Dossier: Werner Breitschwerdt

Ausgezeichnete Persönlichkeit

Professor Werner Breitschwerdt kam 1953 als Ingenieur zur Daimler-Benz AG, wurde 1977 Vorstand für Entwicklung und Forschung und 1983 Vorstandsvorsitzender. Von 1988 bis 1993 gehörte Professor Breitschwerdt dem Aufsichtsrat an.

Professor Werner Breitschwerdt kam 1953 als Ingenieur zur Daimler-Benz AG, wurde 1977 Vorstand für Entwicklung und Forschung und 1983 Vorstandsvorsitzender. Von 1988 bis 1993 gehörte Professor Breitschwerdt dem Aufsichtsrat an.

Schon am 3. März 2009 wurde Prof. Dr.-Ing. e.h. Dipl.-Ing. Werner Breitschwerdt in die European Automotive Hall of Fame aufgenommen. Die Feierlichkeiten fanden begleitend zum Automobilsalon Genf statt. Prof. Breitschwerdt nahm die Auszeichnung persönlich entgegen. Ein Grund dieser ausgezeichneten Persönlichkeit dieses Dossier zu widmen.

Werner Breitschwerdt wurde am 23. September 1927 in Stuttgart geboren. Er studierte an der Technischen Hochschule Stuttgart Physik bis zum Vordiplom und legte 1952 die Diplomprüfung im Fach Elektrotechnik ab. Nach einer Assistententätigkeit an der Universität trat Breitschwerdt im April 1953 in die Daimler-Benz AG ein und war zunächst in Sindelfingen im Versuch Pkw-Aufbauten als Elektroingenieur – eine Qualifikation, die dem Unternehmen in der Person Breitschwerdts insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren zugute kommen sollte, tätig. Werner Breitschwerdt durchläuft während seiner aktiven Zeit sehr unterschiedliche Stationen im Unternehmen. 1960 wurde er Leiter des Serien-Konstruktionsbüros Pkw-Aufbauten, im Oktober 1963 Abteilungsleiter Pkw-Versuch – der Begriff umfasst zum Beispiel Roh- und Karosseriebau.

Initiatoren und Förderer der Passiven Sicherheit: Prof. Werner Breitschwerdt (links) leitet ab 1974 die Pkw-Entwicklung.

Initiatoren und Förderer der Passiven Sicherheit: Prof. Werner Breitschwerdt (links) leitet ab 1974 die Pkw-Entwicklung.

1965 folgte die Ernennung zum Hauptabteilungsleiter im Versuch Pkw-Aufbauten, 1967 zum Abteilungsdirektor. In den 1960er Jahren begann die Einführung der Elektronik ins Automobil. Ein herausragendes Beispiel ist das Anti-Blockier-System (ABS). Es verbindet Komponenten, die bis dato rein mechanisch und hydraulisch arbeiten – die Bremsen – mit Elektronik, nämlich mit Sensoren und der zugehörigen Steuerung. Breitschwerdt begleitete diese frühen Jahre sehr eng. Als Elektroingenieur, der freilich über die Jahre ein beträchtliches Know-how über das Gesamtsystem Automobil angesammelt hatte, konnte er die Tragweite dieser Technologieentwicklung einschätzen. Daimler-Benz stellt das ABS 1970 erstmals vor. Bis zur weltweiten Serienpremiere 1978 in der S-Klasse sollen freilich noch einige Jahre vergehen – in dieser Zeit erlebte das System die Umstellung von der ursprünglich analogen auf die digitale Technik, um ihm die Betriebssicherheit zu geben, die es im Automobil haben muss.

Chefbesprechung im Mercedes-Entwicklungszentrum u.a. mit Béla Barényi (2. v.l.) und Professor Dr. Werner Breitschwerdt (ganz rechts)

Chefbesprechung im Mercedes-Entwicklungszentrum u.a. mit Béla Barényi (2. v.l.) und Professor Dr. Werner Breitschwerdt (ganz rechts)

Bereits 1971 wurde Breitschwerdt zum stellvertretenden Direktor im Bereich Pkw-Aufbauten ernannt und damit Vertreter von Karl Wilfert, dem Leiter des Bereichs, den Breitschwerdt in dessen Nachfolge schließlich 1973 übernehmen wird. Im Jahr 1974 wurde ihm auch die Leitung der Gesamtstilistik übertragen.

Anfang 1977 wurde Breitschwerdt in den Vorstand der Daimler-Benz AG berufen. 1978 übernahm er als Nachfolger des langjährigen Entwicklungschefs Hans Scherenberg das Ressort Entwicklung und Forschung. 1983 wurde er im Alter von 56 Jahren nach dem plötzlichen Tod von Gerhard Prinz Vorstandsvorsitzender.

Zwei Techniker im Namen des Sterns: Hans Scherenberg (links) und Werner Breitschwerdt, dessen Nachfolger als Entwicklungs- und Technikvorstand, im Jahr 1977.

Zwei Techniker im Namen des Sterns: Hans Scherenberg (links) und Werner Breitschwerdt, dessen Nachfolger als Entwicklungs- und Technikvorstand, im Jahr 1977.

Ein weiterer wichtiger technischer Schritt ist das europäische Verbundprojekt PROMETHEUS (Programm für ein europäisches Transportwesen mit höchster Effizienz und unerreichter Sicherheit/Programme for European Traffic with Highest Efficiency and Unprecedented Safety).

50.000-km-Rekordfahrt in Nardo, 13.-21. August 1983. Prof. Werner Breitschwerdt, im Hintergrund Dr. Kurt Obländer.

50.000-km-Rekordfahrt in Nardo, 13.-21. August 1983. Prof. Werner Breitschwerdt, im Hintergrund Dr. Kurt Obländer.

Es wurde 1986 unter dem Vorstandsvorsitz von Werner Breitschwerdt von der damaligen Daimler-Benz AG auf den Weg gebracht und läuft als Kooperation mehrerer europäischer Autohersteller, Elektronik- und Zulieferfirmen, Universitäten und Institute über acht Jahre. Daraus entstanden zahlreiche Technologien mit großem Nutzen, die bei Mercedes-Benz in konkrete technische Produkte umgesetzt wurden, beispielsweise der intelligente Tempomat DISTRONIC PLUS sowie die automatische PRE-SAFE® Bremse. Diese und andere Technologien sind zugleich Bindeglieder in der Vision vom unfallfreien Fahren, die wegweisend ist für viele Innovationen des Unternehmens in heutigen und zukünftigen Autos. PROMETHEUS hat sich also sehr nachhaltig ausgewirkt, und es wirkt immer noch fort.

Das Amt des Vorstandvorsitzenden hatte er knapp vier Jahre inne: Im September 1987 legte er den Vorsitz aus persönlichen Gründen kurz vor seinem 60. Geburtstag nieder. Ein Jahr später wechselte er in den Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG, wo er bis 1993 Sitz und Stimme hatte.

In Breitschwerdts Zeit als Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG erhöhte sich der Weltumsatz des Konzerns um mehr als 60 Prozent. Der Konzernjahresüberschuss stieg um fast 80 Prozent auf gut 1,7 Milliarden Mark für das Geschäftsjahr 1986. Allein in der Daimler-Benz AG entstanden in seiner Amtszeit rund 16 000 neue Arbeitsplätze.

In seinen zahlreichen Positionen prägte Breitschwerdt die Daimler-Benz AG. Unter seiner Führung des Bereichs Entwicklung und Forschung entstand eine vollkommen neue Fahrzeuggeneration. Aber auch die S-Klasse der Baureihe W 126 (1979 bis 1991), die mittlere Baureihe W 124 (1984 bis 1995) und die SL-Baureihe R 129 (1989 bis 2001) untermauerten den Ruf von Mercedes-Benz, technisch und stilistisch führend zu sein.

Ein Mann und sein erfolgreiches „Kind“: Werner Breitschwerdt am Mercedes-Benz 190, der im  Jahr 1982 auf den Markt kam.

Ein Mann und sein erfolgreiches „Kind“: Werner Breitschwerdt am Mercedes-Benz 190, der im Jahr 1982 auf den Markt kam.

Ein Bravourstück gelang Breitschwerdt mit dem Typ 190 (W 201), der 1982 auf den Markt kam, im Volksmund „Baby-Benz“ genannt. Im Rahmen des von 1986 an laufenden Verbundprojekts PROMETHEUS gestaltete Breitschwerdt zudem über elektronische Assistenzsysteme maßgeblich die Vision des unfallfreien Fahrens. Während seiner Zeit entstanden aber auch diverse Forschungsfahrzeuge und Technologieträger mit alternativen Antriebskonzepten.

Er sollte die Werte von Mercedes-Benz wie etwa Sicherheit und Komfort in die Kompaktklasse tragen, was nur mit ausgefeilten technischen Lösungen möglich war, beispielsweise der Raumlenker-Hinterachse. Der Start in dieses Marktsegment war damals nicht unumstritten und ein Wagnis für Mercedes-Benz. Doch der Erfolg der Baureihe W 201 als direkter Vorläufer der C-Klasse gibt Breitschwerdt Recht. Gleichzeitig war der W 201 der erste Schritt zur Auffächerung der Marke in viele Segmente, die in den 1990er Jahren systematisch als Modelloffensive betrieben wurde.

Ein Mobil und sein Promotor: Das Forschungsfahrzeug Mercedes-Benz Auto 2000, im Jahr 1981 präsentiert, entstand unter Werner Breitschwerdt als Entwicklungs- und Forschungsvorstand.

Ein Mobil und sein Promotor: Das Forschungsfahrzeug Mercedes-Benz Auto 2000, im Jahr 1981 präsentiert, entstand unter Werner Breitschwerdt als Entwicklungs- und Forschungsvorstand.

In allen Fahrzeugen gelang es Breitschwerdt, die traditionellen Mercedes-Benz Maßstäbe wie Qualität, Solidität und ausgereifte Technik zu verknüpfen mit Attributen wie Fortschrittlichkeit, Dynamik und sportlicher Eleganz. Das gab dem internationalen Marktgeschehen richtungsweisende Impulse. Darüber hinaus setzte Breitschwerdt bei der Ergänzung und Weiterentwicklung des Mercedes-Benz Nutzfahrzeugprogramms wesentliche Akzente.

Die von Daimler-Benz schon früh vertretene Philosophie der Fahrzeugsicherheit und des Insassenschutzes führte Breitschwerdt fundiert weiter. Unter seiner Verantwortung erzielte Daimler-Benz darüber hinaus weitere bedeutende Fortschritte im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit der Mercedes-Benz Fahrzeuge. Dafür werden ihm auch persönliche Auszeichnungen zuteil.

Gleichwohl ein echter „Automann“ mit einem präzisen Blick für sämtliche Eigenschaften des Produkts bis hin zum Design, war der Elektroingenieur Breitschwerdt in den 1970er und 1980er Jahren der richtige Mann am richtigen Platz, als die Elektronik und damit Assistenz- und Sicherheitssysteme ihren Einzug ins Auto hielten. Die Einführung beispielsweise des Anti-Blockier-Systems oder des Airbags fiel in seine Tätigkeit. Nach der Weltpremiere dieser Systeme bei Mercedes-Benz sind sie in der gesamten Automobilindustrie zum Standard geworden.

Prof. Dr.-Ing. Werner Breitschwerdt im Jahr 2009

Prof. Dr.-Ing. Werner Breitschwerdt im Jahr 2009

Breitschwerdt ist der Daimler AG bis heute eng verbunden. Daneben widmet er sich seinen eigenen unternehmerischen Engagements.

Werner Breitschwerdt ist die sechste Persönlichkeit, die in die European Automotive Hall of Fame aufgenommen wird und mit der Daimler AG und ihren Vorläuferunternehmen verbunden ist. Diese Ehrung ist bereits den Gründervätern Carl Benz (2001) und Gottlieb Daimler (2001) sowie Wilhelm Maybach (2004), Béla Barényi (2007), und Bruno Sacco (2007) zuteil geworden. Diese Persönlichkeiten sind darüber hinaus auch Mitglieder der Automotive Hall of Fame mit Sitz in Detroit/USA. Beide Organisationen existieren nebeneinander, mit jeweils unterschiedlichen Geehrten.