Der Schriftsteller und Kabarettist Joachim Ringelnatz brachte es zu seinen Lebenszeiten auf den Punkt: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt“. Diesen besagten Knopf zu finden fällt manchmal dann aber doch schwer. In diesem Fall schlägt mein Herz eindeutig für Stuttgart. Vor allem aber begebe ich mich gar nicht erst auf die suche nach dem Knopf. Zum Hintergrund:
Die Aufregung um den satirischen Mercedes-Spot mit Adolf Hitler ist durchaus verständlich. In dem von Studenten gemachten Kurzfilm tötet ein Mercedes das Kind Adolf Hitler. Die Filmstudenten der Filmakademie in Ludwigsburg haben ganze Arbeit geleistet. Der Kurzfilm, der derzeit für Aufregung im Netz sorgt, kommt visuell derart professionell daher, dass man auf den ersten Blick wirklich glaubt, es mit einer Mercedes-Werbung zu tun zu haben.
Die Fachzeitschrift „Werben & Verkaufen“ umschrieb das Ganze wie folgt: „Was wäre, wenn der Mercedes-Benz-Bremsassistent schon viel früher entwickelt worden wäre, viel besser funktionieren würde und womöglich eine richtige Seele hätte? Würde damit am Ende vielleicht sogar Geschichte umgeschrieben? Das fragte sich Tobias Haase, Werbefilmstudent an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg, und machte aus dieser Idee einen gut einminütigen Werbespot. Es ist die Regie-Abschlussarbeit des Nachwuchstalents, das im vergangenen Jahr beim Young Director Award in Cannes mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Dass sich der Stuttgarter Autohersteller von dieser studentischen Arbeit ausdrücklich distanziert, ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich ist die Vorstellung, dass ein automatisches Bremssystem die Kinder, welche vor das Auto rennen, genau selektiert, wirklich nicht schön. Die Daimler AG hat mit der Entstehung des Films nichts zu tun. Der Spot ist nicht autorisiert. Technisch freilich wurde der Film hervorragend umgesetzt.“
Pikanter Nebenaspekt: Der umstrittene Werbespot ist für den Deutschen Nachwuchspreis First Steps nominiert, Sponsor Mercedes-Benz. Ob das in Zukunft so bleibt steht in den Sternen.
Kurt Tucholsky: „Was darf Satire? Alles.“ Natürlich „darf“ sie das, aber hier ist aus meiner Sicht die Freiheit der Meinungsfreiheit respektive der Künstler wie das berühmte Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden. Den Bremsassistenten, der nun wirklich Leben rettet, auf derart reißerische Art zu missbrauchen, ist schlichtweg Eigen-PR der Studenten. Auch die Schlusssequenz, die von vielen gar nicht mehr zur Kenntnis genommen wird, ist der Hammer: Das tote Kind liegt in der Stellung eines Hakenkreuzes.
Ole Reißmann findet dazu folgende hochintelligente, tiefschürfenden Worte: „…eine fette Karosse aus Stuttgarter Fertigung … Ein lustiges Video, nachklingende Technikkritik …“
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/angeklickt-diese-mercedes-werbung-gefaellt-mercedes-nicht-a-918034.html – Au weia, weniger kann oftmals viel mehr sein.