Indy 2015 – Siegerwagen von 1915 im Vorprogramm

Ralph DePalma gewinnt am 31. Mai 1915 auf Mercedes Grand-Prix-Wagen das 500-Meilen-Rennen von Indianapolis. Damit geht für den 1882 in Italien geborenen Rennfahrer ein großer Wunsch in Erfüllung. Denn 1912 verpasst er den Sieg bei den Indianapolis 500 nur ganz knapp durch einen technischen Defekt. Der Sieg in dieser fünften Auflage des legendären Rennens krönt eine ganze Reihe von Erfolgen, die DePalma auf einem jener Fahrzeuge erzielt, mit denen das Mercedes-Team 1914 den historischen Dreifachsieg im Grand Prix von Frankreich erringt. Am 24. Mai 2015 umrundet das originale Siegerfahrzeug des Grand Prix von Frankreich in Indianapolis den Ovalkurs im Vorprogramm der diesjährigen Indianapolis 500.


Er ist längst ein Superstar des nordamerikanischen Motorsports, als er auf einem Mercedes Grand-Prix-Rennwagen am 31. Mai 1915 das fünfte „International Indianapolis 500-Mile Sweepstakes Race“ gewinnt. Und doch hat dieser Sieg für den 1882 in Süditalien geborenen Raffaele DePalma, genannt Ralph, einen ganz besonderen Wert. Denn schon 1912, in der zweiten Auflage des Renn-Klassikers „Indy 500“, scheint der Triumph für ihn zum Greifen nahe: DePalma führt von der dritten Runde bis kurz vor dem Ende des Rennens, als ihn ein Motorschaden in der vorletzten Runde zurückwirft. Unter dem tosenden Applaus von 80.000 Zuschauern schiebt er den Wagen mit seinem Kopiloten Rupert Jeffkins die restlichen drei Meilen ins Ziel und wird Elfter.

Nun – drei Jahre später – holt er den Triumph mit Louis Fontaine als Beifahrer in glänzender Manier nach. DePalma gewinnt in 5 Stunden, 33 Minuten und 55 Sekunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 144,58 km/h (89,84 mph), nachdem er von der 135. Runde bis zum Ende des Rennens in der 200. Runde in Führung liegt. An diesen großartigen Mercedes-Sieg in Indianapolis knüpft – fast 80 Jahre später – Al Unser jr. wieder an, der 1994 auf dem Penske-Mercedes PC 23 IndyCar das 500-Meilen-Rennen (804,5 km) auf dem legendären Ovalkurs 1994 gewinnt.

Am 24. Mai 2015 erhält ein ganz besonderer Mercedes Grand-Prix-Rennwagen fast auf den Tag genau 100 Jahre nach Ralph DePalmas großartigem Triumph die Ehre, im Vorprogramm der Indianapolis 500 eine Runde auf dem berühmten Ovalrennkurs zu absolvieren. Es handelt sich um das originale Siegerfahrzeug, mit dem Christian Lautenschlager den Grand Prix von Frankreich im Jahr 1914 gewinnt. Mercedes erzielt damals einen Dreifachtriumph. DePalma kauft direkt nach dem Grand Prix das Fahrzeug des Zweitplatzierten Louis Wagner und fährt damit in Nordamerika ab August 1914 sehr erfolgreich Rennen – und unter anderem 1915 bei den Indianapolis 500 zum Sieg. Der Mercedes Grand-Prix-Rennwagen gilt aufgrund seiner herausragenden Konstruktionsdetails und seiner bahnbrechenden Erfolge als einer der wichtigsten Rennwagen überhaupt.

Ralph DePalma und Mercedes

Es gibt eine lange und erfolgreiche Verbundenheit zwischen der deutschen Marke Mercedes und dem amerikanischen Rennfahrer Ralph DePalma. So gewinnt er am 2. Oktober 1912 das Rennen um den Vanderbilt-Cup in Milwaukee (Wisconsin) auf einem „Grey Ghost“ genannten Mercedes 37/90 PS Rennwagen aus dem Jahr 1911. Das Fahrzeug basiert auf dem Grand-Prix-Rennwagen des Jahres 1908, ist mit einem überarbeiteten 37/90 PS-Serienmotor ausgerüstet und zeichnet sich durch Holzspeichenräder sowie eine spitz zulaufende Kühlerverkleidung aus. Am 26. Februar 1914 gewinnt DePalma mit dem „Grey Ghost“ das Vanderbilt-Rennen erneut. Diesmal findet der Wettbewerb in Santa Monica (Kalifornien) statt. 1915 folgt sein vielleicht wichtigster Triumph, der Sieg in Indianapolis – ein Jahr, in dem der Erste Weltkrieg in Europa den Rennaktivitäten längst ein Ende bereitet hat. Noch im Jahr 1928 gewinnt DePalma auf Mercedes-Benz Typ S zwei Rennen auf der Rennbahn von Atlantic City.

Der Kontakt zur DMG entsteht in Europa, wo DePalma ebenfalls Rennen fährt. Unter anderem startet er auf Vauxhall im Großen Preis von Frankreich 1914 und erlebt so den Dreifachsieg von Mercedes selbst mit. Der amerikanische Rennfahrer verhandelt mit Paul Daimler persönlich in Stuttgart und erwirbt einen der Siegerwagen für 6.000 US-Dollar (25.200 Reichsmark). Die nötigen Ersatzteile sind im Preis inbegriffen. Wenige Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs schafft DePalma es gerade noch rechtzeitig, den Rennwagen auf dem Seeweg sicher in die Vereinigten Staaten zu bringen.

Der Mercedes Grand-Prix-Rennwagen von 1914

Entwickelt wird dieses Fahrzeug von den Ingenieuren der Daimler-Motoren-Gesellschaft für das rund 750 Kilometer lange Rennen um den Großen Preis von Frankreich 1914 in Lyon. Weil der Hubraum für den Großen Preis auf 4,5 Liter beschränkt wird, erhält der Mercedes Grand-Prix-Rennwagen einen völlig neu konstruierten Vierzylindermotor mit oben liegender Nockenwelle und vier Ventilen pro Zylinder – das ist eine Premiere in einem Mercedes-Motor. Der Rennmotor mit Königswellenantrieb leistet trotz des drastisch reduzierten Hubraums bis zu 78 kW (106 PS) – nicht zuletzt dank der revolutionär hohen Drehzahl von 3.100/min. Die Mercedes-Ingenieure setzen beim neuen Rennwagen außerdem auf Gewichtsersparnis und eine aerodynamisch optimierte Karosserie.

Ralph DePalma prägt seine Epoche des Motorsports mit Rennerfolgen auf verschiedenen Fabrikaten ebenso wie durch seine Fairness. In 27 Jahren bestreitet der gebürtige Italiener, der 1906 seinen ersten Rennwagen selbst baut, insgesamt 2.889 Rennen. Davon gewinnt er nicht weniger als 2.557. Die meisten dieser Wettbewerbe finden auf Sandstrecken statt, aber auch auf Pisten aus Asphalt, Holz, Zement und Ziegelsteinen. Ralph DePalma stirbt 1956 in Pasadena (Kalifornien).