobilität zu gewinnen. Die Akzeptanz der Szene hat abgenommen, ist aber immer noch höher als früher, so Carsten Müller.
Unbestritten ist, dass jede Beschäftigung mit historischen Fahrzeugen vorbildlich stattfinden sollte, also unter strikter Einhaltung der Verkehrsvorschriften, aber auch sich immer umweltbewusst zu verhalten (Ölpappen unter parkenden Fahrzeugen etc.). Nur so kann die Sympathie für die Szene erhalten werden. Vorschläge aus der Diskussionsrunde kam von Clubvertretern: z. B. mit einem Anteil an Nenngebühren, der an Umweltprojekte gespendet werden könnte.
Peter Schneider fragte nach dem Sachstand zum Thema synthetische Kraftstoffe. Bei einem starken Rückgang des Anteils fossiler Brennstoffe befürchtet er eine hohe Preissteigerung, die das Oldtimerfahren für viele unattraktiv werden lassen könnte. Carsten Müller berichtet von der Möglichkeit des Einsatzes von E-Fuels, die mit der bestehenden Infrastruktur bei Tankstellen und Fahrzeugen schnelle Verbesserungen in der CO² Problematik bringen könnten. Leider sind diese Entwicklungen im Moment in der politischen Diskussion nicht gewollt. Außerdem müssten neue Steuerrichtlinien erarbeitet werden, um die diversen Energieträger anzugleichen. Ein Vorschlag aus der Runde: Bezeichnung „Verbrennungsmotor“ im Sprachgebrauch durch den Begriff „konventioneller Motor“ zu ersetzen. Bernd Lange und Carsten Müller waren sich einig, dass die Einstufung elektrische angetriebener Fahrzeuge als 0-Emission bei der CO² Einstufung überarbeiten zu müssen, um der Wahrheit gerechter zu werden. Auch Tiddo Bresters unterstreicht, dass die Umrüstung von Oldtimern auf E-Antrieb den Charakter der historischen Mobilität komplett verändert und für das Ziel Weltkulturerbe zu werden kontraproduktiv ist.
Zum DEUVET: Gegründet als „Arbeitsgemeinschaft der deutschen Veteranen- und Markenclubs e.V.“ im Jahre 1976 auf der VETERAMA in Mannheim. Für die Deutsche Veteranenfahrzeuggemeinschaft wurde das Kürzel DEUVET gewählt und als Bundesverband Oldtimer-Youngtimer e.V. beim Deutschen Bundestag in Berlin akkreditiert. Durch permanente Arbeit hat der DEUVET die gesetzlichen Regeln für Oldtimer-Fahrzeuge und 1997 auch das H-Kennzeichen mitbestimmt.
Nach Beginn der Arbeit des Parlamentskreis Automobiles Kulturgut in Berlin im Jahr 2009 ist der DEUVET regelmäßiger Teilnehmer und ein wesentlicher Partner für Projekte und Umsetzung der aktuellen Aufgaben. Mit Gründung der Historic Vehicle Group am EU Parlament in Brüssel ist der DEUVET dort ebenfalls für die Interessen der Oldtimerfahrer tätig.
Die Geschichte des DEUVET und der deutschen Oldtimer-Szene wurde 2017 in einem Buch veröffentlicht. Titel: „Jetzt fahr‘ erst mal…“. Der DEUVET gilt als die einzige demokratisch gewählte Interessen-Vertretung in Bund, Ländern und der EU. Er ist kompetenter Gesprächspartner für Politik, Wirtschaft und vielen Fachkreisen u.a. für Versicherungen, Oldtimer-Veranstaltungen sowie juristischen Fragen zum historischen Fahrzeug.