170 W15 Roadster in Fahrt
Kleiner Revoluzzer
Der Typ 170 sollte endlich den Vorstoß auf einen Markt bringen, der bislang von ganz anderen beherrscht wurde. Mit Preisen von 3.800,- Reichsmark (Fahrgestell) bis 7.000,- (Cabriolet A) sicherlich kein leichtes Unterfangen. Und dennoch wurde der kleine 1,7 Liter-Sechszylinder zum „Renner“ und zum Vorläufer in der Konstruktion des Typ 200 und 260 sowie des Typs 170 V in der Dimension des Motors und des Komforts. Betreut wird der Typ 170 W15 vom MVC (Mercedes-Benz Veteranen Club) Deutschland e.V.
Sicherheit stand bei der Entwicklung des 170 an oberster Stelle. Hauptsächlich natürlich die Betriebssicherheit, aber auch die neue hydraulische Bremse an allen vier Rädern war bei dieser Fahrzeugkategorie etwas ganz neues. Es war ein Schritt, den der Daimler-Benz Vorstand sich lange überlegt hatte und der dann in einer recht schwierigen Zeit kam . . . Er gilt unter Kennern als eines der Fahrzeuge, die drastisch unterbewertet sind. Nicht nur finanziell unterbewertet, sondern vor allem auch achtungsmäßig nicht in dem Maße respektiert und erläutert werden, wie es einem Automobil mit seinen Eigenschaften gebührt. Ungezählte Bücher und Publikationen befassen sich mit den 300 SL, den 500 K und 540 K. Sicherlich schöne und hervorragende Wagen, aber eine große Marke lebt eben nicht von ihren Spitzenprodukten, sondern von dem, was viele Leute erreichen können. Dem Typ 170 sollte man daher eigentlich auch einmal ein Buch gönnen, um den Menschen zu zeigen, was man mit kleinerem Geldbeutel bei Mercedes-Benz bekommen konnte. Dabei ist das Prestige, das das obere Ende der Skala markiert auch entscheidend für die Käuferbegeisterung der kleinen Modelle.
170 Roadster als Sammelbild
Der Typ 170, der mit dem Sechszylinder-Reihenmotor, hat jedoch mindestens so viele interessante und hervorhebenswerte Neuerungen in sich, wie die besten Sport- und Representationswagen. Insbesondere, wenn man die Zeit seiner Entwicklung und Produktion einmal etwas umfassender betrachtet, sind einige Details noch bemerkenswerter, als es auf den ersten Blick erscheint.
Rückblende
Das große Sterben der kleinen Automarken begann bereits im Jahre 1927. Aber noch hatten einige kleine überlebt und bildeten mit solider Technik, allerdings mit billigen Materialien (und daraus resultierenden preisgünstigen kleineren Wagen) einen eigenen Marktbereich, nämlich den der Kleinwagen. Andere Kleinmarken hatten die Absicht, sich mit den Fahrzeugen der „Mittelklasse“ (2 bis 4 Liter-Motoren) zu messen. Und so plätscherte 1928 dahin. Das Jahr mit noch mehr einschneidenden Ereignissen folgte nach einer kleinen Erholung 1929. Zu Jahresbeginn sind erstmals mehr als eine Million Kraftfahrzeuge in Deutschland gemeldet. Im krassen Gegensatz dazu wurden in den ersten sechs Wochen rund eine Million Deutsche neu arbeitslos und die Gesamtzahl stieg damit auf 3.050.000. Die Adam Opel AG geht zum größten Teil in den Besitz von General Motors USA über. Der erste Große Preis von Monaco wird gefahren und von einem Bugatti gewonnen. Arbeiterdemonstrationen, Krisen in vielen auch gar nicht so fernen Teilen der Welt schütteln den Planeten. Alles ist in Auf- und Umbruchstimmung. Viele investieren in die Zukunft, so auch Daimler Benz. Aber die Weltwirtschaftskrise brach allmählich über sie herein. Wiederum mußten einige kleine und auch größere Firmen aufgeben. Am 25. Oktober 1929 crasht die Börse in New York endgültig als eine Folge des unkontrollierten und unkoordinierten Wachstums. Ging es der breiten Bevölkerung vorher schon nicht besonders gut, war die Verschlechterung jetzt auch für die gehobene Mittelschicht spürbar. Nur mit unglaublichem Mut und Vertrauen in die Zukunft kann man die Entscheidung des DB Vorstandes erklären, Hans Nibel den Auftrag zur Konstruktion eines neuen kleineren Mercedes zu erteilen. Nibel machte sich ans Werk.
170 W15 Vergaser
Betriebssicherheit, Wartungskostensenkung, niedriger Preis und trotzdem ein Qualitätsprodukt aus dem Hause Daimler-Benz waren seine Vorgaben. Ein sehr ehrgeiziges Ziel, das es zu erreichen galt. Kleiner als der bisherige 200, aber mindestens so kraftvoll, elegant wie ein Großer, innovativ (auch wenn das damals noch nicht so hieß), wendig und grundsolide, alles Attribute, die der Typ 170 auf sich vereinen sollte. Und genau das wurde als Ergebnis nach zwei Jahren, 1931, auf dem Autosalon in Paris präsentiert.
Imposante Technik Anno 1931
Mit einem Radstand von 2600 Millimetern aber nur einer Gesamtlänge von 3850 Millimetern sind große Karosserieüberhänge nicht zu erwarten. Das Resultat ist eine bereits gestreckte Karosserieform. Das ganze Fahrgestell beruht auf dem Prinzip des Leiterrahmens, der das linke und rechte Kastenprofil mit mehreren Querstreben gegen Verdrehen versteift. Um den Fahrzeugschwerpunkt möglichst tief zu halten ist das Triebwerk hinter der Vorderachse in den Rahmen eingesenkt. Der hohe Kühler und die daraus resultierende hohe Motorhaube könnte man als „Vortäuschung falscher Tatsachen“ auslegen, denn der Motor ist durch seine Anordnung nicht so platzbeanspruchend, wie es die Karosserieform suggeriert. Zwischen Oberkante Zylinderkopf und Unterkante Haubenscharnier hat man noch eine Ellenlänge Platz. Wenn jedoch der kleine Sechszylinder fröhlich im Leerlauf vor sich hin summt, hat man das Gefühl, den Lüfterflügel könne man mit einer leichten Fingerbewegung noch beschleunigen.
Fahreindrücke
Aber dieser Eindruck verfliegt sofort, wenn man, wie ich, den kleinen Roadster besteigt und den Schleifpunkt der Kupplung leise rutschend findet. Selbst bei dieser geringen Drehzahl bewegt sich der kleine Revoluzzer schon vorwärts.
Änderungen
Modell | 170 (W 15) |
Produktionszeit | März 1931 – Juli 1936 |
Motor | Reihen-Sechszylinder M 15 |
Bohrung/Hub | 64 mm / 85 mm |
Zylinderinhalt | 1692 ccm (1680 ccm nach Steuerformel) |
Verdichtung | 1 : 5,75 |
Leistung | 32 PS bei 3200 U/min |
Ventile, Steuerung | stehende Ventile, 1 seitl. Nockenwelle |
Schmierung | Druckumlauf |
Kühlung | Wasser, Pumpe |
Vergaser | 1 Steigstrom Solex 30 FVST oder 30 FVLS |
Elektrik, Zündung | 6 V 75 Ah |
Kupplung | Einscheibenscheiben-Trockenkupplung |
Getriebe | 4-Gang ( mit Schnellgang) |
Lenkung | Schneckentrieb |
Fußbremse | hydraulisch, Trommel auf alle vier Räder |
Chassis | Preßstahl-Kastenrahmen |
Spur v/h; Radstand | 1340 mm; 2600 mm |
Maße über alles L/B/H | 3850mm/ 1630mm/ 1650mm |
Gewicht (Fahrgestell/mit Aufbau) | ca. 700 kg / ca. 1050 kg |
Bereifung | 4,75 – 18, ab Juni 1932 5,25 – 17 |
Tankinhalt | 33 Liter |
Höchstgeschwindigkeit | 90 (105) km/h |
Verbrauch pro 100 km (alte Angabe) | Benzin 10 – 12 l; Öl 0,15 l |
Stückzahl | 13 775 |