Erster Crashtest bei Mercedes-Benz

Test nach Produktionsende: 170 S

Test nach Produktionsende: 170 S

Am 10. September 1959 findet der erste Crashtest in der Geschichte von Mercedes-Benz statt. Ein Versuchswagen wird frontal gegen ein festes Hindernis gesteuert. Damit tritt die Sicherheitsforschung der Marke in eine neue Ära ein. Neben den aktuellen Modellen werden aber auch zurückliegende Baureihen zum Vergleich getestet. Dafür müssen soar 170er und 300er ihr leben Lassen. Denn nun lässt sich das Verhalten von Fahrzeugen und Insassen bei Autounfällen anhand der Testwagen und Versuchspuppen realitätsnah untersuchen. Bei diesen Arbeiten setzt Mercedes-Benz in den nachfolgenden Jahrzehnten immer wieder Standards, die branchenweit Gültigkeit haben und somit die Fahrzeugsicherheit zum Wohle aller Verkehrsteilnehmer nachhaltig verbessern.
Bleibt es in den ersten Jahren noch bei wenigen Unfallversuchen, etabliert sich das Verfahren seit den 1960er Jahren zunehmend als zuverlässiges Werkzeug zur Optimierung und Prüfung der Fahrzeugsicherheit. Neben Personenwagen werden bei Mercedes-Benz auch Transporter und Nutzfahrzeuge bis hin zum Reisebus gründlichen Crashtests unterzogen.
Bei den Unfallversuchen geht Mercedes-Benz immer wieder über die Zahl und den Aufwand der gesetzlich vorgeschriebenen Tests hinaus, beispielsweise bei der
E-Klasse der Baureihe 212: Zum Entwicklungsprogramm der Limousine bis zur Serienreife gehören über 150 Crashtests und mehr als 17’000 wirklichkeitsgetreue Crashtest-Simulationen. Dazu zählen außer den rund 40 verschiedenen Aufprallkonfigurationen, die für Ratings und die weltweite Zulassung eines Fahrzeugs vorgeschrieben sind, auch besonders anspruchsvolle Crashversuche, die das Unternehmen ergänzend durchführt. Dieser hohe Anspruch an die eigene Entwicklungsarbeit kennzeichnet bereits die ersten Crashtests im Jahr 1959.
Crashtests als neues Instrument der Sicherheitsforschung
Die intensivere Auseinandersetzung mit der Unfallsicherheit von Fahrzeugen beginnt bei Mercedes-Benz schon mehr als 20 Jahre vor dem ersten Crashversuch: In den 1930er Jahren führen die Mercedes-Benz Ingenieure erste Fahrzeugversuche durch. Diese dienen jedoch noch nicht der Forschung zur passiven Sicherheit, sondern sollen störende Schüttelschwingungen beheben.

Die Knautschzone des W111 als Zeichnung

Die Knautschzone des W111 als Zeichnung

Ein entscheidendes Datum für die Sicherheitsgeschichte der Stuttgarter Marke ist 1939, als die Daimler-Benz AG den Ingenieur Béla Barényi einstellt. Seine Entwicklungen werden ganz massgeblich sein für die passive Sicherheit des modernen Personenwagens. Zu den in mehr als 2500 Patenten festgehaltenen Erfindungen Barényis gehören unter anderem die Sicherheitskarosserie mit gestaltfester Fahrgastzelle und Knautschzonen an Front und Heck (Premiere 1959 in der Baureihe W 111) und die Sicherheitslenkung, die 1976 in der Baureihe 123 debütiert.
Barényi und seine Kollegen entwickeln in den 1950er Jahren die Sicherheitskarosserie, deren Knautschzonen durch gezielte Verformung die kinetische Energie eines Unfalls abbauen, bis zur Serienreife. In dieser Zeit herrscht noch immer die Meinung vor, dass eine möglichst hohe Steifigkeit der Karosserie die grösste Insassensicherheit bietet. Die neuen Crashversuche zeigen von 1959 an, dass solche Karosserien zwar Unfälle gut überstehen, die dabei freiwerdende Bewegungsenergie aber an die Insassen abgeben, was bei diesen zu schweren Verletzungen führt. Knautschzonen vermindern erheblich die Energie, die bei einem Unfall auf die Insassen trifft.
Von Einzelmaßnahmen zum Konzept der Unfallsicherheit
Die 1951 patentierte Sicherheitskarosserie stellt einen entscheidenden Schritt nach vorn für die passive Sicherheit dar. Barényis Entwicklung ist das Ergebnis genauer Beobachtung, technischen Vorstellungsvermögens und der Bereitschaft zum visionären Denken. Nicht nur die Karosseriestruktur, auch viele andere Details des Personenwagens werden in dieser Zeit unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit verbessert und überarbeitet. Hier sind unter anderem Türschlösser, Polsterungen des Innenraums, Windschutzscheiben aus Sicherheitsglas und Sicherheitsgurte zu nennen.

Kontrollierte Deformierbarkeit der Knautschzonen beim W111

Kontrollierte Deformierbarkeit der Knautschzonen beim W111

Die Daimler-Benz Ingenieure verfolgen in den 1950er Jahren aufmerksam, wie sich Unfallversuche als neues Instrument der Forschung und Entwicklung in den Vereinigten Staaten etabliert. Bei Besuchen amerikanischer Universitäten und Automobilhersteller bekommen die Experten aus Stuttgart wichtige Anregungen für die eigenen Komponentenversuche und Crashtests.