Der Mercedes-Benz 400V (W147) Prototyp (1938) – in 1:43
Hätte die Geschichte der 1930er Jahre einen anderen Verlauf genommen, wäre es durchaus realistisch anzunehmen, dass der Mercedes, den wir heute nur unter der Bezeichnung 400V (W147) kennen, in Produktion
gegangen wäre. Hierfür waren wohl eine Limousine und ein Cabriolet oder Tourenwagen geplant. So wie es aussieht, haben wir jedoch nur etwa sechs Fotos von diesem Auto, die höchstwahrscheinlich nur einen Prototyp
zeigen.
Die Geschichte dieses geplanten Luxusautos begann 1934 mit der Arbeit von Hans Gustav Röhr, dem technischen Direktor von Daimler-Benz. Er hatte das Auto entworfen, erlebte jedoch die Fertigstellung der Prototypen nicht mehr. Einer der ersten Prototypen, die Hans Gustav Röhr dem Vorstand von Daimler-Benz präsentierte, war 1935 – ein Jahr nach seiner Anstellung – den Mercedes 130VB (W144), ein Versuchswagen mit Frontantrieb, mit einem Vierzylinder-Boxermotor, ein „zukunftsträchtiges Konzept“, wie es im 2019 erschienenen Buch „Röhr – die Automobilkonstruktionen von Hans Gustav Röhr und Joseph Dauben“, geschrieben vom Röhr-Spezialisten Werner Schollenberger, heißt.
Bislang wurde immer angenommen, es wären 5 bzw. 6 Exemplare dieses Prototypens gebaut worden, der Historiker und Mitglied der Automobilhistorischen Gesellschaft Deutschlands Werner Schollenberger geht allerdings von fünfzig bis Mitte 1937 entstandenen Wagen aus, die durch und durch getestet wurden. Ob sechs oder fünfzig, kein einziger dieser Prototypen blieb erhalten.
Parallel zu dem 4-Zylinder 35 PS starken 130VB (W144) arbeitete Röhr und sein Team an der Entwicklung eines 6 Zylinder, 50 PS starken Typen 190 VB (W145). Gleichzeitig befasste sich Röhr mit der Entwicklung des 8 Zylinder, 2,6 Liter, 70 PS starken Mercedes 260 VB (W 146), ein Wagen der oberen Mittelklasse. Nebst anderen technischen Neuerungen, wie u.a. hydraulische Bremsen, Fünfganggetriebe, Lenkradschaltung,
Zahnstangenlenkung, war all diesen Wagen bzw. Prototypen der Boxermotor und der Frontantrieb gemein.
Schließlich entwickelte er 1937 auch den Typen 400V (W147), einen völlig konventionell ausgelegten Wagen der Oberklasse, mit V-8 Motor, der eine Leistung von 105 PS aufwies, Hinterradantrieb, Viergang-Schaltung, Schalthebel wie üblich in der Mitte, usw. Es ist nicht klar, aber wahrscheinlich wurde beim 400V auch der Frontantrieb getestet.
Von dem W147 Prototypen sollen 6 Versuchswagen gebaut worden sein, mit der Bezeichnung 400 VMS (W161/ M147), mit 105 PS Leistung. Ebenso 8 Versuchswagen vom Typen 400 VM (W160/ M160) mit 110 PS Leistung.
Möglicherweise waren es aber auch sechs 400 V (W147) , ein 400 VM (W160) und ein 400 VMS (W161), acht Versuchswagen insgesamt also.
Es ist bedauerlich, dass der Vorstand von Daimler-Benz, der in technischen Fragen und bei der Modellpalette eher konservativ war, den hochinnovativen Chefkonstrukteur der Adlerwerke AG. Hans Gustav Röhr, seit seiner Einstellung 1934 bei Daimler-Benz nie wirklich akzeptierte.
Röhr wurde nach dem plötzlichen Tod von Hans Nibel, der 1934 an einem Herzinfarkt starb, von Emil Georg von Stauss, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank und ebenfalls Mitglied des Vorstands von Daimler-Benz, über die Köpfe des gesamten Vorstands hinweg eingestellt. Es scheint, als ob das Verhältnis zwischen Röhr und dem Vorstand von Anfang an kompliziert war, man liest bei Werner Oswald z.B. vom anfänglichen Widerstand Dr. Wilhelm Kissels, und andererseits den, wie es heißt, erheblichen Forderungen Röhrs (was auch immer diese Forderungen gewesen sein mögen). Zudem fühlten sich die bisherigen leitenden Ingenieure von Röhr und seinem „mitgebrachten Team“ übergangen.
Auch spielte die Politik mit: Röhrs Ehe mit Marguerite, einer Französin, deren klar geäußerte Ansichten über die deutsche Regierung in den 1930er Jahren nicht wirklich zu seinen Gunsten wirkten. Er wurde als Sicherheitsrisiko eingestuft, zwar wurde er bei Daimler-Benz Technischer Direktor, er konnte allerdings nicht dem Vorstand angehören. Folglich wurde er ebenfalls von sämtlichen Rüstungsprojekten ausgeschlossen, und durfte ausschließlich im „zivilen“ Bereich tätig sein. Schließlich stieß Röhr und sein Team bei Daimler-Benz mit der Entwicklung seiner zukunftsweisenden Modellreihe mit Frontantrieb auf ungewohnte Grenzen: Zu viel Innovation schien nicht jedem bei Daimler geheuer gewesen zu sein!
All dies erklärt, warum er, der Technische Direktor und Nachfolger des verstorbenen Hans Nibel, auf Schritt und
Tritt nicht nur auf Widerstand stieß, aber auch warum seine Entwicklungen und Projekte, mit Ausnahme des 400V (W147), vom Vorstand abgelehnt wurden, und warum sämtliche seiner Prototypen und Unterlagen nach seinem plötzlichen Tod an einer Lungenentzündung im August 1937 alsbaldig von Daimler-Benz verschrottet und vernichtet wurden.
Laut Werner Schollenberger – wurden „mutmaßlich alle Prototypen verschrottet und fast sämtliche Unterlagen vernichtet. Im Mercedes-Archiv sind dafür keine Belege, was aber nicht heißen muss, dass sie aktiv vernichtet wurden…“ Soweit es das Mercedes-Benz Archiv betrifft, existieren außer den wenigen bekannten Bildern keine weiteren Unterlagen zum 400V (W147) .
Aber lesen wir, was AutoCult uns auch über diesen Mercedes 400V (W147) Prototyp erzählt:
Das Modell: AutoCult ist dank der bekannten Abmessungen und Aufnahmen eine hervorragende Umsetzung des Prototyps zu einem 1:43 Modell des Mercedes 400V Limousine gelungen, das jetzt in seiner Serie der „Prototypen“-Modelle herausgekommen ist. Auch dies wieder ein außergewöhnliches Modell, das jeder Sammler als eine Besonderheit in seiner Vitrine haben sollte.
Aber lesen wir einmal, was AutoCult über diesen Mercedes 400V-Prototypen aussagt:
Der Mysteriöse: Wenn der Daimler-Konzern auf seiner eigenen Homepage aktuell nur stichpunktartige Daten veröffentlicht, die 1938 zu einem Prototyp gehörten, sagt dies schon alles über die spärliche Informationslage aus, die heute erhältlich ist! Konkret handelt es sich dabei um geplanten W 147, als Typ 4 beziffert. Auf das Jahr 1938 werden die insgesamt sechs aufgebauten Fahrzeuge datiert, wobei nicht bekannt ist, ob alle davon fahrbar waren. Es existieren Fotos von im Werk aufgenommenen Limousinen, die den Eindruck erwecken, als wären es maßstäbliche, größere Modelle. Unzweifelhaft ist daran erkennbar, dass der Wagen über einen langen Radstand verfügt – von Mercedes-Benz ist darüber die Zahl von 3300 mm veröffentlicht. Ebenfalls gesichert ist, dass das Auto in die Rubrik der so genannten Oberklasse einzuordnen war. Mit einem V-8 Zylindermotor im Zylinderwinkel von 80 Grad und einem Hubraum von genau 4.003 cm³ standen über 100 PS auf dem Leistungsprüfstand zur Verfügung. Mit bis zu einem theoretischem Höchsttempo von 130 km/h wäre das Modell bestens geeignet gewesen für die Fahrt auf dem damaligen Prestigeprojekt der Autobahnen – auch wenn keinerlei aerodynamische Elemente am Design erkennbar sind, was wiederum darauf schließen lässt, dass der Wagen die bekannt konservativ geprägte Mercedes-Klientel ansprechen sollte. Es kann angenommen werden, dass der 400V mit zwei weiteren Varianten auf den Markt gebracht worden wäre, denn es ist bekannt, dass zwei Ableger mit Nuancen im Fahrwerk und Antrieb davon geplant waren, der 400 VM und 400 VMS.
Quellen:
Texte: Werner Oswald: Mercedes-Benz Personenwagen 1886–1986; Zwischengas (28-02-2021); AutoCult; W.Schollenberger („Röhr“); The Revs Institute
Bilder: of car prototypes: copyright Mercedes-Benz- Daimler AG.; of scale model prototype: copyright AutoCult;
Personen: copyright Bundesarchiv.
Hinweis: Alle Bilder des Modells im Maßstab 1:43 in dieser INFO wurden anhand eines Prototyps des Modells erstellt. Alle Bilder von tatsächlichen MB-Fahrzeugen: Copyright Mercedes-Benz. Vor der Serienfreigabe des Modells wurden alle erforderlichen Verbesserungen vorgenommen. Und der Mercedes Stern auf dem Kühler wurde auch nicht vergessen .