Der Mercedes-Benz Typ 680 S 26/120/180PS, Baujahr 1928, Karosserie Armbruster, in 1:43.
Zu allererst möchte ich mich an dieser Stelle beim heutigen Besitzer des Wagens, Señor Arturo Keller in Kalifornien, ebenso bei Ms. Carolina Keller, und anderen, die anonym bleiben wollen, für sämtliche mir zur Verfügung gestellten Dokumente und Bilder bedanken, ohne die dieser Artikel nur voller Halbwahrheiten und ziemlich lückenhaft geblieben wäre….All diese Informationen haben es mir ermöglicht, so etwas wie eine endgültige Klarheit über die bislang durchwegs eher unbekannte und arg undurchsichtige Geschichte des Vorbilds zu schaffen.
Der geschichtliche Hintergrund:
Bereits am Anfang der Nachforschungen stösst man auf Unklarheiten, möglichen Widersprüchen und Verwirrungen. Der erste Besitzer des Wagens soll ein Mitglied des Fürstenhauses zu Hohenlohe-Bartenstein gewesen sein. Laut der Londoner Tageszeitung „Evening News“ vom 24. Januar 1968 wäre der Erstbesitzer allerdings ein gewisser „Prinz Karl von der Tschechoslowakei“(!) gewesen…nun, man möge mir gnädigst verzeihen: meine Kenntnisse des Gothas beschränken sich lediglich auf ein paar Könige und Königinnen. Beim „who is who“ des niederen Volkes der Prinzen und darunter bin ich leider un petit peu überfragt.
Und um was für einen Wagen handelt es sich denn eigentlich? Auch hier herrschte lange Zeit Unklarheit und Unsicherheit, und, ohne Kenntnis der Fahrgestellnummer wurde viel gerätselt: war es ein S, ein SS, oder gar ein SSK?? SSK war schnell vom Tisch, dafür sei der Radstand einfach zu lang, hieß es, auch wenn die Zeitschrift “Motor und Sport“ vom 22. Oktober 1933 den Wagen als einen solchen bezeichnete. In der oben bereits zitierten „Evening News“ stand, das Baujahr des Wagens sei 1927 gewesen. Prompt wurde spekuliert, ob es sich nun um einen, wie es hieß, Typ S 36/220 PS oder um einen Typ SS 38/250 PS handele…
Doch hier konnte das Kommissionsbuch im Daimler Archiv ein für allemal Klarheit schaffen: tatsächlich bestellte Fürst Karl zu Hohenlohe am 23. April 1927 bei der Daimler-Benz AG, Verkaufsstelle Stuttgart, einen neuen Sportwagen. Es wurde ihm daraufhin am 27. April 1927 ein 6-cyl. Mercedes-Benz „Modell S“ 26/120/180PS mit der Wagennummer 35213 und der Motornummer 60420 an seine Residenz, d.h. nach Schloss Bartenstein geliefert. Genau so steht es unter der Kommissionsnummer 335548.
Doch schon etwas über einem Jahr später wechselt der Wagen seinen Besitzer. Am 18. Januar 1929 wird der Rennfahrer und Besitzer der „Nürnberger Zeitung“, Erich Spandel, der neue Eigentümer des mittlerweile vom Werk zum „SS“ umgebauten Wagens.
Mit diesem nimmt er an einigen Rennen teil, und verzeichnet beachtliche Erfolge:
- 1.Platz, Göttinger Hainberg-Rennen, 1929.
- 1.Platz, La Turbie-Rennen, 1930
- 1.Platz, Kesselberg-Rennen, 1930
- 1.Platz, Gaisberg-Rennen, 1930
- 1.Platz, Zirlerberg-Rennen,1930
- 9.Platz, Grand Prix von Deutschland, 1931 (19.7.1931)
(Hier ging er mit der Startnummer 22 in der vierten Reihe als Privatfahrer ans Rennen, mit Fürst Albrecht zu Hohenlohe-Bartenstein als seinen Co-Piloten. Zur Erinnerung, Rudolf Caracciola siegte in diesem G.P. auf seinem Werks-SSKL mit der Startnummer 8).
Dann wird noch vor Ende des Jahres 1931 unser Sportwagen vom seinerzeit sehr berühmten, heute fast vergessenen Geigen-Virtuosen Váša Přihoda erworben, der den Wagen, wieder laut Daimler Kommissions-Buch, am 28.1.1932 direkt nach Wien-Döbling geliefert bekommt. Und es ist dann auch aller Wahrscheinlichkeit nach im gleichen Jahr 1932, dass der Wagen von S. Armbruster in Wien, ehemals „K.u.k. Hof-Wagenfabrikant S. Armbruster“ seine neue Karosserie bekommt, den Aufbau, den er heute noch hat…..
Dieser Armbruster-Aufbau dürfte übrigens um die 10.000 RM, umgerechnet also circa 93.800 € gekostet haben, so jedenfalls laut einem Kommentar auf dem „Gläser-Karosserien-Dresden“-Forum. Offensichtlich muss also unser Virtuose schon ganz nette Gagen bekommen haben…
Später (wann, ist nicht nachvollziehbar) geht der in einer braun/beigen „Schokoladen-und-Sahne“-Kombination lackierte Wagen an einen, wie es heißt, „reichen Prager Konditor“ über. Farbenmässig passt’s ja gut!
Den Krieg hat der Wagen unbehelligt überstanden. Er befindet sich nach 1945 noch immer in Prag, und irgendwann heisst sein Eigentümer Oldrich Mandik. Um 1960 restauriert er den Wagen, der jetzt, in Prag amtlich gemeldet, das polizeiliche Kennzeichen AC-45-34 trägt. Dann schickt Herr Mandik 1963 aus Prag ein Fernschreiben an Daimler-Benz in Stuttgart, und bietet seinen Wagen an. Allerdings lehnt er das daraufhin von Daimler-Benz bekommene Angebot ab. Kurze Zeit darauf, 1965, bietet er seinen Wagen Wolfgang Hohlfeld in Berlin an. Doch auch hier kommt es zu keiner Einigung bzgl. des Preises.
Im gleichen Jahr 1965 hat der Wagen eine Staren-Rolle in einem tschechischen Film, eine, wie es heißt, Science-Fiction-Komödie mit dem Titel: „Ztracená tvář“, zu deutsch: „das verlorene Gesicht“. Mein Geschmack ist der Film – den ich mir zum Zwecke dieses Beitrags vollständig angesehen habe! – wirklich nicht, was vielleicht auch zum Teil meinem Mangel an Kenntnis der tschechischen Sprache zuzuschreiben ist, aber die paar Sekunden, die man – auch wenn’s in schwarz-weiß ist – den 680 S fahren sieht und hört, die waren es schon wert!
Irgendwann um diese Zeit soll ein in der Schweiz lebender Niederländer unseren Mercedes Sportwagen in Prag ausfindig gemacht haben, und beschloss, den Wagen zu kaufen und in die Schweiz zu überführen. Doch daraus wurde nichts. Jedenfalls beschreibt der Holländer den Wagen als ein zweisitziges Cabriolet mit einem 6,8 Liter Sechsyzlindermotor mit Kompressor. Also handelt es sich um einen 680 Typ S! Auch erwähnt er das mit Krokodilleder bezogene Interieur. Erst 1968, während der kurzen Zeit des sogenannten „Prager Frühlings“, gelang es ihm, den Wagen in die Schweiz zu bringen. Dann wird der Wagen in die Vereinigten Staaten verkauft, und dort – wahrscheinlich – einer gründlichen Restaurierung unterzogen. Jedenfalls gibt das Daimler-Benz Archiv 1971 Auskunft über den Wagen an einen Graf Clary in den USA, dito 1977.
Schließlich tritt er 1977, allerdings fälschlich als Mercedes-Benz Typ SSK Armbruster Cabriolet, Baujahr 1929, gelistet, beim „Concours d’Élégance“ in Pebble Beach (Kalifornien) auf, und bekommt dort den dritten Preis in der Kategorie „European Classic 1925-1934“.
Ein Jahr später, 1978, taucht der Wagen in Deutschland auf. Sein neuer Besitzer, Wolfgang Ehret aus Düsseldorf, beteiligt sich mit seinem Sportwagen, der diesmal als ein Mercedes 710 SS (W06) 27/170/225 PS – Baujahr 1929 bezeichnet wird, an einige Fahrten für historische Fahrzeuge.
Dann führt die Spur des Wagens wieder in die Vereinigten Staaten. Der Händler „Class-iques Colo, Inc.“ in Golden, Colorado, kauft am 9. Februar 1981 unseren Mercedes – allerdings als einen SSK von 1929 ausgewiesen – von einem gewissen Stanley Schnabel aus Boulder, Colorado.
Dann wird es still um den Wagen.
Im August 1982 beantwortet Daimler-Benz dann eine Anfrage von einem Everett J. Adams aus Nevada. Tatsächlich ist zu diesem Zeitpunkt der in Automobilsammlerkreisen gut bekannte kalifornische Winzer Arturo Keller bereits der Besitzer des Wagens, den er im Vorjahr von „Class-iques Colo, Inc“ gekauft hatte. Und die „Adams Custom Engines“ in Sparks (bei Reno, Nevada) ist zu dieser Zeit bereits fleißig dabei, den nun endgültig als 680 Typ S bezeichneten Sportwagen zu restaurieren.
Erst 2006 taucht der 680 S wieder auf. Nach all den „Schokolade-und-Sahne“-Jahren ist er jetzt rot lackiert, wobei die Seitenflanken und die Kotflügel eine Spur dunkler gehalten sind, als der Rest des Wagens. Eigentümer ist nun wie gesagt Arturo Keller, und dieser führt seine neue Anschaffung beim „Meadowbrook Concours d’Élégance“ vor. Schliesslich bekommt unser 680 Typ S beim „Concours d’Élégance“ 2008 in Pebble Beach –nun als Mercedes-Benz Typ S, Armbruster Cabriolet, ausgewiesen – den zweiten Preis in der Kategorie „Mercedes-Benz – pre-war“. Danach verschwindet unser 680 S Armbruster Cabriolet von der Szene, um in Arturo Keller’s privatem Automuseum in Kalifornien, streng bewacht, vor sich hin zu schlummern.
Das wäre – bis jetzt jedenfalls – und so gut ich sie nachvollziehen konnte, die Geschichte des Mercedes-Benz 680 Typ S mit Aufbau von S. Armbruster, aus der Porzellangasse 4-6, Wien IX (Alsergrund). Einige Wochen Arbeit und viel Glueck hat’s gebraucht, um all diese Informationen zusammen und zu Papier zu bringen, zahlreiche Telefonate und unzaehlige e-mails ebenso. Widerspruechliche Quellen, neun, möglicherweise zehn Eigentümer, drei angegebene Baujahre, -zig verschiedene Bezeichnungen…das sorgt schon manchmal für ein bischen Verwirrung!
Das Modell: Das Resine-Modell im Maßstab 1:43 dieses einzigartigen „Mercedes 680 S Armbruster Cabriolet“ ist das dritte Modell eines Vorbilds aus dem Hause Daimler-Benz in der von Mikhail Bashmashnikov in Zusammenarbeit mit EMC/Pivtorak produzierten „B&G Models“ – Sammlung. B&G ist bekannlich äusserst penibel, was die genaue Umsetzung aller Details, und ich meine wirklich aller Details betrifft, und die Herstellung des Modells durch EMC in Kijw in der Ukraine ist schon fast so etwas wie eine Garantie, dass dieses Modell qualitativ einwandfrei ist. Insgesamt wird das Modell in einer „limitierten edition“ von 200 Stück hergestellt, das heisst 125 Stück in der jetzigen zweifarbigen roten Ausführung, gefolgt von der auf nur 75 Stück begrenzten Auflage in der ursprünglichen „Schokolade-und-Sahne“ Farbkombination. Die beim Vorbild im Laufe der Jahre aufgetretenen kleinen Unterschiede wurden von Mikhail Bashmashnikov und EMC bei beiden Modellen selbstverständlich berücksichtigt. Das bedeutet, dass das eine Modell sich vom anderen nicht nur durch seinen Lack unterscheidet, sondern dass es sich bei beiden Varianten der Miniatur jeweils um eine getreue Wiedergabe des Originals handelt.
Anfragen zum Modell und Bestellungen sollten an Mikhail Bashmashnikov per e-mail geschickt werden: msbash@hotmail.com
Dokumentation: Daimler Archiv, Arturo Keller, Carolina Keller, u.a.
Bilder: verschiedene Quellen.