Stan Peschl, Mitarbeiter im Konzernzarchiv von Daimler, gibt bei seinen Streifzügen durch das Daimler-Konzernarchiv im Daimler-Blog Einblicke in die Firmengeschichte.
Das Leben des genialen Visionärs, Erfinders und Konstrukteurs Gottlieb Wilhelm Daimler, beginnt am 17. März 1834 in Schorndorf, einem Städtchen, das um 1840 knapp 4000 Einwohner zählt. Dennoch gehört Schorndorf damals nach Stuttgart, Tübingen und Urach zu den bedeutendsten Städten im Königreich Württemberg.
Die Eltern Gottliebs, die eine Bäckerei und ein Gasthaus betreiben, ermöglichen ihm eine fundierte Ausbildung. So kann Gottlieb nach dem Besuch der Elementarschule auch die beiden Klassen der berühmten Schorndorfer Lateinschule absolvieren. Neben der Lateinschule besucht Gottlieb die 1821 in Schorndorf gegründete Zeichenschule, in der sich seine exzellente zeichnerische Begabung entfaltet. Nach dieser Ausbildung soll der junge Gottlieb ein Handwerk erlernen. 1848 wird der Büchsenmacher J. Chr. Wilke sein Lehrherr. Das Gesellenstück Gottlieb Daimlers von 1852 ist eine doppelläufige, an Beschlägen und Knauf fein ziselierte Pistole.
An eine handwerkliche Zukunft des frisch gebackenen Büchsenmacher-Gesellen in Schorndorf ist jedoch nicht zu denken. Das beginnende Maschinenzeitalter, die industrielle Revolution, großartige Erfindungen wie Dampfmaschine, Gasmotoren und Eisenbahn locken den 18-jährigen, erschließen ihm ein weites, erfolgversprechendes Feld, das seinen Neigungen sehr entgegen kommt. Der junge Mann besucht folgerichtig die Königliche Landesgewerbeschule in Stuttgart zur weiteren Ausbildung. So wird Ferdinand Steinbeis, der große Förderer der württembergischen Industrie, auf den vielfältig Interessierten aufmerksam und schickt ihn, ausgestattet mit einem Reise- und Ausbildungszuschuss der Regierung, in eine Maschinenfabrik in Grafenstaden bei Straßburg im Elsaß, die vor allem Eisenbahnbedarf herstellte.
Am 20. Januar 1853 beginnt Daimlers Karriere mit der Sammlung praktischer Erfahrungen als Industriearbeiter. Als in Grafenstaden der Lokomotivbau aufgenommen wird, verlässt Daimler das Werk, um sich an der Polytechnischen Schule in Stuttgart auf die neue Herausforderung vorzubereiten. Physik und Chemie, Maschinenbau, Geschichte, Volkswirtschaft und Englisch stehen auf dem Stundenplan. 1859 kehrt er nach Grafenstaden zurück, aber er kann sich für den Lokomotivbau nicht mehr so recht erwärmen. Im Sommer 1860 verlässt Daimler Grafenstaden und fährt nach Paris, wo er einige Monate arbeitet. Ein weiteres Stipendium von Ferdinand Steinbeis erlaubt es ihm nach England, dem Ziel aller Technikbegeisterten und Wissbegierigen jener Zeit, zu fahren. In Leeds, Manchester und Coventry findet Daimler Arbeit und studiert hier auch Maschinenfabrikation, Gewindeherstellung und Schiffbau. Danach kehrt er in seine Heimat zurück und wirkt fast bis zum Ende des Jahres 1863 in Geislingen in der dortigen Metallwarenfabrik „Straub und Schweizer“, die später zu der Firma WMF werden sollte.
Steinbeis unterstützt ihn auch nach seiner Rückkehr in die Heimat. Auf seine Veranlassung und der von Emil Kessler, des Gründers der Karlsruher Maschinenfabrik, erhält Daimler im Dezember 1863 eine Anstellung beim „Bruderhaus Reutlingen“.
Die von dem sozial engagierten Gustav Albert Werner gegründete Unternehmung beschäftigt vor allem Vollwaisen, Verarmte und Behinderte in einer Papierfabrik, einer Holzbearbeitungsanstalt und einer Maschinenfabrik. Letztere ist bei Daimlers Eintritt in finanziellen Schwierigkeiten. Daimler wird mit der Sanierung beauftragt, die ihm auch gelingt. In den fünf Jahren seiner Reutlinger Tätigkeit findet Gottlieb Daimler zwei Menschen, welche in seinem weiteren Leben zentrale Rollen spielen sollten. Zum einen trifft er Emma Pauline Kurz aus Maulbronn. Er heiratet sie 1867. Zum anderen ist es der 1846 geborene Wilhelm Maybach, der als Vollwaise im Bruderhaus Zuflucht fand. Maybach fällt ihm wegen seines hohen technischen Verständnisses, seiner hervorragenden Leistungen und seines Erfindungsreichtums auf.
Als Daimler 1868 zur Maschinenfabrik Karlsruhe als Vorstand der Werkstätten wechselt, die vor allem Eisenbahnmaterial herstellen, nimmt er Maybach mit. Die Beiden bleiben von nun an bis zu Daimlers Tod im Jahre 1900 beruflich und privat unzertrennlich. Das Organisationstalent Daimlers bringt die Maschinenfabrik Karlsruhe sicher durch die unruhigen Zeiten des Krieges mit Frankreich von 1870/71.
Fortsetzung folgt.