Motorsport ist Automobilgeschichte von Mercedes-Benz
Von der ersten Automobilwettfahrt der Geschichte 1894 bis zu den aktuellen Engagements im Motorsport: Die Rennsport-Aktivitäten von Mercedes-Benz und den Vorgängermarken erzählen eine Erfolgsgeschichte, die ihre Wurzeln bereits in der Anfangszeit des Automobils hat. Seit dem 19. Jahrhundert sind die Rennsport- und Rallyewagen im sportlichen Wettstreit immer wieder ganz vorn zu finden. Ihre Erfolge zeugen von innovativer Technik, dem Siegeswillen der Fahrer und effizienter Teamarbeit.
Herausragende Momente in der Rennsportgeschichte der Marke sind zum Beispiel die Teilnahme am weltweit ersten Automobilwettbewerb im Jahr 1894, der erste Sieg eines Mercedes bei der Rennwoche von Nizza im Jahr 1901, der Dreifachsieg der Daimler-Motoren-Gesellschaft beim Grand Prix von Lyon im Jahr 1914, die Zeit der Kompressorwagen nach 1922 und vor allem die Ära der Silberpfeile vor und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie Rallyes und Rekordfahrten in der Zeit danach. Aktuelle Erfolge wie etwa in der Formel 1 die Fahrer- und Konstrukteursweltmeisterschaft 2018 oder in der DTM die Fahrer-, Team- und Markenmeisterschaft 2018 sowie im Kundensport bauen darauf auf.
Wechselwirkung mit erstklassigen Produkten
Ein Engagement im Rennsport darf nicht losgelöst vom täglichen Betrieb in Labors, Werkstätten und Fabrikhallen gesehen werden. Vielmehr steht der Motorsport in Wechselwirkung mit erstklassigen Produkten in allen anderen Bereichen: Erfahrungen aus der Entwicklung von Wettbewerbsfahrzeugen gehen in die Serie ein – und umgekehrt. Die Kompetenz der Ingenieure aus dem umfassenden Produktprogramm der Weltmarke Mercedes-Benz und ihrer Vorgängerunternehmen liefert Impulse für die Verbesserung der Rennwagen. Besonders eindrücklich ist dieser direkte Austausch von Technik und Know-how in den ersten Jahrzehnten des Rennsports zu erkennen.
In größeren Zusammenhängen gilt diese Wechselwirkung aber bis heute. Technische Kompetenz im Rennsport verbindet sich mit der Begeisterung am sportlichen Wettbewerb. Im globalen Umfeld wandeln sich Kundenwünsche und Märkte, worauf das Unternehmen kontinuierlich aktiv reagiert. So haben viele technische Innovationen, die neue Wege im Automobilbau eröffnen, ihre Wurzeln in zukunftsweisenden Entwicklungen der Rennsportingenieure.
Rennsport hat Menschen und Fahrzeuge als Protagonisten. Aber ohne Team und Marke im Hintergrund können weder Spitzenpiloten noch die besten Rennwagen siegen. Im Motorsport zeigt sich deshalb bei jedem Rennen von Neuem, dass die gemeinschaftliche Leistung über den Erfolg entscheidet. Team, Technik und Taktik müssen reibungslos zusammenspielen. So endet die Bedeutung und Faszination der Rennen auch nicht mit der Zielflagge: Wer sich wie Mercedes-Benz als Marke vielfältig im Motorsport engagiert und weltweit Siege erringt, der wirbt weit über den Sport hinaus für seine eigenen Produkte. Das ist ein bewährtes Wissen auch bei Mercedes-Benz und den Vorgängermarken: „Wir halten die Mehraufwendungen für Rennen als unumgänglich notwendig, um in der internationalen Konkurrenz für unser Fabrikat den ihm gebührenden Platz zu behaupten“ – so heißt es schon im Benz-Geschäftsbericht von 1907/08.
Motorsport als Leitmotiv der Markengeschichte
Das Automobil stellt bereits in seinen Frühtagen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ersten Wettbewerben seine Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit unter Beweis. Das überzeugt die Menschen von den „Wagen ohne Pferde“. Fahrzeuge von Daimler und Benz nehmen schon in dieser Frühzeit des Automobils an namhaften Veranstaltungen in Europa und darüber hinaus in weiteren Ländern der ganzen Welt teil. Sie gewinnen Rennen und durchbrechen bei Rekordfahrten immer neue Geschwindigkeitsgrenzen.
Der Motorsport erlebt seine Geburtsstunde vor 125 Jahren in Frankreich. Das „Système Daimler“ – ein Zweizylinder-V-Motor, der nach den Originalplänen Gottlieb Daimlers in Frankreich in Lizenz gebaut wird – treibt die siegreichen Automobile von Peugeot und von Panhard & Levassor an. Bei den ersten Wettfahrten der Welt Paris–Rouen (1894) und Paris–Bordeaux–Paris (1895) belegen die von Daimler-Motoren angetriebenen Fahrzeuge die ersten Plätze.
Für die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) sowie Benz & Cie. stellen sich schnell internationale Erfolge im Motorsport ein. Dafür ist der erste Mercedes mit seinen Siegen bei den Rennwochen von Nizza in den Jahren von 1901 bis 1903 ein ebenso eindrückliches Beispiel wie der Benz 200 PS Rekordwagen, der 1909 als erstes Landfahrzeug die magische Marke von 200 km/h überwindet und schnell den Beinamen „Blitzen Benz“ erhält. Viele große Erfolge werden in Frankreich erzielt, etwa der Sieg der DMG beim Grand Prix in Dieppe im Jahr 1908; zwei der damals noch konkurrierenden Fahrzeuge von Benz kommen auf die Plätze zwei und drei. Oder der historische Dreifachsieg der Daimler-Motoren-Gesellschaft beim Grand Prix in Lyon im Jahr 1914 – bis heute einer der größten Siege im Motorsport überhaupt.
Gemeinsame Rennsport-Kompetenz
Die Fusion der Daimler-Motoren-Gesellschaft mit Benz & Cie. im Jahr 1926 zur Daimler Benz AG schweißt auch die erfolgreichen Rennsportaktivitäten der beiden Marken zusammen. Dominiert wird diese Epoche der späten 1920er-Jahre von den Mercedes-Benz Kompressor-Sportwagen, die alle wichtigen Veranstaltungen gewinnen. Als „weiße Elefanten“ gehen vor allem die Fahrzeuge der legendären S-Reihe in die Motorsportgeschichte ein. Die Krönung folgt 1931 bei der strapaziösen Mille Miglia, die Rudolf Caracciola am Steuer der Kurzversion SSK mit einem spektakulären Sieg gewinnt.
Von den 1930er-Jahren bis 1955 – unterbrochen vom Zweiten Weltkrieg – dauert die Ära der Silberpfeile. Unter diesem Namen fassen die Markenhistoriker eine ganze Familie von Rennwagen, Rekordfahrzeugen und Rennsportwagen zusammen, die mit ihren silberfarbenen Karosserien, ihrer überragenden Technik und den historischen Siegen zum Mythos werden. Vor dem Krieg dominiert Mercedes-Benz mit den Silberpfeilen die europäischen Grand Prix, 1952 folgt der Wiedereinstieg mit dem 300 SL Rennsportwagen (W 194) und schließlich die zweifache Weltmeisterschaft der Formel 1 in den Jahren 1954 und 1955 mit dem W 196 R sowie der Sieg in der Sportwagen-Weltmeisterschaft mit dem 300 SLR (W 196 S) im Jahr 1955.
Angesichts der großen Herausforderungen, die sich durch die Entwicklung neuer Personenwagen ergeben, zieht sich die Stuttgarter Marke Ende der Saison 1955 für mehrere Jahre aus dem Motorsport zurück. Private Teams, unterstützt von Mercedes-Benz, führen die Motorsport-Tradition aber weiter und sind auf den internationalen Siegerpodien stark präsent. Hier setzen sehr unterschiedliche Fahrzeuge in diversen Wettbewerben mit ihren Siegen immer wieder deutliche Akzente: Anfang der 1960er-Jahre dominieren die „ Heckflossen“-Limousinen (W 111/112) sowie der 230 SL (W 113) die internationalen Rallyepisten. Aber auch das Luxuscoupé SLC (C 107) setzt Ende der 1970er-Jahre deutliche Ausrufezeichen, bevor das G-Modell 1983 die Rallye Paris–D akar gewinnt. Ebenso erfolgreich sind die schweren Mercedes-Benz Nutzfahrzeuge bei Rallyes, Marathon-Fahrten und bei der Truck Racing Europameisterschaft.
Neben diesen Renn- und Rennsportwagen entstehen immer wieder Rekordfahrzeuge. Einige basieren auf Forschungsfahrzeugen wie dem C 111 (C 111-II D von 1976 bis C 111-IV von 1979). Andere werden aus der Serie abgeleitet, wie 1983 der Mercedes-Benz 190 E 2.3-16, der im süditalienischen Nardò drei Weltrekorde und sowie neun Klassenrekorde einfährt.
Rückkehr auf die Rundstrecke
In den späten 1980er-Jahren kehrt Mercedes-Benz zurück in den Rundstrecken-Motorsport und gewinnt mit Gruppe-C-Rennsportwagen zwei Weltmeisterschaften. Parallel dazu treten die Stuttgarter in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) und später in der International Touring Car Championship (ITC) an. Insgesamt erringt Mercedes-Benz zwischen 1986 und 1996 drei Meister- und vier Vizemeistertitel. Seit 2000 fährt die Marke dann wieder in der neu organisierten DTM (Deutsche Tourenwagen Masters), mit Markensiegen in den Jahren 2000 bis 2003, 2005 und 2006, 2008 bis 2010 sowie 2018 und Fahrertiteln in den Jahren 2000, 2001, 2003 (jeweils Bernd Schneider), 2005 (Gary Paffett), 2006 (Bernd Schneider), 2010 (Paul di Resta), 2015 (Pascal Wehrlein) und 2018 (Gary Paffett). Höhepunkte sind die Jahre 2003 und 2010, als das Team jeweils einen Dreifachsieg erringt. Auf der Höhe des Erfolgs zieht sich Mercedes-Benz nach Ende der Saison 2018 aus der DTM zurück und fokussiert sich stattdessen auf das neue Engagement in der Formel E.
Nachdem die Stuttgarter in der Gruppe C und der DTM seit Ende der 1980er-Jahre große Erfolge gefeiert haben, steigt Mercedes-Benz in der Saison 1994 auch wieder in die Königsklasse des Motorsports ein, die Formel 1 – zunächst über die Teams Sauber-Mercedes und McLaren-Mercedes (von der Saison 1995 an). In dieser Zeit gewinnen Mika Häkkinen zwei (1998 und 1999) und Lewis Hamilton einen Weltmeistertitel (2008). Das Team West-McLaren-Mercedes wird 1998 Konstrukteursmeister. Dazu kommen zehn Vizemeisterschaften.
Eine neue Ära bricht im Jahr 2010 an: Mercedes-Benz kehrt mit einem eigenen Werksteam in die Formel 1 zurück und verpflichtet als Spitzenfahrer Michael Schumacher, der in der Saison 2013 von Lewis Hamilton ersetzt wird. Hamilton ist 2008 mit 23 Jahren der damals jüngste Weltmeister in der Formel-1-Geschichte und hat von 2007 bis 2012 insgesamt 21 Mal bei einem Grand Prix ganz oben auf dem Siegerpodest gestanden. Nico Rosberg feiert 2012 beim Rennen in Shanghai seinen ersten GP-Sieg mit einem Silberpfeil. Am Ende der Saison 2013 sichert sich das MERCEDES AMG PETRONAS Werksteam die Vizemeisterschaft der Konstrukteure.
Mit der Saison 2014 beginnt eine weitere Glanzzeit der Silberpfeile. Sie holen fünf Doppelsiege in Folge: MERCEDES AMG PETRONAS wird von 2014 bis 2018 jeweils Konstrukteursweltmeister der Formel 1. Die Fahrertitel gehen viermal an Lewis Hamilton (2014, 2015, 2017 und 2018) und einmal an Nico Rosberg (2016). Dazu kommen in dieser Zeit insgesamt drei Vizetitel der Fahrermeisterschaft für Nico Rosberg (2014 und 2015) sowie Lewis Hamilton (2016) und ein dritter Platz für Valtteri Bottas (2017).
125 Jahre Motorsport im Zeichen des Sterns: Die Markengeschichte von Mercedes-Benz ist untrennbar mit der Historie des Automobilrennsports verbunden. Und das sportliche Engagement zeigt sich im Rückblick immer wieder als Antrieb einer visionären Weiterentwicklung der Fahrzeugtechnik. So ist Motorsport auch immer eine rasante Fahrt in die Zukunft.
Die Daimler-Motoren-Gesellschaft und der Rennsport
Acht Jahre ist das Automobil erst alt, als es sich 1894 einem ersten öffentlichen Wettbewerb stellt. Das Kräftemessen wird von der französischen Zeitung „Le Petit Journal“ ausgeschrieben und führt von Paris 126 Kilometer weit nach Rouen. 21 Fahrzeuge werden zugelassen, 17 davon erreichen das Ziel. Die Erstplatzierten haben einen in Lizenz gebauten Daimler-Motor. Diese Konstruktion nach den Originalplänen Gottlieb Daimlers leistet 2,6 kW (3,5 PS) und ermöglicht eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20,5 km/h. Den ersten Platz teilt sich ein Fahrzeug der Brüder Peugeot mit einem Automobil von Panhard-Levassor. Auf die Plätze drei und vier kommen zwei weitere Peugeot, und als fünfter Wagen wird ein Roger-Benz mit 3,7 kW (5 PS) gewertet.
Auch in den Folgejahren erringen unterschiedliche, jeweils mit Daimler-Motoren angetriebene Fahrzeuge zahlreiche Siege. Das untermauert den guten Ruf der Spitzentechnik aus Stuttgart. Die Hersteller erkennen die publikumsträchtige Wirkung von Rennerfolgen. Sie beginnen, diese für den Verkauf ihrer Fahrzeuge zu nutzen. „Win on Sunday – sell on Monday“ setzt sich für viele Marken als kommunikatives Erfolgsrezept durch.
Zwischen Alltagsfahrzeugen und Rennsportwagen lässt sich zu dieser Zeit nicht scharf trennen. Denn seine Erfinder haben das Automobil zwar vor allem als pragmatisches Fortbewegungsmittel gedacht, bald wird es aber auch in öffentlichen Rennveranstaltungen eingesetzt. Auch umgekehrt gibt es eine direkte Verbindung, denn Erkenntnisse zur Verbesserung der Wettbewerbsautos fließen in die Serie ein. Das bleibt so bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts. Der erste Wettbewerb 1894 ist deshalb nicht nur der Beginn des Motorsports im modernen Sinne, sondern auch der Anfang von rasanten Fortschritten im Automobilbau.
Die erste Konkurrenz für Automobile mit Verbrennungsmotor ist zugleich eine Abschiedsveranstaltung für die ältere Dampftechnik: Als erstes Fahrzeug des Feldes geht 1894 zwar ein Dampfwagen von De-Dion-Bouton ins Ziel. Doch das Gefährt entspricht wegen seiner Schwerfälligkeit nicht dem Reglement und wird deshalb nur mit dem zweiten Platz ehrenhalber ausgezeichnet.
Unter den Tausenden, die das Rennen 1894 verfolgen, ist auch Gottlieb Daimler mit seinem Sohn Paul. Er beschreibt die Eindrücke des Tages später so: „Am frühen Morgen jenes Renntages waren mein Vater und ich in der Nähe der Porte Maillot bei Paris. Eine riesige Menge strömte herbei, um das in damaliger Zeit einzigartige Schauspiel, die Auffahrt der Wagen zum Rennen, sich anzusehen. […] Wir selbst – Paul Daimler und Gottlieb Daimler – begleiteten im Wagen das Rennen. Die verschiedenen Wagentypen machten einen eigenartigen Eindruck; man sah auf den schweren Dampfwagen Heizer, schweißtriefend, von Ruß überzogen, schwer arbeitend beim Aufschütten von Brennmaterial; man sah die Fahrer der kleinen Dampfdreiräder, dauernd den Druck und Wasserstand in dem kleinen, kunstvoll gefügten Röhrenkessel beobachtend und die Ölfeuerung regulierend; man sah im Gegensatz dazu die Fahrer der Benzin- und Petroleumwagen ruhig auf dem Lenksitz, hie und da einen Hebel betätigend, wie nur rein zum Vergnügen fahrend. Ein ganz eigenartiges Bild und mir unvergesslich.“
Im folgenden Jahr zeigt sich ein ähnliches Bild bei der Wettfahrt Paris–Bordeaux–Paris über 1.192 Kilometer, die als erstes reines Autorennen gilt: Unter den ersten acht Automobilen im Ziel sind erneut sechs mit Motoren nach Daimler-Lizenz ausgerüstete Wagen, außerdem zwei Benz-Fahrzeuge. 1896 erringen dann Wagen mit Daimler-Motoren auf der Strecke Paris–Marseille–Paris über 1.728 Kilometer einen Dreifachsieg mit durchschnittlich 25,2 km/h. Daimler-Motoren dominieren die frühen Wettfahrten in Frankreich immer wieder: Etwa 1897 bei Paris–Dieppe (Dreifachsieg) und Paris–Trouville (Sieg), oder 1898 bei Marseille–N izza (Dreifachsieg) und Paris–Bordeaux (Sieg von René de Knyff).
Die Ära Mercedes
Der Geschäftsmann und österreichische Generalkonsul Emil Jellinek bestellt 1897 seinen ersten Daimler-Wagen. 1898 ordert er zwei Daimler Phoenix 8 PS, die ersten Daimler-Automobile mit Vierzylindermotor. Jellinek verkauft die Automobile der DMG weiter, vor allem an die oberste Gesellschaftsschicht an der französischen Riviera. Das Geschäft blüht. 1899 liefert ihm die DMG zehn Fahrzeuge, 1900 sind es schon 29 Stück. Derweil fordert der Österreicher immer stärkere und schnellere Autos. Er meldet diese auch selbst zu Rennveranstaltungen an. Berühmt werden seine Teilnahmen an der Woche von Nizza, wo er als „Monsieur Mercédès“ auftritt – ein an den Vornamen seiner 1889 geborenen Tochter angelehntes Pseudonym. Im April 1900 wird „Mercedes“ zur Produktbezeichnung, als Jellinek und die DMG eine Vereinbarung über den Vertrieb von Wagen und Motoren treffen und Daimler die Entwicklung eines neuen Motors namens „Daimler-Mercedes“ zusagt.
Das erste mit dem neuen Motor ausgerüstete Automobil, ein Mercedes 35 PS, wird am 22. Dezember 1900 ausgeliefert. Das Fahrzeug ist ein früher Höhepunkt in der Entwicklung des modernen Automobils: Es hat einen 5,9 Liter großen Vierzylindermotor, dessen Leistung von beachtlichen 26 kW (35 PS) eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ermöglicht. Dazu kommen Merkmale wie niedriger Schwerpunkt, Pressstahlrahmen, die leichte Bauweise des Motors und der revolutionäre Bienenwabenkühler in der Front – ein Element, welches das Erscheinungsbild der Stuttgarter Marke in modernisierter Form bis heute prägt.
Die Mercedes-Automobile beherrschen die Rennwoche von Nizza im März 1901: Unter anderem gewinnt Wilhelm Werner das Rennen Nizza–S alon–Nizza über 392 Kilometer mit einem Durchschnitt von 58,1 km/h. Auch das Bergrennen Nizza–La Turbie dominiert Werner in der Klasse der zweisitzigen Wagen, gefolgt von Albert „ Georges“ Lemaître mit einem zweiten Mercedes 35 PS. Zudem stellt Claude Lorraine-Barrow bei einem Rekordversuch über eine Meile (1.609,34 Meter) bei stehendem Start mit 79,7 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit einen neuen Weltrekord auf.
Publikum und Fachleute sind begeistert. Der Mercedes wird zum Vorbild einer neuen Ära des Automobilbaus. Jeder, der es sich leisten kann, will einen solchen Wagen besitzen. Kunden aus allen Teilen Europas senden ihre Bestellungen an die DMG und akzeptieren lange Lieferzeiten. Paul Meyan, Generalsekretär des französischen Automobil-Clubs, erkennt die neue Vormacht der deutschen Marke. Überliefert ist von ihm die Einschätzung „Nous sommes entrés dans l’ � ère Mercédès“ („Wir sind in die Ära Mercedes eingetreten“) zu den Folgen der Rennwoche von Nizza 190. Und Meyan soll Recht behalten. Denn auch in den Jahren 1902 und 1903 dominieren die Stuttgarter mit der Weiterentwicklung des Mercedes 35 PS – dem Mercedes-Simplex 40 PS – das Renngeschehen an der französischen Riviera rund um Nizza.
1903: Gordon-Bennett-Sieg in Irland
Der von Wilhelm Maybach konstruierte Mercedes-Simplex 40 PS leistet 29,4 kW (40 PS). Er ist konsequent auf mehr Leistung, einfachere Bedienung und größere Zuverlässigkeit ausgelegt. Auf diesem neuen Rennwagen erzielt unter anderem Graf William Eliot Zborowski den zweiten Platz in der Klasse der schweren Wagen bei der Fernfahrt Paris–Wien im Juni 1902. Das Teilstück Paris–Innsbruck gilt zugleich als dritter Wettbewerb in der Reihe der Gordon-Bennett-Rennen. Das ist seinerzeit die wichtigste Wettbewerbsserie im internationalen Automobilrennsport, ins Leben gerufen vom amerikanischen Verleger James Gordon Bennett. Von den Gordon-Bennett-Rennen geht Anfang des 20. Jahrhunderts die Tradition der Nationalfarben für Rennwagen aus: Die DMG startet für Deutschland mit weiß lackierten Fahrzeugen. Weitere Farbgebungen, die sich in diesen Jahren etablieren, sind Grün für England, Rot (anfangs Schwarz) für Italien, Blau für Frankreich, Schwarz-Gelb für Österreich-Ungarn und Rot-Gelb für die Schweiz.
Mit dem Gordon-Bennett-Rennen in Irland beginnt 1903 die Ära der Rundstreckenrennen. Hier will die DMG mit der neuen Generation der Mercedes-Simplex starten, und zwar mit der stärkeren Variante, deren Motor 66 kW(90 PS) leistet. Das Fahrzeug wird eigens für den Wettbewerbseinsatz gebaut. Die neuen Mercedes 90 PS Rennwagen fallen jedoch im Juni 1903 in Cannstatt einem Großbrand im Werk zum Opfer. An den Start in Irland gehen deshalb drei Mercedes-Simplex 60 PS, die sich die DMG von sportlich ambitionierten Privatkunden ausleiht – und der Belgier Camille Jenatzy siegt mit einem Durchschnittstempo von 79,2 km/h.
Als Folge des Daimler-Triumphs wird das nächste Gordon-Bennett-Rennen 1904 in Deutschland ausgetragen. Auf einem Rundkurs bei Homburg im Taunus siegt der französische Fahrer Léon Théry auf Richard-Brasier. Camille Jenatzy erringt auf seinem Mercedes 90 PS Rennwagen – fast baugleich mit den beim Feuer 1903 zerstörten Fahrzeugen – den zweiten Platz. Baron de Caters auf einem zweiten Mercedes kommt auf Platz vier ins Ziel.
Nachdem der Sieg 1903 an die Stuttgarter gegangen ist, stößt das Rennen in Frankreich zunehmend auf Kritik, weil das Reglement für jede Nation nur die Teilnahme von drei Rennwagen zulässt. Frankreich sieht sich dadurch benachteiligt, da allein sechs oder sieben französische Hersteller als mögliche Favoriten auf den Sieg gelten. Nach lang anhaltenden Querelen in den Jahren 1904 und 1905 gibt der Automobile Club de France 1905 bekannt, das Gordon-Bennett-Rennen in diesem Jahr zum letzten Mal auszurichten und zukünftig eine neue Veranstaltung ins Leben zu rufen, den Grand Prix de l’Automobile Club de France. Der Große Preis von Frankreich löst damit die Gordon-Bennett-Rennen als wichtigste internationale Motorsportveranstaltung ab.
1908: Sieg beim Grand Prix von Frankreich
Für die erfolgsverwöhnte Stuttgarter Mannschaft ist das schlechte Abschneiden bei diesem Grand Prix in den Jahren 1906 und 1907 Ansporn genug, um im Jahr 1908 nichts mehr dem Zufall zu überlassen. Die gute Vorbereitung zahlt sich aus: Am 7. Juli 1908 gewinnt Christian Lautenschlager auf dem neuen Grand-Prix-Rennwagen Mercedes 140 PS das prestigeträchtigste Rennen dieser Jahre. Beim Grand Prix von Frankreich siegt er vor zwei Benz-Fahrzeugen. Auf dem 77 Kilometer langen, über öffentliche Straßen führenden Rundkurs bei Dieppe müssen zehn Runden mit insgesamt 769,88 Kilometern zurückgelegt werden. 48 Autos nehmen teil, davon kommen neun aus Deutschland – je drei Benz, Mercedes und Opel. Natürlich will Frankreich vor einer spektakulären Kulisse aus rund 300.000 Zuschauern seine Rolle als „ Grande Nation“ des Motorsports mit diesem Rennen unterstreichen. Stattdessen gibt es einen Dreifachsieg der deutschen Rennwagen.
Die Reifen an den Mercedes-Fahrzeugen werden hart hergenommen, allein der spätere Sieger Christian Lautenschlager auf dem Grand-Prix-Rennwagen Mercedes 140 PS verzeichnet 22 Reifenwechsel während des Rennens. Trotz der ungünstigen Bedingungen fährt er nach 6 Stunden, 55 Minuten und 43 Sekunden als Erster ins Ziel, knapp 9 Minuten vor Victor Hémery und René Hanriot, beide auf Benz. Lautenschlagers Durchschnittsgeschwindigkeit über die Gesamtdistanz beträgt eindrucksvolle 111,1 km/h. Die schnellste Runde legt sein Teamgefährte Otto Salzer in 36 Minuten und 31 Sekunden zurück, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 126,5 km/h entspricht. Die „Allgemeine Automobil-Zeitung“ schreibt dazu in ihrer Ausgabe Nr. 29/1908: „Wunderbar zu sehen, wie die Mercedes auf der Strecke liefen.“
Der Motor des Grand-Prix-Rennwagens hat zwei unten liegende Nockenwellen, oben hängende Einlassventile und seitlich stehende Auslassventile. Er folgt dem von Wilhelm Maybach entwickelten Konzept, nach dem die Daimler-Rennsportmotoren der Jahre 1903 bis 1906 konstruiert sind. Aus 12,8 Liter Hubraum leistet der Motor 99 kW (135 PS) bei 1.400/min. Das Siegerfahrzeug von Dieppe ist 1908 auch Basis des Semmering-Rennwagens Mercedes 150 PS, auf dem Otto Salzer beim ersten Einsatz das zehnte Semmering-Rennen am 20. September 1908 in der Klasse der Rennwagen ohne Beschränkung gewinnt.
Der Grand Prix von Frankreich von 1908 ist die Geburtsstunde des modernen Formel-Rennsports. Nach dem für Frankreich enttäuschenden Ausgang des Rennens – unter den ersten zehn Plätzen sind nur zwei französische Wagen – und der Dominanz der deutschen Rennwagen kommt es allerdings zu einem Boykott des Grand Prix in den folgenden Jahren. Frankreich richtet nach der Absage des Grand Prix 1909 erst 1912 wieder einen Großen Preis aus. Die DMG lässt in dieser Zeit zwar keine Werksmannschaften mehr bei Rennen starten, baut aber weiterhin für private Interessenten hochkarätige Rennwagen – beispielsweise den 1911 vorgestellten Mercedes Rennwagen 37/90 PS mit 9,5-Liter-Vierzylindermotor. In den Jahren 1911 bis 1913 erringen zwei dieser Wagen mit Spencer Wishart und Ralph DePalma am Steuer zahlreiche Rennerfolge in den USA. Beide Exemplare haben Holzspeichenräder und sind mit einer spitz zulaufenden Kühlerverkleidung ausgerüstet.
1914: Dreifach-Triumph beim Grand Prix von Frankreich
Den Erfolg von 1908 übertrifft Mercedes mit einem Dreifachsieg von Christian Lautenschlager, Louis Wagner und Otto Salzer beim Grand Prix von Frankreich 1914, der auf einem 37,6 Kilometer langen Rundkurs südlich von Lyon ausgetragen wird. Erstmals sieht ein Reglement eine Hubraumbegrenzung mit einem Limit von 4,5 Litern vor. Die DMG tritt mit dem neuen Mercedes Grand-Prix-Rennwagen an. Er hat einen völlig neu konstruierten Vierzylindermotor mit oben liegender Nockenwelle und vier Ventilen pro Zylinder – Premiere in einem Mercedes-Motor. Der Rennmotor mit Kardanantrieb leistet bis zu 78 kW (106 PS) bei der revolutionär hohen Drehzahl von 3.100/min.
Am 4. Juli 1914 startet das Mercedes-Team nach intensiver Vorbereitung mit fünf dieser Wagen gegen eine vermeintlich übermächtige Konkurrenz. 20 Runden über gut 750 Kilometer sind auf dem schwierigen Kurs zurückzulegen. Christian Lautenschlager, Louis Wagner und Otto Salzer erringen nach mehr als sieben Stunden einen triumphalen Sieg, der den Erfolg des Jahres 1908 noch einmal deutlich übertrifft: Es ist der erste Dreifachsieg für Mercedes. Mit diesem herausragenden Ergebnis setzt sich Mercedes an die Spitze des internationalen Renngeschehens.
Während der Erste Weltkrieg weitere Rennaktivitäten in Europa beendet, läuft zumindest ein Grand-Prix-Wagen von 1914 in Amerika weiter: Ralph DePalma kauft einen der Siegerwagen und erringt damit von 1914 bis 1916 zahlreiche Erfolge in den USA. Das spektakulärste Ergebnis ist der Sieg bei den 500 Meilen von Indianapolis am 31. Mai 1915. Nach dem Krieg startet ein modifizierter 4,5-Liter-Wagen auch in Europa wieder bei einigen Rennen. Besonders erfolgreich ist dabei Graf Giulio Masetti, der 1921 und 1922 einige Rennen in Italien für sich entscheidet, unter anderem die Targa Florio 1922.
1921: Neustart nach dem Ersten Weltkrieg
Nach Kriegsende 1918 nimmt Mercedes die Rennaktivitäten unter schwierigen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen wieder auf. Eine Zäsur sind die Einschränkungen für deutsche und österreichische Fahrer bei wichtigen Rennen wie dem Grand Prix von Frankreich. Das erste Wettbewerbsfahrzeug, der Daimler-Motoren-Gesellschaft nach 1918 ist der Mercedes 28/95 PS Rennsport-Tourenwagen von 1921. Er ist keine völlige Neuentwicklung, sondern baut auf dem Mercedes 28/95 PS Sport-Tourenwagen von 1914 auf. Sein neuer Motor hat unter anderem paarweise gegossene Zylinder.
Auf diesem Wagen erringt Mercedes 1921 erste Erfolge: Otto Salzer erzielt auf einem Sportzweisitzer mit verkürztem Radstand beim 5,6-Kilometer-Bergrennen Königsaal–Jilowischt bei Prag die beste Zeit und stellt einen neuen Streckenrekord auf. Bei der Targa Florio in Sizilien belegt Werksfahrer Max Sailer im Mai den zweiten Platz im Gesamtklassement und gewinnt die Coppa Florio, den für den schnellsten Serienwagen bestimmten Preis. Wie damals üblich, fährt Sailer den Rennwagen auf eigener Achse nach Sizilien. 1922 kehrt er mit dem Mercedes 28/95 PS zurück zur Targa Florio. Die Motorleistung wird erstmals von einem Kompressor auf 103 kW (140 PS) gesteigert: Erfahrungen, welche die DMG während des Krieges mit der mechanischen Motoraufladung gesammelt hat, kommen nun den Rennwagen aus Stuttgart zugute. Sailer siegt in der Klasse der Serienwagen über 4,5 Liter und belegt Platz sechs der Gesamtwertung. Der Gesamtsieg des strapaziösen Rennens geht an den italienischen Privatfahrer Graf Guilio Masetti – ebenfalls auf Mercedes.
Targa Florio 1924: Eine Marke siegt rot
1923 wird Ferdinand Porsche, zuvor bei Austro-Daimler in Wien tätig, neuer Mercedes-Chefkonstrukteur. Auf der Basis bestehender Fahrzeuge entwickelt er den Rennwagen für die Targa Florio im April 1924 – einen vielversprechenden Anwärter auf den Sieg. Im Januar 1924 senden die Stuttgarter zwei Fahrzeuge nach Sizilien. Der spätere Siegerwagen ist nicht weiß, sondern rot lackiert. Das ist keine freundliche Geste gegenüber den Gastgebern, sondern schlaue Taktik: Weil das Publikum die Rennwagen anderer Nationen von fern an der Farbe erkennt, werfen manche Zuschauer Steine auf missliebige Konkurrenten.
Christian Werner siegt in dem strapaziösen, 540 Kilometer langen Rennen. Christian Lautenschlager kommt auf Platz zehn, und ein neuer Rennfahrer im DMG-Team erreicht den 15. Rang: Es ist der 33-jährige Alfred Neubauer, der Ferdinand Porsche aus Wien nach Untertürkheim gefolgt ist. Neubauer wird später in der Rolle des Rennleiters Motorsportgeschichte schreiben. „Dieser Sieg bedeutet zugleich einen Erfolg des Kompressormotors“, erklärt das Mercedes-Pressebüro kurz nach dem Rennen. Tatsächlich markiert die Targa Florio den Beginn einer neuen Motorsport-Ära. Der Kompressor wird zur Standardtechnik der Mercedes-Rennwagen und bleibt bis 1939 ein Garant für viele großartige Siege. Nach der Targa Florio wird der Wagen noch bei anderen Rennen eingesetzt. Für Sprint- und Bergrennen lässt sich Otto Salzer in das Fahrgestell sogar einen 4,5-Liter-Motor des Grand-Prix-Wagens von 1914 einbauen, der zusätzlich noch mit einem Kompressor bestückt wird. Mit der „ Großmutter“, wie Salzer das Ungetüm nennt, siegt er unter anderem im September 1924 beim 13. Semmering-Rennen.