Klein ganz Gross – Das Glas Goggomobil

von info@auto-uhren-museum.de / Newsletter

Das Jahr 1958 – vor 60 Jahren.

Es war 1958 als der Rock ’n Roll-Sänger Elvis Presley mit einem großen Medienrummel In der Bundesrepublik empfangen wurde. Er war gekommen, um seinen Wehrdienst bei den stationierten Kräften der US-Armee abzuleisten und wurde als Star begrüßt – denn hierzulande war er längst Kult.

Ebenfalls im Jahr 1958 hatte der englische Fußballmeister Manchester United den Tod von acht seiner Spieler zu beklagen, die auf tragische Weise bei einem Flugzeugunglück in München ums Leben kamen. Insgesamt starben 23 Insassen, nachdem die Maschine von der Startbahn in München-Riem abgekommen war.  Und 1958 war auch die Zeit für „des tollen Ding aus Dingolfing“ –  das „große“ Goggomobil T 600.

Sie wohnt in München, er wohnt in Kiel, Lösung klar: Goggomobil!

Mit solch fröhlichen Sprüchen warb Deutschlands kleinste Automobilfabrik mit Fließbandproduktion, die Hans Glas GmbH im niederbayrischen Dingolfing, um ihre Kunden.  Und Kunden gab es viele, denn die kleinen Autos von Glas trafen den Nerv ihrer Zeit.  Zudem standen die Glas-Werke längst im Ruf, Automobile zu vernünftigen Preisen und besonderer Qualität zu bauen. Bei keinem deutschen Automobilwerk außer Porsche wurde noch soviel Handarbeit geleistet wie bei Glas im 12 000-Einwohner-Städtchen Dingolfing. Die Firma strotzte vor Unternehmergeist.

1951 entschloss sich Senior-Chef Hans Glas, der bis dahin nur Sämaschinen gebaut hatte, zur Produktion des ersten Motorrollers deutscher Konstruktion in Großserie. Der Roller namens „Goggo“ wurde ein voller Erfolg (Auflage: 60 000), doch schon 1952 ahnte der alte Glas das Ende der Zweirad-Konjunktur und mischte sich mit dem 1955 herausgebrachten Goggomobil in den Kleinwagen-Boom ein.  Im Erspähen geschäftsträchtiger Lücken und im Erkennen dessen, was die Kunden wirklich kaufen wollten, wendeten die Glas-Leute schon immer ihre eigenen Methoden an. Andreas Glas (Sohn): „Wir halten nichts von Marktforschung, sondern verlassen uns auf den natürlichen Hausmannsverstand. Wir mischen uns z.B. bei Ausstellungen anonym unter die Leute, fragen, provozieren und stellen uns doof – und da hören wir die ehrliche Meinungen.“

Die gesunde Ertragslage seines Unternehmens demonstrierte Hans Glas gern an einem Vergleich mit dem 1961 in Konkurs gegangenen Bremer Auto-Konzern Borgward: „Bei Borgward kamen auf einen Arbeiter 23 000 Mark Umsatz, der Glas brachte 40 000 Mark Umsatz.“ Dazu kam noch dass die Glas-Mitarbeiter mit einem Durchschnitts-Monatsverdienst von 570 Mark hinter den Kollegen aus anderen Autowerken zurückstanden. Ebenso gern weist der harte Geschäftsmann Glas auf seinen Sohn Andreas hin: Er ist der kreative und technische Kopf des Werks – „ich bin das Gegenteil“.

Goggomobil.

Das Erfolgsmodell der Herren Glas war kaum 3 Meter lang, knapp 1,30 Meter breit, 14 PS – und bot trotzdem Platz für bis zu fünf Personen: Das Goggomobil. Die Deutschen liebten das Auto heiß und innig. Das Goggo war der Publikumsliebling der Wirtschaftswunder-Jahre. Ein echter Winzling auf dem sich, so wusste es Hans Glas, nicht ausgeruht werden durfte, denn die Konkurrenz schlief nicht.

GLAS Isar: Warten auf „Das große Goggomobil“ T 600

Der GLAS T 600 war nun der erste Versuch der Firma GLAS, ein „normales“ Auto zu bauen. Es sollte das große Goggomobil werden und an die Erfolge des kleinen anknüpfen – natürlich moderner  und komfortabler und auch vom Äußeren her ansprechender. Zudem sollte er der Konkurrenz Paroli bieten und der „neue Stern“ in der deutschen 600er Klasse werden.

Seine Zeitgenossen und Mitkonkurrenten, präsentierten sich alle auf der IAA  1957. Lloyd zeigte den 600er, der von nun an Alexander hieß – aber nur 19 PS hatte.  NSU präsentierte den neuen Prinz, der nicht all zu viel größer war als das kleine Goggomobil  und BMW seinen 600, die gestreckte Isetta. Da konnte sich doch der noch nicht fahrfertige, aber mit einem Zweizylinder-Boxermotor und Frontantrieb ausgestattete  Prototyp des großen Goggomobil T 600 sehr selbstbewusst einreihen und der Konkurrenz neidische Blicke abgewinnen.

Doch in Dingolfing verging viel Zeit. Auf den Straßen fuhren schon die ersten BMW 600, auch die Prinzen von NSU waren schon reichlich unterwegs.  Auch Lloyd ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen und rüstetete ihren Alexander noch einmal nach – das Ganze nannten sie nun Alexander TS.

Einige verloren gegangene Kunden, hätten bestimmt das große Goggomobil gewählt, wenn es früher auf den Markt gekommen wäre. Die Entwicklungsphase lief aber nicht so, wie es sich Hans Glas vorgestellt hatte: 
Es stellte sich heraus, dass das Fahrzeug viel zu kopflastig geraten war, weil der Motor weit vor der Vorderachse lag. Um den Antriebsblock zurückzuversetzen, hätte die Karosserie vollkommen neu konstruiert werden müssen, wofür weder Zeit noch Geld vorhanden waren. Daher entschieden sich die Konstrukteure für einen konventionellen Hinterradantrieb. Das für Frontantrieb ausgelegte Viergang-Getriebe konnte ebenfalls nicht mehr geändert werden.

Am 12. Juni 1958  begann die Serienfertigung der neuen viersitzigen Limousine  mit zwei Türen und Panorama-Windschutzscheibe, kleine Heckflossen und die Zweifarbenlackierung, welche der damaligen Mode, die aus den USA nach Europa kam, entsprach. Der Boxermotor mit einem Hubraum von 584 cm³ entwickelte 20 PS (15 kW) bei 5000/min. Damit war eine Höchstgeschwindigkeit von 98 km/h erreichbar. Der Normverbrauch lag bei 5,3 l/100 km Normalbenzin.

Die ersten Käufer wurden sozusagen zu Testfahrern. Nicht nur der laute, durstige und am Anfang zu Kälteschäden neigende Motor wurde moniert, vor allem aber der Wassereinbruch durch die zu der Zeit ungewöhnliche Windschutzscheibe. Man würde alles nach und nach in den Griff kriegen meinte man in Dingolfing, aber dann hatte die Akzeptanz des Wagens schon sehr gelitten. Am Ende wurde der Motor sogar noch zum Symbol für Werterhalt, lange haltbar, im Motorsport erfolgreich und mit Garantie für unbegrenzte Jahreskilometerzahl beworben. Doch es nützte alles nichts, die Verkaufszahlen blieben mäßig. Insgesamt wurden 16.940 Stück von dem großen Goggomobil, das im Jahre 1959 zum Glas Isar umbenannt wurde, verkauft. Zudem stand der etwas größere Konkurrent aus dem eigenen Haus schon in den Startlöchern – Der Glas Isar 700.

Ein wunderschönes Exemplar dieses „großen Goggomobils“  ist im Auto- und Uhrenmuseum in Schramberg zu sehen.