Kunst oder Frevel

Mercedes-Benz 170 V als Kunstobjekt von Wolf VostellIn den 1960er Jahren wurde eine neue Kustform ethabliert: Das Happening. Hierbei wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt Kunst realisiert und es entstand dabei nichts, das man konservieren konnte.
So in Wuppertal im Jahr 1963: Der Leverkusener Maler, Bildhauer und Happeningkünstler Wolf Vostell nimmt einen Bus voll Leute auf eine abenteuerliche Fahrt mit neun Stationen. Station Nummer zwei führt die nichtsahnenden Menschen an ein Bahngleis. Dort steht ein alter Mercedes-Benz Typ 170. Auf einmal nähert sich eine Lokomotive. Sie bremst nicht, sondern fährt ungehindert auf den schwarzen Wagen auf. Es kracht, es quietscht, Blech verbiegt sich, Funken fliegen. Die Zuschauer sind geschockt, wissen nicht, wie ihnen geschieht. Kurz danach reicht Vostell ihnen Pralinen.
Da Happenings wie erwähnt nicht konservierbar sind, lebt eine Ausstellung über den Künstler Vostell von den Fotos und Dingen, die von der Aktionskunst erzählen. Unter dem Titel „Das Theater ist auf der Straße“ zeigt das Museum Morsbroich in Leverkusen derzeitig Werke des Aktionskünstlers. Der Mercedes-Benz 170 V, der zur Zeit rechts neben dem Eingang zum Museum Morsbroich „parkt“, ist ein sehr eindringliches Beispiel: Die eine Seite ist völlig verbeult und verrostet, die Fensterscheiben fehlen. Immer wieder bleiben die Besucher stehen und fotografieren den Oldtimer, egal ob Kunstliebhaber oder Autofreak. Was viele aus heutiger Sicht als Frevel erachten, war damals nur ein altes Auto. Was sie wahrscheinlich nicht wissen: Der Wagen ist gar nicht der originale aus dem Happening von 1963. „Vostell hat ihn rekonstruieren lassen“, verrät Fritz Emslander, stellvertretender Direktor des Museums Morsbroich. Damals habe Vostell noch nicht die Möglichkeit gehabt, seine Objekte alle einzulagern. Außerdem war nach dem Zusammenstoß mit dem Titel „130 km à l’heure (130 Stundenkilometer)“ viel weniger vom Wagen übrig. Der schwarze 170 V gehört der Vostell-Familie in Spanien und wird auch dorthin nach dem Ende der derzeitigen Ausstellung zurückkehren. Die Ausstellung im Museum Morsbroich läuft noch bis zum 15. August 2010.
Der gute Stern aus Stuttgart hatte es Wolf Vostell aber mehr als einmal angetan. Nicht nur, dass er einmal in einen 600 W100 mit 21 Fernsehern versah, auch Skulpturen, Kollagen und Bilder tragen den Stern.