Auf der Frankfurter IAA im September 1991 wurde mit dem Experimentalfahrzeug C 112 ein neuer Sportwagen präsentiert, der als Technologieträger entwickelt worden war, um die technischen Grenzen auf dem Gebiet der aktiven Sicherheit auszuloten. Angetrieben wurde der C 112 von einem 6-l-V12-Motor, der sich bereits in der S-Klasse bewährt hatte, mit einem 6-Gang-Schaltgetriebe kombiniert war und höchste Fahrleistungen garantierte. Die theoretisch erzielbare Höchstgeschwindigkeit von 310 km/h war allerdings auf 250 km/h begrenzt.
Neben bekannten Systemen wie ABS, ASR, Klimatisierungsautomatik und Soundsystem war der C 112 mit zukunftsweisenden Entwicklungen ausgestattet. Bemerkenswert sind diesbezüglich nicht nur Abstandswarnradar und Reifendruck-Kontrolle, sondern darüber hinaus die aktive Aerodynamik, die variable Bremskraftverteilung, die kybernetische Hinterachslenkung und die sogenannte „Active Body Control (ABC)“.
Der aktiven Aerodynamik dienen zwei automatisch und stufenlos geregelte Spoiler: ein Bugflachspoiler und ein Heckflügel, die nur in schnell gefahrenen Kurven im kritischen Grenzbereich innerhalb von Sekundenbruchteilen ausgefahren werden und durch größere Radaufstandskräfte ein stabileres Fahrverhalten ermöglichen. Auch bei Notbremsungen wird der Heckflügel ausgefahren und erlaubt damit, vor allem an der Hinterachse, deutlich höhere Bremskräfte. Dazu wird entsprechend den veränderten Radaufstandskräften der Bremsdruck an Vorder- und Hinterachse durch ein intelligentes System optimal eingestellt.
Die kybernetische Hinterachslenkung greift aktiv in den Regelkreis Fahrer-Fahrzeug-Straße ein. Sie korrigiert Kursabweichungen, die durch äußere Störeinflüsse wie Spurrillen, Seitenwind, wechselnde Griffigkeit der Fahrbahn etc. verursacht werden können und erhält das dem Fahrer gewohnte Fahr- und Antriebsverhalten auch bei kritischen Fahrsituationen.
Das für sich genommen revolutionierendste Konzept des C 112 ist die „Active Body Control“, mit deren Hilfe unerwünschte Bewegungen des Fahrzeugaufbaus wie Wanken, Nicken und Hubbewegungen eliminiert werden. Die einzelnen Aufbaufreiheitsgrade sind dabei unabhängig voneinander ansteuer- und regelbar. Die Aufbauruhelage wird dadurch, im Gegensatz zu konventionellen Niveauregulierungen, auch hinsichtlich Wank- und Nickwinkeln beladungsunabhängig.
Obwohl der neue Supersportwagen ebenso viel Aufsehen erregte wie 22 Jahre zuvor der C 111, und wiederum zahlreiche Bestellungen eingingen, wurde eine Serienfertigung nicht aufgenommen.
Nicht ganz so spektakulär, aber ebenfalls vielbeachtet, war die Präsentation des Experimentalfahrzeugs F 100, die bereits neun Monate zuvor auf der Detroit Motorshow im Januar erfolgt war. Das Fahrzeug entstand durch Zusammenarbeit verschiedener Entwicklungs- und Forschungsabteilungen des Daimler-Benz Konzerns. Mercedes-Benz skizzierte den Umfang des Projektes F 100, die Forscher von Daimler-Benz entwickelten viele grundlegend neue Ideen.
Die Liste der alternativen Lösungen, die im Forschungsfahrzeug F 100 realisiert wurden, umfasst zahlreiche Posten. Zu nennen sind vor allem die Sitzanordnung, die Sicherheitskonstruktion der Fahrgastzelle, die Türkonzeption, neue aktive Fahrwerkskomponenten, neue Leuchteinheiten, ein neues Wischersystem, eine neue Funktionsüberwachung der Instrumente, die Verwendung einer Magnetkarte als Datenträger sowie als neue Energiequellen und Antriebskonzepte ein Solardach und die mögliche Ausrüstung mit Wasserstoff-Antrieb oder Elektro-Antrieb mit Hochenergie-Batterien.
Moderne Orientierungssysteme unterstützen den Fahrer, der auf einem Mittelsitz Platz nimmt. Zwei Kameras und ein Monitor erlaubten eine verbesserte Sicht nach hinten. Ein Verkehrs-Überwachungsradar war für die Überwachung des toten Winkels beim Spurwechsel und des Fahrbahnverlaufs zuständig. Eine der zahlreichen Innovationen wurde bereits in die Serienproduktion übernommen: Scheinwerfer mit Xenon-Gasentladungslampen, die erstmals im F 100 präsentiert wurden und seit Mai 1995 in den E-Klasse-Limousinen der Baureihe 210 auf Wunsch erhältlich sind. Vier Monate später konnten dann die modellgepflegten SL-Typen und seit Juni 1996 schließlich auch die S-Klasse-Limousinen und CL-Coupés mit Xenon-Scheinwerfern ausgerüstet werden.
Als Ideenträger sollte der F 100 zeigen, was in einigen Jahren automobiltechnisch möglich ist. Er fungierte damit als fahrbare Argumentationssammlung für eine fortschrittlich konzipierte Zukunft der Mobilität.
Die Tradition richtungweisender Mercedes-Benz Experimentalfahrzeuge wurde mit der Coupé-Studie „F 200 Imagination“ fortgesetzt, die ihre Präsentation auf dem Pariser Salon im Oktober 1996 erlebte und wie ihre Vorgänger mit einer Kombination zahlreicher innovativer Konstruktionselemente die Grenzen des automobiltechnisch Machbaren demonstrierte. Entstanden war die vielbeachtete Studie in einem Gemeinschaftsprojekt des Bereichs „Advanced Design“, des Forschungsinstituts Mercedes-Benz und der Vorentwicklung.
Zu den spektakulärsten Innovationen des F 200 gehörte ein elektronisches Fahrdynamiksystem, bei dem der Fahrer alle Bewegungen seines Fahrzeugs mit Hilfe sogenannter „Side-Sticks“ steuert, die in den Türinnenverkleidungen und der Mittelkonsole platziert sind. Zum Lenken werden die Side-Sticks nach links oder rechts bewegt, zum Bremsen nach hinten gezogen und zum Beschleunigen nach vorn gedrückt. Die Übertragung sämtlicher Fahrerbefehle erfolgt ausschließlich auf elektronischem Weg, ein System, das mit dem Begriff „Drive-by-Wire“ bezeichnet wird. Herkömmliche Bedienelemente wie Lenkrad, Lenksäule und Pedale gibt es im F 200 nicht mehr; den Designern bot sich dadurch die Chance, neue Möglichkeiten für die Innenraumgestaltung der Personenwagen von morgen zu aufzuzeigen.
Bei der Entwicklung des elektronischen Fahrdynamiksystems zeigte es sich, dass der Verzicht auf mechanische und hydraulische Steuerelemente eine Reihe von Sicherheits-, Komfort- und Kostenvorteilen bietet. Elektronisch gesteuerte Lenk- und Bremsanlagen, wie im F 200 präsentiert, gestatten es, ein Regelsystem zu realisieren, das die Fahrsicherheit zukünftiger Personenwagen nachhaltig verbessern wird. Der Computer vergleicht die Lenkbefehle des Fahrers mit programmierten Sollwerten und sorgt dafür, dass der Wagen auch in kritischen Situationen nicht von der Fahrbahn abkommt. Das Fahrdynamiksystem des F 200 ist mit dem aktiven Fahrwerk ABC („Active Body Control“) gekoppelt, das bereits vom C 112 bekannt ist. Es gleicht die Wankbewegungen der Karosserie bei Kurvenfahrt vollständig aus und passt die Federungs-/Dämpfungs-Charakteristik stets dem aktuellen Fahrzustand an.
Ebenfalls der aktiven Sicherheit kommt eine innovative Scheinwerfer-Technologie zugute: Der F 200 verfügt über Scheinwerfer mit variabler Lichtverteilung, die sich automatisch der jeweiligen Fahrsituation und Geschwindigkeit anpassen und dadurch die Sicht bei Dunkelheit verbessern. Bei Kurvenfahrt folgen die Reflektoren kontinuierlich dem Einschlagwinkel der Vorderräder und sorgen damit auch in der Kurve für eine optimale Fahrbahnausleuchtung.
Zeichen setzte der F 200 aber auch auf dem Gebiet der passiven Sicherheit: Mit einem neu entwickelten Airbag-System konnte der Insassenschutz bei einem Seitenaufprall nachhaltig verbessert werden. Der sogenannte „Window-Bag“ spannt sich beim Crash wie ein aufblasbarer Vorhang vom vorderen zum hinteren Dachholm und schützt ebenso Fond- wie Frontpassagiere. Er stellt damit eine wirksame Ergänzung des Side-Bags dar.
Ein weiteres innovatives Detail ist der gläserne Dachaufbau, der im Innenraum eine helle, freundliche Atmosphäre schafft. Das neuartige elektrochrome Glas lässt sich bei Bedarf auf Knopfdruck verdunkeln und reguliert dadurch die Wärmeeinstrahlung in das Wageninnere. In die markanten Edelstahlblenden auf den seitlichen Dachbegrenzungen sind insgesamt vier elektronische Kameras eingebaut, die die herkömmlichen Innen- und Außenspiegel ersetzen. Eine fünfte Kamera sitzt im Heckstoßfänger und wird automatisch bei Rückwärtsfahrt eingeschaltet. Die Bilder dieser Mini-Kameras werden auf verschiedenen Bildschirmen in der Instrumententafel angezeigt und informieren den Fahrer umfassend über das Verkehrsgeschehen hinter seinem Fahrzeug.
Für den Ein- und Ausstieg wurde ein neuartiger Schwenkmechanismus entwickelt, bei dem Hydraulikzylinder die Türen in einem Winkel von 30° nach oben bewegen. Dieses System ermöglicht einerseits breitere Türöffnungen und damit einen bequemeren Einstieg für die Passagiere, andererseits aber auch einen geringeren Platzbedarf in engen Parklücken. Die Bedienung erfolgt von innen per Knopfdruck und von außen mittels Magnetkarte, die automatisch per Funksignal mit dem elektronischen Zugangsberechtigungssystem im Fahrzeug kommuniziert.
Die im „F 200 Imagination“ präsentierten Systeme werden Sicherheit und Komfort zukünftiger Personenwagen weiter verbessern. Der F 200 erlaubt somit einen Ausblick auf technische Meilensteine von morgen und demonstriert darüber hinaus, wie sich durch technische Innovationen neue Perspektiven für die Gestaltung künftiger Automobile der Oberklasse eröffnen können.