4. und letzter Teil der Serie zum 175. Geburtstag von Gottlieb Daimler. Bereits erschienen: “Die frühen Jahre – vom Büchsenmacher zum Krisenmanager“, “Ein Traum mit 100cm³” und “Ein Motor geht in Serie”.
Nach Gottlieb Daimlers Ausscheiden im Jahre 1894 ist die Daimler-Motoren-Gesellschaft dem Konkurs nahe, als ein englisches Konsortium 1895 unter Führung von Frederick Richard Simms die Lizenzrechte für den Phönix-Motor mit einer ungewöhnlich hohen Summe erwirbt. Voraussetzung ist, dass die Herren Daimler, Maybach und Linck wieder in ihre alten Rechte und in führende Stellungen eingesetzt werden. Seine Forderungen werden erfüllt.
Die DMG gewinnt dank der nun von Daimler und Maybach energisch vorangetriebenen Verbesserungen und Neukonstruktionen schnell wieder an Boden und gründet in Amerika, Österreich und England eigene Niederlassungen. Von größter Bedeutung für die DMG ist dabei die Verbindung mit Emil Jellinek. Wäre Herr Jellinek nicht ein aufmerksamer Zeitungsleser gewesen, hätte sich der Entwicklungsprozess der Daimler-Automobile um einiges verzögert und auch die Automobilmarke „Mercedes“ würde es höchstwahrscheinlich heute nicht geben.
So war es eine glückliche Fügung, als 1896 der österreichische Kaufmann Emil Jellinek in seinem schönen Wohnort Nizza einen Artikel über den Automobilbau im fernen Cannstatt entdeckte. Jellinek – ein Mann schneller Entschlüsse – knüpfte sofort Kontakte zu der DMG und kurze Zeit später begab er sich selbst auf die Reise zu den Schwaben, um direkt vor Ort ein neues Automobil zu bestellen. Obwohl der Automobilismus erst in den Kinderschuhen steckte, konnte Jellinek bereits auf Erfahrungen zurückgreifen, die er mit drei verschiedenen Wagen gemacht hatte, darunter war auch ein Benz-Fahrzeug. Richtig zufrieden war er aber mit keinem von ihnen, denn es mangelte ihnen allesamt an etwas, was Jellinek über alles schätzte: Geschwindigkeit.
In Cannstatt angekommen, gab er seine erste Bestellung bei der DMG auf. Sie betraf ein Doppelphaeton mit sechs PS. Doch auch dieser Wagen enttäuschte ihn – er erreichte lediglich 24,4 km/h. Also bestellte er sofort vier weitere Wagen – allerdings mit der Vorgabe, dass sie Tempo 40 bringen müssten. Als er die Wagen erhielt, wusste er, dass er mit der richtigen Firma Kontakt aufgenommen hatte. Die Wagen liefen wie gewünscht: 42 km/h! Die weitere Bestellung betraf ganze sechs Wagen, denn Jellinek betätigte sich inzwischen auch als Automobilverkäufer. Der Wunsch nach einem diesmal vorn eingebauten Vierzylindermotor erfordert eine grundlegende Neuentwicklung des Fahrzeugs, welches den Namen “Daimler-Phoenix-Wagen” erhielt. Mit einem dieser 23-PS-Wagen nahm.
Jellinek an der Rennwoche in Nizza 1899 unter dem Pseudonym “Mercedes” – dem Namen einer seiner Töchter – teil und gewann prompt eine Tourenfahrt.
Als sich im darauf folgenden Jahr ein tödlicher Unfall mit einem Daimler-Wagen ereignete, der auf konstruktive Unzulänglichkeiten zurückzuführen war, regte Jellinek bei der DMG den Bau eines völlig neu konzipierten Wagens an. Gefordert wurden längerer Radstand, niedrigerer Schwerpunkt und größere Motorleistung. Im selben Zuge regelte Jellinek seinen Status als Vertreiber der Wagen der DMG und es wurde vereinbart, dass er die Automobile unter dem Namen “Mercedes” vertreiben durfte. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, bestellte er kurzerhand 36 Wagen im Gesamtwert von 550 000 Goldmark – damals eine astronomisch hohe Summe. Nach herausragenden Erfolgen des neuen Wagens wurde die Wortmarke “Mercedes” 1902 gesetzlich geschützt und von der DMG für ihre Personenwagen generell übernommen.
Mit dem Tode Gottlieb Daimlers endet die erste Phase der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Auch deren Standort in der Seelbergstraße sollte bald aufgegeben werden. Bereits im August 1900 erwirbt die Firma ein großes Gelände in Untertürkheim, um expandieren zu können und als 1903 die Produktionsstätte „Seelberg“ abbrennt, findet dort der Bau einer neuen Fabrik rasch statt. Die Daimler-Motoren-Gesellschaft nimmt in den folgenden Jahrzehnten einen ungeahnten Aufschwung. In den wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Zwanziger Jahre schließlich kommt es 1926 zu einer Fusion der ehemals starken Konkurrenten Daimler und Benz – die Daimler-Benz AG ist entstanden.