Geburtshaus von Carl Benz ermittelt?!

Anlässlich des 125! Geburtstages des Automobils erfolgten, in Zusammenarbeit mit Arnt-Martin Bokemueller (arnt.bokemueller@onlinehome.de), neue Recherchen zum Standort des Geburtshaus von Carl Benz. Dieser galt bislang als unwiderbringlich verschollen. Vor wenigen Wochen erstellte der Leiter des Karlsruher Stadtmuseums eine Indizienkette, deren Ergebnis mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zur gesuchten Anschrift führte. Derzeit werden die vorhandenen Erkenntnisse weiter „verdichtet“. Auch die Leitung des Konzernarchivs des Hauses Daimler wurde hierüber persönlich informiert. Das Ziel der Initiative www.tribut-an-carl-benz.de  ist es, die gewonnenen Erkenntnisse dort offiziell authorisieren zu lassen. Parallel erfolgen in Karlsruhe bereits Vorbereitungen, den vermuteten Standort des Geburtshauses denkmaltechnisch zu visualisieren. 

Hier der Ergebnisstand von Arnt-Martin Bokemueller: Nachdem über Jahrzehnte vergebens nach dem Geburtshaus des genialen Erfinders gesucht wurde, – selbst Carl Benz wusste nicht, in welchem Haus er geboren wurde -, kann als Ergebnis der Recherche in dieser Hinsicht durchaus Neues und Wegweisendes berichtet werden. Niemand hat sich nämlich bis jetzt die Mühe gemacht, den Geburtseintrag von Carl Benz im Mühlburger Kirchenbuch von 1844 genau zur Kenntnis zu nehmen und daraus entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. Danach war „Karl Friedrich Michael Wailand“ am 25. November 1844 in Mühlburg als „uneheliches Kind der Josephine Wailand“ geboren worden. Als Taufzeugen wurden aufgeführt: „Michael Kramer, hiesiger Bürger, Gastwirth und Bierbrauer, Karl Axtmann, Bürger und Schuhmachermeister in Karlsruhe“. Die Mutter des Erfinders Josephine Vaillant, die den Vater Johann Georg Benz erst im Spätjahr 1845 heiratete und mit ihm und ihrem gemeinsamen Kind nach Karlsruhe in die Kronenstraße 16 zog, stammte aus einer Hugenottenfamilie, die sich im pfälzischen Landstuhl niedergelassen hatte. Unter Napoleon war Landstuhl französisch besetzt worden. Philipp Vaillant, der Vater von Josephine, nahm daher als „Brigadier“ am Feldzug nach Russland teil, von dem er nicht zurückkehrte. Die mittellose Halbwaisin musste sich später eine Dienststelle suchen und kam so nach Mühlburg. Hier lernte sie vermutlich auch ihren späteren Ehemann kennen, der als Lokomotivführer bei der badischen Eisenbahn beruflich gerade erst Fuß gefasst hatte und nicht so schnell eine Familie gründen und heiraten konnte. Nachdem die kleine Familie dann durch die Heirat legalisiert war, spielte ihr das Schicksal übel mit, denn Johann Georg Benz zog sich auf dem damals noch offenen Führerstand seiner Lokomotive eine Lungenentzündung zu, an der er im Sommer 1846 verstarb. Später vergab seine Witwe dann in Karlsruhe Kost und Logis an Studenten des Polytechnikums, um das Studium ihres Sohnes Carl finanzieren zu können.

Doch wo hat Josephine Benz, geb. Vaillant, vor der Geburt ihres Kindes gewohnt und gearbeitet? Der Geburtseintrag im Kirchenbuch gibt m. E. den entscheidenden Hinweis. Der Mühlburger Gastwirt und Bierbrauer Michael Kramer muss ihr Dienstherr gewesen sein! Warum sonst sollte er als einer der beiden Taufzeugen an erster Stelle aufgeführt sein? Der zweite Taufzeuge war ja aus Karlsruhe und vielleicht ein Freund der Familie. Und die Mutter des Erfinders gebar ihr Kind zu jener Zeit sicher nicht im Krankenhaus, sondern zuhause und ihr Zuhause war in diesem Fall bestimmt das Domizil ihres Dienstherrn. Gewöhnlich wohnte damals das Dienstpersonal beim Dienstherrn in einer Kammer unter dem Dach. Die „Herrschaft“ hatte sich um Kost und Logis und das Wohl seines Personals auch im Krankheitsfalle zu kümmern, wie man in der badischen Gesindeordnung von 1809 nachlesen kann. In den Grundbüchern von Mühlburg wird Michael Kramer seit 1841 als Besitzer einer Brauerei und des zweistöckigen und aus Stein erbauten Gasthauses zum Weinberg an der Hauptstraße nach Karlsruhe aufgeführt. Die Liegenschaft Kramers wurde 1850 an Maurermeister Simon Pfeifer zwangsversteigert. Simon und seine Nachfolger Ferdinand und Eduard Pfeifer führten das Gasthaus zunächst unter seinem alten Namen und seit 1862 unter dem Namen „Stadt Karlsruhe“ weiter. In einer Akte des Bauordnungsamts im Stadtarchiv Karlsruhe zur „Stadt Karlsruhe“, Rheinstr. 22, wird auf die vormalige „Brauerei Pfeifer“ Bezug genommen und 1896 der Besitzwechsel an den Brauer Wilhelm Dieffenbacher aufgeführt. Das Gasthaus „Stadt Karlsruhe“ in der Rheinstraße 22 ist also allem Anschein nach das Geburtshaus von Carl Benz gewesen. Das Gebäude fiel Ende der 1950er Jahre der Verbreiterung der Rheinstraße zum Opfer. In einem Bericht der Baubehörde von 1957 wird der baufällige Zustand des Hauses beklagt und der Wirt aufgefordert, den Betrieb der Wirtschaft sofort einzustellen, zumal sie zum Abriss vorgesehen sei. Tatsächlich ist auch von zwei Kammern unter dem Dach die Rede, die damals sogar noch bewohnt waren.

Die „Stadt Karlsruhe“ stand im Fußgänger- und Straßenbereich vor dem heutigen Kaufhaus Woolworth. Hier könnte künftig eine Gedenktafel aufgestellt werden, die an den Standort des Gasthauses und die – wenn auch nicht ganz zweifelsfrei erschlossene – Geburtsstätte von Carl Benz erinnert. Diese hätte dort sicherlich eher eine Berechtigung als die alte Gedenktafel am ehemaligen Mühlburger Rathaus, die der Bürgerverein Mühlburg 1933 zum Gedenken an den Erfinder dort anbrachte, da man keinen geeigneteren Ort im Stadtteil dafür fand.

QUELLE: Dr. Peter Pretsch, Leiter des Stadtmuseums im PrinzMaxPalais