Der Mercedes-Benz 630K Sports-Tourer, Baujahr 1927, Chassis Nr. 32019, Motor Nr. 60434, Aufbau v. “Thomas Harrington Ltd.”
Der Erstbesitzer ist unbekannt, allerdings ist sicher, dass der Wagen an den angesehene Karosseriebauer Thomas Harrington Ltd. in Brighton geliefert wurde, wo er die sportliche viersitzige „Drophead-Coupé“ – Karosserie erhielt, die sich unverändert heute noch auf dem Fahrgestell befindet.
Der Wagen überstand die Jahre des Zweiten Weltkriegs; er soll im Laufe der Jahre danach im Besitz mehrerer prominenter britischer Sammler gewesen sein.
Bis 1953 war er im Besitz eines A.B. Kensington, und laut Notizen des Gründers und damaligen Präsidenten des englischen Mercedes-Benz Clubs Ronald H. Johnson, der den stillgelegten Wagen in Weybridge am 25. Juli 1953 in Augenschein nahm, fehlten zu dieser Zeit Teile am Wagen und sein Zustand wurde als marode beschrieben…
Als nächstes sind die Angaben ein wenig widersprüchlich: Nachweislich wird der Wagen am 29. November 1953 an den Amateur-Sportwagenrennfahrer D.E. Howard in London W1 wohnhaft, verkauft, der ihn abschleppen ließ.
Die Webseite des „Audrain Automobile Museums in Newport (RI)“ besagt jedoch, dass der Wagen – offensichtlich restauriert – am 4. Juli 1953 in London am Concours d’ Elégance des Mercedes-Benz Club, mit D.E. Howard am Steuer, teilnahm, und als bestes Automobil in seiner Klasse ausgezeichnet wurde. Das ist etwas seltsam für ein Auto, dessen Zustand am 25. Juli 1953 als miserabel bezeichnet wurde, und in dessen Fahrzeugschein vom 29. November 1953 steht, dass es „vor 1953 viele Jahre lang in Weybridge abgestellt war“.
Baldeck, Grafschaft Hertfordshire, nördlich von London. Das 630K Sport Cabriolet Harrington – einschließlich eines Fotos des Wagens – wurde zusammen mit anderen Fahrzeugen in einer Zeitungsanzeige des Londoner Händlers Mike Carter Sales Ltd. auf der 16. „Alexandra Palace Auktion“ am 9. Juni 1978 zum Verkauf angeboten, und an einen in Thailand ansässigen Bieter versteigert. Es wurde dann nach Bangkok verschifft, wo es bei seiner Ankunft sofort vom Zoll beschlagnahmt und eingelagert wurde.
Könnte es sein, dass Herr Chinawongwatana kurz nachdem der Wagen in seinen Besitz gelangte – und nachdem das 630K Coupé in Bangkok der besagten zwei- bis dreijährigen Restaurierung unterzogen worden war – den in Bangkok beheimateten Wagen über den Londoner Händler William Loughran Ltd. zum Verkauf anbot?
Oder diente die Anzeige im „Motor Sport Magazine“ lediglich dazu, den Markt zu testen, um den Marktwert des Wagens zu ermitteln? Bestand tatsächlich die Absicht, den Wagen zu verkaufen?
Wie es auch immer gewesen sein mag, das 630K „Drophead Coupé by Harrington“ blieb nachweislich bis
mindestens 2003 in Thailand. Im „Kienle-Reisen“–Heft Nr. 3 von 2002 erscheint nämlich ein Bericht, einschließlich Bildern, über eine Reise im April 2002 vom bekannten Restaurator Klaus Kienle und seinem
Sohn Alexander nach Bangkok. Sie waren dort auf Einladung von Kobsak Chinawongwatana, zwecks Begutachtung des Mercedes-Benz 630K Harrington aus dessen Oldtimer-Sammlung.
Der Befund war, dass der Wagen zwar nahezu vollständig, aber völlig verwittert, sprich marode, war. Nichts war funktionsfähig, und eine komplette Restaurierung von Grund auf notwendig. Zwar war bereits ein Restaurierungsversuch begonnen worden, es stellte sich aber schnell heraus, dass vor Ort weder die notwendigen Aggregate noch die Fähigkeiten vorhanden waren, um eine komplette Restaurierung, wie sie notwendig gewesen wäre, vorzunehmen; und so wandte sich Mr. Chinawongwatana an die Kienle Automobiltechnik GmbH in Ditzingen. (die, das sei am Rande vermerkt, infolge ihres Bankrotts seit dem 1. Februar 2024 von der Mercedes-Benz Heritage GmbH übernommen wurde.)
Im Anschluss an die Restaurierung wurde der Wagen zum Prachtstück einer befristeten Ausstellung von Klassikern im „Seacon Square“, einem der großen Einkaufszentren Bangkoks.
Der abgesehen von seinen roten Felgen ursprünglich ziemlich schmucklose Wagen hatte nach seiner
Restaurierung zwar seinen schwarzen Lack beibehalten, glänzte aber nun im Rampenlicht dank neuer Chromleisten und zuvor nicht vorhandener verchromten Radabdeckungen über den nicht mehr roten, sondern ebenfalls verchromten Drahtfelgen.
Nach dem Kauf in den späten 2000er Jahren durch die „Symbolic Motor Car Company“, wurde der Wagen in die Vereinigten Staaten importiert. Vom Mercedes-Benz Classic Center generalüberholt, wird er zum Verkauf angeboten.
2009 war der Wagen im Besitz der „Blackhawk Collection“ in Danville, Kalifornien. Anlässlich der Pebble Beach Auktion am 16. August 2009 wurde der Wert des Wagens von Gooding & Company auf zwischen USD 600,000 und USD 800,000 geschätzt, er blieb allerdings unverkauft.
Im Jahre 2010, am 13 August, wurde der Wagen, diesmal bei der von Bonhams präsentierten Auktion „Exceptional Motorcars and Automobilia“, abermals zum Verkauf angeboten. Die Schätzung für den Verkauf des Wagens lag nun bei USD 450.000 bis USD 550.000. Leider blieb das Auto abermals unverkauft. Er erreichte nicht einmal die Mindestpreisvorstellung.
Während der 43. jährlichen Scottsdale Auktion wurde Anfang Januar 2014 der 630K mit Harrington Aufbau vom Barrett-Jackson-Auktionshaus erneut angeboten, und für USD 715,000 versteigert.
Ein Einblick in die öffentlich zugänglichen Steuererklärungen des Unternehmens bei der US-amerikanischen Steuerbehörde IRS, zeigt, dass das ‚Audrain Automobile Museum‘ am 17. September 2014 für das Publikum eröffnet wurde.
Der Status des Museums wurde auf Antrag von Mr. Schorsch in eine gemeinnützige Organisation umgewandelt, die ab März 2015 vom IRS den Status der Steuerfreiheit bewilligt bekam.
Am 17. August 2017 nahm der 630K am Concours d’ Elégance von Pebble Beach, Kalifornien, teil. Das Auto wurde vom Audrain Museum zum Wettbewerb angemeldet, und von Nicholas Schorsch gefahren. Der 2017 in Pebble Beach vorgestellte schwarz lackierte Wagen wurde für den Elégance-Wettbewerb 2024 in Pebble Beach erneut angemeldet, dieses Mal in einer anderen Lackierung.
Inzwischen war er nämlich erneut restauriert worden, und bei dieser Gelegenheit sollen am Wagen Überreste des Originallacks, einem grün, entdeckt worden sein. Entsprechend wurde das 630 K Harrington Coupé im gleichen Grünton lackiert. Gleichzeitig wurden die roten Sitze und der Innenraum ebenfalls neu mit einem der Farbe der Karosserie angepasstem dunkelgrünem Leder bezogen. Zwar wurden die Chromabdeckungen der Räder
beibehalten, sämtliche andere Chromleisten und -Dekorationen wurden hingegen entfernt. Ebenfalls wurde ein neues Verdeck installiert. Ursprünglich schwarz, wurde anlässlich der neuen grünen Lackierung des Wagens nun ein dunkles Beige gewählt.
So erschien das 630K Drophead Coupé beim Pebble Beach Concours d’Elégance 2024, und wurde mit einem grünen Rosettenband ausgezeichnet.
Was hat es mit diesen in Pebble Beach vergebenen Rosettenbändern auf sich? Diese Bänder wurden 1998 als Auszeichnungen geschaffen, nachdem beschlossen worden war, in die Tage des Pebble Beach Concours eine etwa 70 Meilen lange Tour durch die kalifornische Landschaft einzubauen, die also etwas mehr als 112,50 Kilometer lang ist, teils als „Fahrprüfung“, teils als geselliger Ausflug (am Ende des Ausflugs wartet der Champagner!), und die auch eine wichtige Tatsache bestätigen sollte: Automobile sind nicht nur Schönheitsobjekte, sie werden benutzt, um Menschen von einem Ort zum anderen zu bringen. Obwohl die Teilnahme an diese Tour freiwillig ist, nehmen jedes Jahr ca. 80% der anwesenden Wagen an diese Fahrt ins Grüne teil, und jedes Fahrzeug, egal wie jung oder wie alt, das die Strecke aus eigener Kraft absolviert, erhält als Zeichen der Anerkennung ein grünes Rosettenband für seine erfolgreiche Teilnahme. Daneben gibt es noch ein blaues, ein weißes, ein rotes und ein gelbes Band für verschiedene andere Auszeichnungen.
Der 630K Sport Tourer mit Aufbau von Harrington ist in diesem Jahr 2025 noch immer im Besitz des Audrain Automobile Museum, leider aber, laut Auskunft am Telefon zurzeit nicht ausgestellt.
Zum Schluss:
- Der Mercedes-Benz 630K „Harrington“ erhielt zunächst das amtliche Kennzeichen YT8. Diese Nummer bezieht sich auf die City of London. Später erhielt er das Nummernschild CW7417, das von der Stadt Burnley (Lancashire) ausgegeben wurde.
- Später wurde das Kennzeichen in VTO314 geändert, das von der Stadt Stoke-on-Trent (Staffordshire) ausgegeben wurde.
- Schließlich landete der Wagen irgendwie in der Stadt Weybridge (Surrey) in der Nähe von Brooklands.
- (All dies geschah vor dem Aufenthalt des Autos in Thailand und seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten.)
Quellen (Text und/oder Fotos): Markus Kern – MKT, Symbolic International, Kienle-Reisen, The Newport Daily News, Providence Public Library, Motor Sport Magazine, Daniel Vaughan, Conceptcarz, Gooding & Company, Bonhams, Barrett-Jackson, Pebblebeachconcours.net, Audrain Automobile Museum, IRS.gov (FTI open source).
Nun zum Modell:
Das ILARIO Modell in 1:43 des Mercedes-Benz 630K „Sport Tourer“ bzw. „Drophead Coupe”, 1927, mit Aufbau von Harrington. Wie eigentlich kaum anders zu erwarten, hat Ilario erneut ein hervorragendes 1:43 Modell des Vorbilds geschaffen, nahezu perfekt in allen Einzelheiten. Heute einer der Besten unter den Besten, (EMC-Modelle, von W. Pivtorak, ist leider durch den Krieg in der Ukraine mehr als nur ein wenig behindert), stellt Ilario mit Vorliebe Modelle von Tourern und Cabriolets her, die es erlauben, in 1:43 einen akribisch genauen Innenraum widerzugeben, insbesondere natürlich, wenn der Wagen offen dargestellt wird.
So ist auch dieses Mal der 1:43er Mercedes 630K Drophead Coupé bzw. Sport Tourer von 1927, mit Aufbau von Harrington in Brighton (England), ab sofort in der offenen Ausführung erhältlich. Gewählt für das Modell wurde der Wagen, so wie er 1927 von der „Harrington Coachwork“ in Brighton geliefert wurde.
Einer der Punkte, die diesen Wagen auch als Modell interessant machen, ist, dass der 630K Sport Tourer anscheinend der einzige Mercedes blieb, der je von Harrington eine maßgeschneiderte Karosserie erhielt. Lediglich 30 Exemplare dieses Mercedes 630K „Harrington”-Modells wurden hergestellt. Wer also nicht leer ausgehen möchte, der weiß, was zu tun ist.