Prof. Dr. jur. Joachim Zahn, ehemaliger Vorsitzender des Vorstandes und von 1980 bis 1985 Mitglied des Aufsichtsrates der Daimler-Benz AG, Stuttgart wurde am 24. Januar 1914 in Wuppertal geboren. Er war mit vielen Orden und Ehrenzeichen versehen, blieb auch über seine Dienstzeit hinaus noch ein gefragter Ratgeber und eine Manager-Stimme von mehr als nur historischer Bedeutung.
Jürgen E. Schrempp, der Ex-Vorstandsvorsitzende der heutigen Daimler AG, würdigte Zahn als eine der prägenden Gestalten der deutschen Industrie im 20. Jahrhundert. Der „Grand old man“ des Unternehmens sei mutig gewesen, aber nie leichtsinnig. Er habe den Wert und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens kontinuierlich gesteigert. Der Ära Zahn sei es mitzuverdanken, dass Daimler-Benz aus der schwierigen Phase der Restrukturierung und Fokussierung Mitte der 1990er Jahre unbeschadet und letztlich gestärkt hervorgegangen sei.
Joachim Zahn wurde 1914 in Wuppertal als Sohn eines führenden Wirtschaftsanwaltes geboren. Nach dem Besuch des Humanistischen Gymnasiums studierte er in Tübingen, Köln und Königsberg Rechtswissenschaften und trat mit dem Großen Juristischen Staatsexamen in den Staatsdienst ein (1940). Den Krieg erlebte er als Offizier an der Front in Rußland und Italien. Nach Kriegsende gehörte er bis 1954 dem Vorstand der Deutschen Treuhandgesellschaft an und hat dabei unter anderem die Daimler-Benz AG beraten. Danach war er Vorstandsmitglied für Finanzen der Aschaffenburger Zellstoffwerke.
Im Jahr 1958 wurde Joachim Zahn als Finanz-Chef in den Vorstand der Daimler-Benz AG, vom 1. Oktober 1965 an als Sprecher des Vorstandes und von 1971 an als dessen Vorsitzender an die Spitze des Unternehmens berufen. Neben seinem Arbeitsgebiet als Vorstandsvorsitzender betreute er zugleich die Ressorts Finanzen, Recht und Steuern sowie später auch die Planung. Er hat bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand zum Jahreswechsel 1979/1980 die erfolgreiche Geschäftsentwicklung der Daimler-Benz AG entscheidend geprägt. In dieser Zeit gelang es Daimler – Benz, seine weltweite Position nachhaltig auszubauen und einen Spitzenplatz in der Automobilindustrie, sowohl bei den Personenwagen der oberen Klassen als auch bei den Lastkraftwagen ab 6 t Gesamtgewicht, zu erreichen. Diese Erfolge kommen unter anderem in der Entwicklung des Umsatzes in diesen 20 Jahren von rund 2,9 Mrd. DM (1959) auf rund 27 Mrd. DM (1979) sowie der Spitzenposition bei den Unternehmenserträgen zum Ausdruck.
Auch die Aktionäre konnten sich über ein substanz- und zugleich außerordentlich renditestarkes Unternehmen freuen, das Dividenden – auf das tatsächlich eingezahlte Kapital bezogen – von sagenhaften 70, 80 oder gar 100% zahlte. Nominal lagen die Ausschüttungen in der üblichen Größenordnung von 10 bis 20 Prozent, weshalb ihre wirkliche Höhe aufgrund der Ausgabe von Gratisaktien von außen nur zum Teil erkannt wurde.
Zu erwähnen wären zahlreiche weitere große Projekte, Beispielsweise der Ausbau der Werke in Brasilien, Südafrika und der Türkei sowie in anderen Fällen auch kluge Zurückhaltung und damit Vermeidung überzogener Risiken. Hier wäre ein Planungskonzept des Jahres 1969 zu nennen, das neu erworbene ehemalige Borgward-Werk Bremen als Nutzfahrzeugwerk zu verwenden, obwohl man gerade den Aufbau des Lkw-Werkes Wörth abgeschlossen hatte. Zahn gab deshalb der Umwidmung zum Pkw-Werk den Vorzug. Oder auch der Verzicht auf Mitwirkung am Aufbau eines Nutzfahrzeugwerkes in der UdSSR, das als größtes Nutzfahrzeugwerk der Welt vorgesehen war. Zahn wirkte stattdessen auf eine Zusammenarbeit bei Motoren und auf den Ausbau eines Netzes von Werkstätten in Russland hin.
Als sichtbarer Erfolg dieser Unternehmenspolitik gilt unter anderem die Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung auch in den kritischen Jahren des Konjunkturrückschlages 1965/1967 und insbesondere während der großen Ölpreiskrisen der 70er Jahre, als Daimler-Benz jegliche Entlassungen und Kurzarbeit vermeiden konnte. In Anerkennung dieser besonderen Leistung wurde Prof. Zahn zum „Manager des Jahres“ (1974) gewählt. Im Jahr darauf erfolgte eine ähnliche Ehrung auf europäischer Ebene.
Zu den Schwerpunkten der Unternehmenskonzeption in den 60er und 70er Jahren zählten vor allem:
· Die strukturelle Neuordnung der Pkw- und Nutzfahrzeug-Fertigung mit dem Aufbau des Lkw-Montagewerkes Wörth und der Schaffung eines modernen Produktionsverbundes der Lkw-Werke untereinander. Mit dem Erwerb von Hanomag-Henschel (Werke in Bremen, Kassel und Hamburg – Harburg) wurde ebenso wie mit der Übernahme des Lkw-Bereiches von Krupp (einschließlich Vertriebsnetz) neues Marktpotential erschlossen. Im Pkw-Bereich wurde das Werk Sindelfingen zielstrebig modernisiert und großräumig auf über 40.000 Mitarbeiter ausgebaut. Der Werksbereich am Stammwerk Stuttgart-Untertürkheim erfuhr durch Einbeziehung der Maschinenfabrik Esslingen und anderer Firmen im Neckartal nahezu eine Verdoppelung seiner Grundstücksfläche. Insgesamt konnten durch diese Strukturmaßnahmen im Neckartal sowie auch in Norddeutschland rund 30.000 Arbeitsplätze ohne staatliche Hilfen geschaffen oder gesichert werden.
· Die als Grundlage dieser Maßnahmen unentbehrliche Erweiterung der Finanzierungsmöglichkeiten (als erstes durch den Verkauf der Auto-Union) und damit die Perfektion der Konzentration auf die oberen Pkw-Klassen. Hinzu kam die erfolgreiche Nutzung aller Möglichkeiten der Selbstfinanzierung. Zum Beispiel auch durch die konsequente Wahrnehmung steuerlicher Möglichkeiten. Dennoch wurde Daimler – Benz in der Ära Zahn der mit weitem Abstand größte Steuerzahler Deutschlands.
· Sinnvolle Kombinationen auch zum Ausbau noch vorhandener Geschäftsmöglichkeiten wie zum Beispiel die Zusammenfassung des Großmotorenbaus von Daimler – Benz und Maybach in Friedrichshafen mit dem Triebwerksbau der MAN in München zur Motoren- und Turbinen-Union in eine leistungsfähige Unternehmenseinheit und damit Wiederaufnahme einer Produktion in diesem Hochtechnologie-Bereich.
· Aufbau eines umfassenden Versorgungswerkes für die Alterssicherung der Mitarbeiter. Auch dies war im Rahmen der Selbstfinanzierung ein wichtiger Beitrag. Großes Gewicht legte der Vorstand in der Ära Zahn auch auf den stetigen Ausbau vermögenswirksamer Leistungen und die Ausgabe von Belegschaftsaktien.
Prof. Zahns unternehmerische Erfahrung machte ihn auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst des Unternehmens zu einem geschätzten Ratgeber über viele Jahre auch bei amerikanischen Unternehmen, so Alcan Aluminium, W.A. Grace, Texas Instruments und anderen. Hieraus konnte er für seine weitere beratende Tätigkeit auch für Daimler – Benz wertvolle, grundsätzliche und praktische Erfahrungen sammeln.
Seine unternehmerischen Verdienste wurden mit dem Stern zum Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und zahlreichen anderen deutschen und internationalen Auszeichnungen gewürdigt. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten und Publikationen insbesondere auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft und des Wirtschaftsrechts wurde ihm von der Landesregierung Baden – Württemberg 1973 der Professoren-Titel verliehen.
Er starb am 8. Oktober 2002 nahe München.