Dossier: Mercedes-Benz SL R 129

Mercedes-Benz SL Roadster Baureihe R 129 1989

Mercedes-Benz SL Roadster Baureihe R 129, 1989

Neue Sachlichkeit

Vor 20 Jahren hieß es: Vorhang auf für die Mercedes-Benz SL-Baureihe R 129

Modern, elegant, sportlich und doch ganz klar der Spross einer großen Tradition: Der SL-Roadster von Mercedes-Benz gehörte im März 1989 zu den großen Sensationen auf dem Genfer Automobilsalon. Dieser Sportwagen der Baureihe R 129 trat zunächst mit den Typen 300 SL, 300 SL-24 sowie 500 SL an und wurde in den folgenden Jahren um mehrere Modelle erweitert – bis hinauf zum SL 73 AMG von 1999. Der R 129 ist die vierte Generation der SL-Klasse seit dem legendären Flügeltürer Mercedes-Benz 300 SL der 1950er Jahre. Im Jahr 2001 wurde die Baureihe R 129 von der Baureihe 230 abgelöst. Bald danach entstand der Club zum Modell: Der Mercedes-Benz R129 SL-Club e.V.
Die SL-Typen der Baureihe R 129 begeisterten mit technischen Innovationen und einem gut abgestimmten Verhältnis klassischer Elemente zu neuem Design. Darüber hinaus jedoch steht diese Sportwagen-Generation für zwei Änderungen in der SL-Tradition: Erstmals wurde ein SL nicht in Sindelfingen gebaut, sondern im Werk Bremen. Zudem wurde während der Bauzeit des R 129 die Mercedes-Benz Nomenklatur reformiert. So passte im Sommer 1993 die Stuttgarter Marke die Typenbezeichnungen der offenen Sportwagen der bis heute gültigen Nomenklatur an, die zunächst in der C-Klasse eingeführt wurde: Seither steht das legendäre Buchstabenkürzel „SL“ vor der dreistelligen Zahl, die auf den Hubraum verweist. Aus dem 300 SL wurde etwa der SL 300. Somit ist der 300 SL der Baureihe R129 der vorerst letzte Mercedes-Benz Sportwagen, der diese legendäre Typenbezeichnung trägt.
Premiere des automatischen Überrollbügels
R129 - Stabilität inklusive: Der Überrollbügel des Mercedes-Benz SL von 1989 bis 2001 schnellt in Sekundenbruchteilen zu Hilfe

R129 - Stabilität inklusive: Der Überrollbügel des Mercedes-Benz SL von 1989 bis 2001 schnellt in Sekundenbruchteilen zu Hilfe

Harmonie kennzeichnete die Einführung moderner Gestaltungselemente: Das Design kam nun zwar ohne die bisher stets chromumrahmte SL-Kühlermaske aus, mit seiner flüssig gezeichneten Keilform stand der R 129 dennoch klar in der Tradition seiner Vorgänger. Das elegante Design wurde vom Konzept des nur im Notfall automatisch ausfahrenden Überrollbügels unterstützt: Normalerweise ist die schützende Stütze nicht in der Silhouette des offenen Wagens zu sehen. Bei einem drohenden Überschlag löst ein Sensor den Verschluss des Bügels elektromagnetisch aus, und die Stütze klappt in nur 0,3 Sekunden hoch. Hydraulisch kann der Bügel auch auf Wunsch des Fahrers aufgestellt werden. Der automatische Überrollbügel des R 129 war in dieser Form eine internationale Premiere im Automobilbau.

Neben dem Bügel tragen auch die aus hochfestem Stahl konstruierten Säulen der Frontscheibe, die so genannten A-Säulen, der zweischalige vordere Dachrahmen und die mit der Karosserie verklebte Windschutzscheibe zu einem sehr hohen Sicherheitsstandard bei, der auf dem Niveau der Limousinen und Coupés von Mercedes-Benz liegt. Die hohe Formstabilität der Fahrgastzelle erreichten die Ingenieure bei dem offenen Sportwagen durch eine besonders steife Bodenanlage mit hochfesten Blechen und großen Trägerquerschnitten sowie durch biegesteife Übergänge von A-Säulen und Fondseitenteilen zu den seitlichen Längsträgern. Auch die Türen fungieren dank einer besonderen Sickengestaltung ihres Innenteils als drucksteife Verbindung zwischen Vorderwand- und Mittelsäule. Das aus den Limousinen bekannte Vorbaukonzept entwickelten die Ingenieure ebenfalls für die SL-Karosserie weiter, um bei einem versetzten Frontalaufprall für möglichst hohe Sicherheit zu sorgen.
Hohe Ansprüche an Sicherheit und Komfort
Auf den Komfort der Passagiere legten die Entwickler genauso hohen Wert wie auf die Sicherheit. An der Schnittstelle zwischen diesen beiden Zielen standen die neu entwickelten Integralsitze: Sie bieten eine gute Ergonomie für

Gepflegtes wohnen: Interieur des Mercedes-Benz SL R129

Gepflegtes wohnen: Interieur des Mercedes-Benz SL R129

entspanntes Reisen auf langen Strecken. Wegen ihrer tragenden Struktur mit hoher Quersteifigkeit bieten sie außerdem erhöhten Schutz bei einem Seitenaufprall. Das tragende Sitzgestell besteht aus fünf Magnesium-Druckgussteilen und nimmt das Gurtsystem mit Gurtstraffer, die Gurthöhenverstellung mit gekoppelter Kopfstützenverstellung sowie die vollektrische Verstelltechnik auf.

Komfortabel ist auch das neu konstruierte elektrohydraulische Verdeck: Auf Schalterdruck öffnet oder schließt es sich innerhalb von 30 Sekunden. Bei geöffnetem Verdeck kommt eine weitere Innovation zum Zug: Das so genannte Windschott ist ein luftdurchlässiges Gitter, das sich mit wenigen Handgriffen am Überrollbügel befestigen lässt und Windgeräusche sowie Zugluft auf ein Minimum reduziert. Serienmäßig haben die neuen SL-Typen elektrische Fensterheber und elektropneumatische Zentralverriegelung, die elektrische Lenksäulenverstellung bleibt zunächst dem 500 SL vorbehalten.
Ein Roadster mit Torsionssteifigkeit auf Limousinen-Niveau
Den Fahrkomfort des Roadsters verbesserte der Einbau zusätzlicher Diagonalstreben und weiterer Verstärkungen, die das für offene Fahrzeuge typische Schwingungs- und Torsionsverhalten optimieren. Das Resümee der Ingenieure fiel rundum positiv aus: Die Torsionssteifigkeit des neuen Roadsters ist gegenüber dem Vorgängermodell um 30 Prozent verbessert und lag nun auf dem Niveau einer Limousine.

Mercedes-Benz SL Roadster Baureihe R129 von 1989

Mercedes-Benz SL Roadster Baureihe R129 von 1989

Das Fahrwerk mit Dämpferbein-Vorderachse und Raumlenker-Hinterachse entspricht grundsätzlich den Konstruktionen in der Kompaktklasse der Baureihe W 201 und der oberen Mittelklasse der Baureihe W 124. Zahlreiche Bauteile sind dabei speziell auf den Roadster angepasst – genauso wie die Achsgeometrie. Auf Wunsch war ein neu entwickeltes Zusatz-System lieferbar, das den damals aktuellen Stand der Fahrwerktechnologie markierte. Die drei Teilsysteme umfassen die Niveaueinstellung und -regulierung an Vorder- und Hinterachse, eine automatische geschwindigkeitsabhängige Niveauverstellung sowie das Adaptive Dämpfungs-System ADS. Die SL-Typen rollten serienmäßig auf 16-Zoll-Leichtmetallrädern und hatten – einem Sportwagen angemessen – besonders großzügig ausgelegte Bremsen. Erstmals in einem Personenwagen von Mercedes-Benz kamen dabei vordere Festsattel-Scheibenbremsen zum Einsatz, die vier Kolben mit paarweise unterschiedlichem Durchmesser aufwiesen. Das Anti-Blockier-System ABS gehörte zum serienmäßigen Lieferumfang.
1989: Mercedes-Benz 300 SL eröffnet die Modellpalette
Innovation Integralsitz nach der 1998 erfolgten letzten Modellpflege

Innovation Integralsitz nach der 1998 erfolgten letzten Modellpflege

Das Einstiegsmodell im Jahr 1989 war die Dreiliter-Variante Mercedes-Benz 300 SL mit dem Reihensechszylindermotor M 103 (140 kW/190 PS bei 5700/min, Höchstgeschwindigkeit 228 km/h). Vierventiltechnik bot der hubraumgleiche, aber deutlich stärkere 300 SL-24 mit dem neu konstruierten Motor M 104 (170 kW/231 PS bei 6300/min, Höchstgeschwindigkeit 240 km/h). Spitzenmodell war der 500 SL mit seinem V8-Motor M 119 (240 kW/326 PS bei 5500/min). Die Höchstgeschwindigkeit des bei seiner Präsentation leistungsstärksten Mercedes-Benz Pkw wurde bei 250 km/h elektronisch abgeregelt. Als neues Topmodell folgte im Jahr 1992 der 600 SL (später SL 600, 290 kW/394 PS bei 5200/min). 1993 wurden die beiden Dreiliter-Typen von den neuen Modellen SL 280 (142 kW/193 PS bei 5500/min) und SL 320 (170 kW/231 PS bei 5600/min) abgelöst, während AMG den SL 60 AMG (280 kW/381 PS bei 5500/min) vorstellte.

1995 stellte Mercedes-Benz zur IAA die optisch und technisch aktualisierten SL-Typen vor. Die Modellpflege brachte neue Design-Akzente, eine reichhaltigere Serienausstattung und weiter verbesserte Technik. Unter anderem waren die wenige Monate zuvor in der E-Klasse der Baureihe 210 vorgestellten Scheinwerfer mit Xenon-Gasentladungslampen jetzt auch in der SL-Klasse lieferbar. Mercedes-Benz stattete die Roadster nun auch serienmäßig mit einem neuen Tempomat für Tempo-30-Zonen aus.

Gene aus dem Sportwagenbau: Hier ein SL 280 nach der im Jahr 1998 erfolgten letzten Modellpflege

Gene aus dem Sportwagenbau: Hier ein SL 280 nach der im Jahr 1998 erfolgten letzten Modellpflege

SL 500 und SL 600 erhielten im September 1995 ein neu entwickeltes Fünfgang-Automatikgetriebe mit Wandler-Überbrückungskupplung, außerdem verbesserten die Motorspezialisten Kraftstoffverbrauch und Schadstoff-Emissionen weiter. Das Elektronische Stabilitäts-Programm ESP® stand im modellgepflegten SL 500 auf Wunsch zur Verfügung, der Zwölfzylindertyp SL 600 war damit serienmäßig ausgestattet. Der Bremsassistent BAS, eine Weltneuheit für die aktive Sicherheit, wurde von Dezember 1996 an serienmäßig in alle Typen der Baureihe 129 eingebaut.

1998: Neue Motoren für den R 129
Die zweite Modellpflege der Baureihe 129 im Frühjahr 1998 ist geprägt von einer neuen Motorenpalette und zurückhaltenden Veränderungen im Design. Eine neue Generation von V6- und V8-Motoren löst die bisherigen Aggregate der Typen SL 280, SL 320 und SL 500 ab. Die Maschinen haben Dreiventiltechnik und Doppelzündung, sie verbrauchen bis zu zehn Prozent weniger Kraftstoff als ihre Vorgänger und zeichnen sich außerdem durch geringere Abgas-Emissionen aus. Das Leistungsspektrum reicht von 150 kW (204 PS) im SL 280 über 165 kW (224 PS) im SL 320 bis zu 225 kW (306 PS) im SL 500. Der SL 60 AMG entfällt im Rahmen der Modellpflege und wird 1999 von den neuen Spitzenmodellen SL 55 AMG (V8-Motor mit 260 kW/354 PS) und SL 73 AMG (V12-Motor mit 386 kW/525 PS) abgelöst.

Mehr Hubraum hatte keiner: Mercedes-Benz SL 73 AMG

Mehr Hubraum hatte keiner: Mercedes-Benz SL 73 AMG

Im Juli 2001 läuft im Werk Bremen der letzte Roadster der Baureihe R 129 vom Band. Insgesamt baut Mercedes-Benz 204 940 Stück dieser vierten SL-Generation. Erfolgreichster Typ ist der 500 SL/SL 500 mit dem Vierventil-V8-Motor M 119. Von der Markteinführung bis ins Jahr 1998 entstehen insgesamt 79 827 Exemplare des Wagens.