MBMC: Ein Fortsetzungs-Roman mit einem 500K in der Nebenrolle – Teil 6

Django auf der Flucht

Aus all diesen Gründen erwägt Django das Exil als Option. Auf Anraten anderer Musiker will er in die Schweiz gehen. Django nimmt seine Mutter und seine Frau mit. Ende September oder Anfang Oktober erreicht er den Kurort Thonon-Les-Bains unweit Evian und nahe der Schweizer Grenze, wo er eine Roma-Familie, die Hoffmans, kennt, die in der Savoy Bar traditionelle Zigeunermusik spielt.

Er, seine Frau und seine Mutter werden am Bahnhof von den Hoffmans empfangen, mit einem Freund, Charles Oeschger, einem 19-jährigen begeisterten Django-Fan. Sie nehmen Django und seine Familie auf und helfen ihnen sogar bei dem Versuch, die Grenze zur Schweiz zu überqueren. Sie brachten ihn mit einer Familie von Schrotthändlern in Kontakt, den Corfus, die in Gaillard, Frankreich, eine Metallfirma besaßen, aber in Genf wohnten. Ihr Lastwagen konnte, ohne allzu sehr behelligt zu werden, die Grenze überqueren. Am Abend der geplanten Grenzüberquerung fuhr die Tochter Jacqueline Corfu den Lastwagen nach Thonon, um Django, seine Mutter und seine Frau abzuholen.

Leider wurden sie an der Grenze aufgehalten. Ob sie am Zoll an einen übereifrigen Beamten geriet, oder ob jemand “die Katze aus dem Sack gelassen hatte“, ist unklar, jedenfalls wurde Djangos Anwesenheit bemerkt, und Jacqueline Corfu wurde aufgefordert, umgehend in Richtung Thonon umzukehren. Django musste nun feststellten, dass es für ihn nicht so einfach sein würde, in die Schweiz zu gelangen. Er verschob vorerst sein Vorhaben auf später.

Zuerst einmal spielt er abends in der Savoy Bar, zusammen mit den Hoffmans. Die hatten dem Besitzer der Savoy Bar von Django erzählt, und als dieser kam, um die Bedingungen seines Engagements zu besprechen,
wurde Django wütend, als es um das Geld ging: Er war sich seines Wertes und der Gagen, die er in Paris bekam, sehr bewusst und konnte nur schwer zugeben, dass er hier unbekannt war, und die Leute sich nicht darum reißen
würden, ihn zu hören. Schließlich akzptierte er fast notgedrungen 1.500 Francs pro Abend. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Django in dieser Zeit, in der überall Lauscher lauerten, bei einem Gespräch mit einem Schleuser erwischt wurde. Er wurde jedenfalls von den Deutschen verhaftet, für eine Nacht im “Hotel Europe“ eingesperrt, aber zum Glück von einem Wehrmachtsoffizier der ein Jazz-fan war, erkannt und freigelassen. Für die Résistance war Django jedoch verdächtig geworden. Mit dieser arg schnellen Befreiung war klar, dass Django “am Tisch der Boches (der Deutschen) frass“.

Django hörte schon die Kugeln um seine Ohren fliegen, und spürte, dass die Résistance es ernst meinte. Er kontaktierte einen neuen Schmuggler, der ihn nach Zahlung von 500 Francs in die bewaldete Gegend von Veigy brachte, eine der meistgenutzten Schleuserwege.

Wieder hat Django an diesem 24. November 1943 kein großes Glück. Um 17 Uhr wird er von seinem Schleuser über den Stacheldraht geführt und sich selbst überlassen. Um 17.10 Uhr wird er von einer Spezialpatrouille der Schweizer Armee am Grenzstein 185, einen Kilometer östlich des kleinen Schweizer Dorfes Gy, aufgegriffen.

Als er auf dem Posten verhört wurde, gab er als Grund für seine Flucht an, dass er sich geweigert habe, in Berlin aufzutreten. Bei festgenommenen illegalen Einwanderern hatten die Schweizer strikte Anweisungen Illegal eingereiste Ausländer (ausser wenigen Ausnahmen) zurückzuweisen. Hätten die Schweizer beschlossen, Django dem französischen Zoll bzw. der Grenzpolizei zu übergeben, wären Festnahme, Gefängnis und vielleicht
Deportation gefolgt. Die Schweizer handelten jedoch human: Nachdem sie Django eine Mahlzeit gegeben hatten, führten sie ihn am selben Abend um 20.15 Uhr in der Nähe des Grenzsteins 208 auf den Weg Gy-Fontenex zurück.

Charles Delaunay zeichnet in seinen Erinnerungen an Django Reinhardt ein durchaus glaubhaftes Bild von einem zerlumpter Django mit zerrissenen Kleidern, der in einer kalten Novembernacht 1943 an Stacheldraht hängengeblieben ist, und der ortsunkundig über das Land irrt, bevor er von einem Savoyer Bauern aufgenommen wird. Es ist verständlich, dass Django nach diesen Warnschüssen zu dem Schluss kam, dass Paris, wo seine Freunde auf ihn warteten, und wo er leicht wieder vor einem dankbaren Publikum spielen konnte, alles in allem doch besser wäre. Er machte sich so schnell er konnte auf den Weg…

Wieder in Paris, hat Django Reinhardt in den letzten Tagen des Jahres 1943, beziehungsweise den ersten Tagen von 1944 die Gelegenheit, seinen alten Traum von einer eigenen Bar zu verwirklichen und übernimmt von Lucy Franchi das Cabaret „La Roulotte“, das er in „Chez Django Reinhardt“ umbenennt.

Django zieht ebenfalls in die “Villa Frochot“ ein, eine 1837 gebaute private Villa in der Nr. 2, rue Frochot, aus der nach einem Umbau – einschließlich eines neuen Eingangs mit einer Buntglas-Fassade in der Art des Japanischen Malers Hokusai – im Jahr 1920 zum „Shanghai“, ein „erotisches Cabaret“ wurde. (Nach Jahren der Vernachlässigung und einer kompletten Restaurierung kann das heute „Villa Yora“ genannte, unter Denkmalschutz stehende und UNESCO gelistete Gebäude für alle Arten von Veranstaltungen und Feierlichkeiten gemietet werden).

Für den furchtsamen Django war die „Villa Frochot“ in doppelter Hinsicht eine Zuflucht, denn die nahegelegene Metrostation „Pigalle“ galt als einer der besten Luftschutzbunker von Paris. Beim ersten Ton der Luftschutzsirene rennt er die Metro-Treppen hinunter. Außerdem versteckt er sich mit seinem Umzug in die „Villa Frochot“ vor seinen Gläubigern, die ihn immer noch in den Champs-Elysées suchen, wo er zuvor drei Wohnungen besaß. Leider vernachlässigt er seine Verpflichtungen, er schickt manchmal seinen Bruder Joseph, um an seiner Stelle zu spielen, kümmert sich aber um sein „Chez Django Reinhardt – la „Roulotte“, und wird zu einem ausgesprochenem Familienmenschen, der sich ganz seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn Babik widmet.

In den letzten Monaten der Besatzung von Paris sind Kabaretts wie das „La Roulotte“ oft Schauplatz von Schlägereien zwischen Mitgliedern der Carlingue, Mitgliedern des korsikanischen Mafia und mutmaßlichen Mitgliedern der Résistance, wenn nicht noch Schlimmeres. Wehrmachtsangehörige, die sich in Cabarets aufhielten, in denen es zu Schlägereien kam, wurden angewiesen, beim ersten Vorfall zu ihrem eigenen Schutz sofort einen engen Kreis zur Selbstverteidigung zu bilden, ihre Pistolen zu ziehen und sie nach außen zu richten. Das „La Roulotte“ mag vielleicht malerisch sein, aber seine Kundschaft ist eher beunruhigend.

Django beschließt, das zu gefährliche Lokal zu verlassen. Alix Combelle, ein Saxophonist, der mit Django bereits ein paar Schallplatten aufgenommen hatte, übernimmt 1945 die Räumlichkeiten und macht daraus einen „Jazz-Keller“.

In den fünfziger Jahren übernimmt Pierre Franchi wieder „La Roulotte“. Aus dem Cabaret wurde ein  Stripteaselokal. Nach dem Bau eines Hochhauses an dieser Stelle in den sechziger Jahren öffnete im Parterre erneut eine ähnliche Institution, die anscheinend noch immer besteht. Es scheint, die Adresse blieb ihrem
ursprünglichen Ruf treu! Pigalle ist und bleibt nun mal Pigalle…

Verschwunden und wieder aufgetaucht

Irgendwann, entweder 1942 oder 1943 wird das Mercedes-Cabriolet von Pierre (und Lucy) Franchi plötzlich vermisst. Genaue Einzelheiten, wie das Datum des Abhandenkommens des 540K Cabriolet sind nicht zu finden.  Ob der Wagen vor der Tür des Cabarets parkte, oder in einer Garage stand, ist auch nicht bekannt. Desgleichen ist nicht klar, ob der Wagen von der Wehrmacht requiriert, oder vielleicht von Kriminellen im Rahmen des
„braunen Markts“ gestohlen wurde.

So plötzlich wie der Wagen verschwand, so plötzlich war er auch wieder da. Eine genaue Erklärung dafür gibt es nicht, sondern einfach nur Spekulationen, ohne tatsächliche Anhaltspunkte irgendwelcher Art. Es heißt in der 2015 Broschüre zum Wagen, dass Oberleutnant Dietrich Schulz-Köhn, als einer der „ranghöchsten deutschen Luftwaffen-Offiziere in Paris“ ausgewiesen, den Wagen für die Franchis freibekommen hätte.

An anderer Stelle im Katalog heißt es aus derselben Feder: “Höchstwahrscheinlich ist es Django Reinhardt zu verdanken, dass das während der deutschen Besatzung beschlagnahmte Auto auf mysteriöse Weise an Lucy und Pierre zurückgegeben wurde.“

Irgendwie kommen hier Fragen auf.

Zwar ist Dr. Schulz-Köhn ein Offizier der Luftwaffe, aber unter einem „hohen“ bzw. einem „ranghöchsten“ Offizier versteht man etwas ganz anderes, mindestens den Rang eines Oberstleutnants. So viel Autorität hat m. E. ein Oberleutnant auch nicht, dass er einfach eine Beschlagnahme rückgängig machen könnte. Oberleutnant ist jedenfalls nicht gleich Oberstleutnant! Es ist genauso gut möglich, dass der 540K von einem Mitglied der „Carlingue“ gestohlen wurde, und vielleicht dank einer handfesten Drohung seitens Violette Morris, wieder ihrer Freundin zurückgegeben wurde…

Der dritte „Retter des Wagens“, der Musiker Django Reinhardt, kommt meines Erachtens als die Person, die die Rückgabe des Wagens veranlasst haben könnte, überhaupt nicht in Frage. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in diesem Bereich auch nur den geringsten Einfluss gehabt hätte. Vielmehr scheint es, dass wieder einmal ein berühmter Name fallen gelassen wurde, nur um die Geschichte „aufzuwerten“. Jedenfalls war der Wagen wieder zurück.

Angesichts der vielen Ungereimtheiten, Unwahrheiten und Übertreibungen in der bislang publizierten Geschichte des Cabarets „La Roulotte“, bzw. der Geschwister Lucy und Pierre Franchi, Eigentümer des Wagens, darf man sich fragen, ob diese Geschichte des Verschwindens und Wieder-Auftauchens des 540K Cabriolet überhaupt glaubhaft ist, und nicht etwa auch frei erfunden wurde.

Soweit bekannt, wird diese Geschichte nirgendwo anders, weder in der Biographie von Schulz-Köhn noch in der von Violette Morris, noch bei Django Reinhardt auch nur am Rande erwähnt. Die Wahrheit wird wohl nie herauskommen… Fest steht jedoch, dass im Krieg in Paris viel gestohlen wurde.

Die Zulassung des Mercedes-Benz 540K Cabriolet A (1936) in Paris.

Die Beschreibung des Fahrzeuges in der Broschüre erwähnt, dass der Wagen anlässlich der Übergabe an Mme. Franchi, die CPI-Nummer (gemeint ist damit die vorläufige Zulassungsnummer) 82 bekommen hätte. Zuerst muss hier zurechtgestellt werden, dass die Bezeichnung CPI erst seit 2011 existiert. Zuvor, bereits seit 1893 und bis 2011 gab es, mit laufenden Verbesserungen, die sogenannte „carte grise“, ein unerlässliches Dokument, um in Frankreich und im Ausland fahren zu können. Dieses Dokument musste innerhalb von drei Monaten nach Einfuhr eines Autos beantragt werden. Bis zum Erhalt der endgültigen “carte grise“, und der französischen Zulassungsschilder zum Wagen, gab es eine vorläufig gültige Karte, die unter anderem auch die neue französische Zulassungsnummer des Wagens aufwies, und die einem erlaubte, noch ganz legal mit der Zollnummer bis zum Erhalten der Blechschilder zu fahren.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem weißen ovalen Schild mit der Nr. 82 um das – seit ca. 1904 existierende – typische deutsche ovale Zoll- bzw. Ausfuhrschild, das bis 1988 im Umlauf war, und das jeder Wagen, der entweder in Deutschland gekauft oder z.B. auch nur zeitweilig – wie bei Rennveranstaltungen – ins Ausland ging, aufweisen musste. In den ersten Jahren wiesen diese Zollschilder lediglich eine schwarze Nummer auf, um im Laufe der Jahre auf zwei Zeilen erweitert zu werden: in der ersten Zeile gab eine Nummer das zuständige Hauptzollamt an, die zweite Zeile wies das Zeichen Z (für Zoll) auf, und nach einem Bindestrich eine fortlaufende Nummerierung (Seit 1989 gibt es neue Zoll-Zeichen, die den Kurzzeit-Nummernschildern ähneln).

Als Madame Franchi zum ersten Januar 1937 die französische Nummer „4668 RK 6“, mit ihrer endgültigen carte grise erhielt, dann war das noch knapp innerhalb der dreimonatigen Frist. Dieses französische Nummerierungsprinzip von 1928 war für eine Dauer von 75 Jahren vorgesehen. Es beruhte auf einer
Identifizierung, die auf Départementsebene durch ein System von Doppelbuchstaben erfolgte (Beispiel „RB bis RS“ für das Département „Seine“ und die Hauptstadt Paris). Je nach Größe der Départements werden diese Buchstabenkombinationen nach und nach um eine Zahl von 1 bis 9 verlängert. Schließlich verschwand diese Art der Kennzeichenregistrierung aus Platzmangel für neue Nummerierungen nach nur 22 Jahren.

Gemäß einem Regierungs-Rundschreiben vom 11. März 1950, das am 1. April in Kraft trat, wird jedes Département nun nicht mehr  durch Buchstaben (Beispiel u.a. „RK“ für das Département „Seine“), sondern  durch zwei Ziffern dargestellt. Die gewählte neue Nummerierung ist von der Art ‚123 AB 75‘, wobei 75 die
Nummer des Département „Seine“ ist, mit der Stadt Paris aufgrund der Bevölkerungszahl gleichzeitig auch Hauptabnehmer der Kennzeichennummern. Das System wird „FNI“ genannt und ist ein Akronym für „Fichier National des Immatriculations“ (Nationale Zulassungsdatei).

Und so bekam der Mercedes-Benz 540K Cabriolet A sein endgültiges französisches Kennzeichen 4891 DX 75. Das FNI-System System wurde übrigens erneut aufgrund von Übersättigung bereits am 15. Oktober 2009 mit dem neuen, seitdem gültigem „SIV“, oder „Système d’Immatriculation des Véhicules“ ersetzt.

Die Benutzung des Mercedes-Benz 540K Cabriolet A Übergangsmodells (1936).

Es heißt, bzw. es wird in einer Broschüre mangels existierenden Fotos angenommen, und das ist wahrscheinlich auch der Fall, dass der Mercedes zum Transport von Künstlern, die in „La Roulotte“ – mehrmals fälschlich im Text als „La Roulette“ (!) bezeichnet – auftraten, benutzt wurde, aber auch zum Besuch von Freunden und Familie in Korsika. Ein Bild zeigt den Wagen nachts vor dem Cabaret geparkt, Pierre Franchi im Smoking stolz danebenstehend. das Foto zeigt den Wagen, im Herbst 1936, noch mit der deutschen Zollnummer. Wahrscheinlich wurde noch auf die endgültige Zulassung mit den Nummernschildern gewartet.

Eine Miniatur-Replika eines Zigeunerwagens, also einer „Roulotte“, ersetzte den Mercedes-Stern auf dem Kühlerverschluss, oder wurde vielleicht nur zum Zweck der Aufnahme darübergestülpt, denn auf späteren Fotos ist wieder der Kühlerverschluss mit dem Stern zu sehen.

Seltsame „Leuchtstäbe“ haben auf der nächtlichen Aufnahme auch die Positionsleuchten auf den vorderen Kotflügeln ersetzt, vielleicht eine Spielerei, denn auch diese verschwinden wieder zugunsten der Original-Leuchten.

Ist der Wagen auf langen Strecken unterwegs gewesen? Es sprechen zumindest zwei Bilder dafür: eins zeigt den Wagen direkt an einem Hafen, an einer Anlegestelle von Fischerbooten, mit dem sommerlich gekleideten Pierre Franchi lässig neben dem Cabriolet stehend. Es ist unmöglich zu sagen, wann und wo die Aufnahme gemacht wurde, abgesehen davon, dass es in Südfrankreich gewesen sein muss, vielleicht sogar am „Vieux Port“ (alten Hafen) von Marseille.

Soweit uns mitgeteilt wird, fuhren die Franchis aus geschäftlichen und privaten Gründen nach Marseille und auch nach Toulon, beides Häfen, von wo aus die Fähren nach Korsika zum Land der Vorfahren hin und her
dampften.

Von besonderem Interesse ist zweifelsohne das „Gruppenbild mit Auto“, um Heinrich Böll zu paraphrasieren.

Wieder ist es offensichtlich, dass auch diese Aufnahme bei heißem Wetter in Südfrankreich gemacht wurde. Die Beschreibung des Bildes in der Broschüre besagt, das Bild sei „en route zwischen Marseille und Korsika“ aufgenommen worden. Das bedürfte allerdings mehr Exaktheit: zwischen Marseille und Korsika gibt es nur das Mittelmehr. Ein „en route“-Bild wäre also hier korrekterweise ein auf dem Schiff gemachtes Foto gewesen! Auf der Aufnahme ist die ganze „Franchi-Bande“ zu sehen: vorn mit entblößtem Oberkörper und irgendwie argwöhnisch in die Kamera schauend, steht Pierre Franchi, links daneben mit Strohhut einer seiner Brüder. Auf der anderen Wagenseite, dem Anschein nach dicht an der Windschutzscheibe auf dem Kühler stehend oder  knieend, links Lucy Franchi, und neben ihr, wie üblich mit Zigarettenstummel im Mund, ihr Partner Violette Morris. Angesichts des Fotos muss man von 4 Erwachsenen ausgehen, die gemeinsam die Reise unternahmen.

Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass die Reise mit allen 4 Personen im 540K Cabriolet A stattfand. Für die beiden auf der Rückbank „sitzenden“ Personen wäre es auf der langen Fahrt eher ungemütlich gewesen. Es ist daher davon auszugehen, dass ein zweiter Wagen zur Verfügung stand.

Da Violette Morris beruflich immer wieder mit Kraftfahrzeugen aller Art in Berührung kam, liegt die Vermutung nahe, dass sie sich einen zweiten Wagen besorgt haben muss. Bei näherer Betrachtung des Fotos fällt auf, dass die Lauffläche des linken Vorderreifens am Cabrio völlig abgefahren ist. Das legt natürlich die Vermutung nahe, dass zumindest der rechte Vorderreifen nicht viel besser ausgesehen haben muss. Über den Zustand der Hinterreifen kann man nur spekulieren.

Ein wenig Detektivarbeit

Selbst wenn nur der linke Vorderreifen derart abgenutzt war, muss man sich fragen, warum der auf seinen Wagen so stolze Eigentümer bereit war, die reale Gefahr eines Unfalls in Kauf zu nehmen. War es jugendliche Sorglosigkeit seitens Pierre Franchi? Immerhin war der um 1909 Geborene zu diesem Zeitpunkt noch keine dreißig Jahre alt. Bereits ab 1938 war die Unvermeidbarkeit eines Krieges in aller Bewusstsein. Es ist schwer vorstellbar, dass der Besitzer eines so teuren Luxussportwagens wie Pierre Franchi so unvorsichtig gewesen sein soll, nicht rechtzeitig neue Reifen zu besorgen, zumal die Reifen damals schneller abgenutzt waren als heute. Es stimmt zwar, dass der Verschleiß auf einer guten Straße geringer ist als anderswo, aber man muss die gefahrene Geschwindigkeit, den Fahrstil des Fahrers und das Gewicht des Wagens mit einbeziehen. Wenn man sich umhört, erfährt man, dass die sichere Lebensdauer von Reifen damals zwischen 5000 km und 8000 km lag (genaue Angaben dazu bekommt man von den wichtigsten Reifenherstellern Continental und Michelin leider nicht).

Neue Reifen waren in Paris noch bis September 1940 erhältlich. Danach durften weder neue noch runderneuerte Reifen verkauft werden. Eine halbwegs vernünftige Erklärung könnte sein, dass diese Reise von Paris nach Marseille – und darüber hinaus mit der Fähre nach Korsika – aus welchen Gründen auch immer, absolut notwendig gewesen sein muss.

Die schnellste Verbindung zwischen den beiden Städten führte damals über die Route Nationale Nr. 7 (RN 7 – heute D 2007), eine sehr gut ausgebaute und im Sommer stark befahrene Straße von Paris bis Cannes, die bis Marseille 843 km lang war. Rechnet man die Rückfahrt hinzu, so ergibt sich eine Gesamtstrecke von mindestens 1686 km. Benzin kostete in Paris in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre 6,50 F/Liter. Bei einem zügigen Fahren mit einem Verbrauch von 30 Litern Benzin pro 100 Km kommen da 252,90 Liter zusammen, zum Preis von 1.782,30 Francs.

Da 1938 der Durchschnittslohn eines Facharbeiters bei 10,67 Francs per Stunde bei einer 45 Stundenwoche lag, benötigt man für eine Reise von 1686 Km fast 189 Stunden Arbeitszeit, allein um das Benzin bezahlen zu können. Bei den Gewinnspannen, die man damals wie heute oftmals mit verdünnten alkoholischen Getränken im Barbetrieb erzielen kann, war das wohl für die Franchis die geringste Sorge. Übrigens stieg der Benzinpreis im September 1940 auf 12.50 Francs/Liter und wurde 1941 nochmals um 60% auf 20 Francs/Liter erhöht, wobei die Preise von 1940 und 1941 etwas hypothetisch sind, zumal Benzin strikt rationiert wurde. Ungeachtet der Zuteilung konnte man sich glücklich schätzen, wenn man ein paar zusätzliche Tropfen fand…und wer das Glück
hatte, durfte dann auch den Schwarzmarktpreis bezahlen…

Nebenbei sollte noch eine damalige für heutige Verhältnisse schrullige Geschäftsmethode erwähnt werden: Anfang der dreißiger Jahre gab es in Frankreich noch kein flächendeckendes Netzwerk von Benzin-Pumpen. Infolgedessen wurde das Benzin aus 35 Liter-Kanister verkauft, zum Preise von 13,75 Francs pro 5 Liter (also 2.75 Francs per Liter).

Das 540K Cabriolet verschwand in der Garage von Lucy Franchi, und nach dem Verkauf der „Roulotte“ an Django Reinhard wurde es still um sie und ihrem Bruder. Man könnte annehmen, sie seien in ihrem Haus in der rue du Cerisier in Argenteuil untergetaucht, einst eine ländliche Zuflucht für Pariser, heute die viertbevölkerungsreichste Gemeinde der Vororte von Paris. In Anbetracht ihrer Geschäfte mit den Deutschen und Lucy Franchis Bekanntschaft mit Violette Morris wäre es vielleicht sogar tatsächlich in ihrem besten Interesse gewesen, sich eine Zeit lang in Deckung zu begeben.

Je mehr sich die Dinge ändern….

„Die Orte und ihre Stammgäste haben sich verändert, aber die Gewohnheiten sind dieselben geblieben. Es sind nicht mehr die gleichen Kabaretts und die gleichen Trinker, aber es sind immer noch Kabaretts und Trinker.“
So schrieb bereits 1862 Alfred Delvau, in seiner kurzen „Anekdotische Geschichte der Cafés und Kabaretts von Paris“.

Nun waren es nicht mehr die Wehrmachtsuniformen, die man in den Cafés, Cabarets und Bistrots antraf, es waren die GI’s, die Soldaten der US-Army. Bei den Amerikanern wurde aus „Pigalle“ schnell „Pig-alley“, in mancher Hinsicht eine gar nicht so abwegige Benennung. Tatsächlich hatte sich nicht viel geändert, die Cabarets waren wieder voll, aus „Chez Django Reinhardt“ wurde 1945 „Chez Alix Combelle“, ein Jazz-Keller. Der Swing Saxophonist und Klarinettist Alix Combelle hatte vor und während des Krieges bereits mit Django und seinem Bruder Joseph gespielt, und Schallplatten für Charles Delaunay‘s „Swing“-Label aufgenommen.

Zu den jetzt an der renovierten Fassade des unter neuen Leitung geführten „La Roulotte“ angebrachten Flaggen der Alliierten gesellte sich auch die Mohrenkopf-Flagge Korsika’s hinzu, die Korsikaner willkommen hieß, denn die korsische Mafia war weiterhin genauso aktiv wie vor und während der deutschen Besatzung, und deren Besuch wollte man wohl gerne aber nur als Kundschaft entgegensehen….

Zwar war der Krieg nun beendet, doch manch ein Franzose betrachtete nach der ersten Euphorie die Anwesenheit der Amerikaner als die Besatzung neuer Eroberer, und nicht wenige erinnerten sich bereits mit leiser Wehmut an das Verhalten der Deutschen. Tatsächlich räumte General Eisenhower ein, dass sich die US-Soldaten alles andere als Sympathieträger erwiesen hätten. In der LIFE-Ausgabe vom 25. November 1945 erschien ein kritischer Artikel über das Verhältnis zwischen Franzosen und Amerikanern: „Einer der wenigen Orte, an denen Amerikaner und Franzosen miteinander auszukommen scheinen, ist Pig-Alley, wie die Amerikaner Pigalle nennen, ein kleiner Stadtteil von Montmartre, der sich der Unterhaltung von Ausländern in den Hinterhöfen widmet“.

In Nachtlokalen zahlen die GIs horrende Preise für drittklassige Unterhaltung. Die Nachtlokale von Pigalle variieren in Größe und Protzigkeit, von feuchten kleinen Bandboxen wie dem „Guinguette“ bis zu auffälligen und prahlerischen Cabarets wie dem „Bal Tabarin“. Unterhaltung und Dekoration sind durchgängig drittklassig und die Preise sind durchwegs horrend: 1000 Francs (20 Dollar) für einen Champagner, 100 bis 150 Francs für einen Schuss abscheulichen Cognac. In den Nachtclubs gibt es sexy Sängerinnen, die auf Englisch singen, servile
weißrussische Kellner, hemmungslose Tänzerinnen und Animierdamen, Anmacherinnen, die mit den GIs in nicht allzu gutem Englisch plaudern und ihnen behilflich sind, ihre Francs auszugeben. Wie ihre Väter aus dem 1. Weltkrieg zahlen die GIs einen Haufen Geld und sind auch noch glücklich darüber!

Die Hungeraufstände

Leider hatte sich nicht viel bei den Rationierungen von Lebensmitteln geändert, und das Fahrverbot galt auch noch immer. Was die Rationierung der Lebensmittel betraf, es herrschte ein Mangel an Obst, Gemüse und Fleisch, aber nichts war so hart zu ertragen als der Mangel an Mehl. Die Rationierung des Brotes war im Mai 1945 aufgehoben worden, musste aber im Dezember des gleichen Jahres wieder eingeführt werden, und wurde erst am 1.Februar 1949 endgültig aufgehoben.

Dieser Mangel an Lebensmittel, insbesondere des Weizenmehls, hatte zur Folge, dass die tägliche Mehl- bzw. Brotration von anfangs 300 g, auf 270g reduziert wurde, dann im Mai 1947 auf 250 g, um im September 1947 den
Tiefstand von 200 g zu erreichen (das war weniger als das traditionelle Durchschnittsgewicht von 240 g einer Baguette!). Gleichzeitig wurde die Herstellung von Gebäck und Konditorei-Kuchen untersagt. Angesichts dieser Lage kam es 1947 in über 10 Städten und Ortschaften quer durch Frankreich zu 88 weitläufigen Protestbewegungen, den sogenannten Hungeraufständen („émeutes de la faim“, auch „émeutes du pain“ genannt). Ab August 1948 ging es dann wieder mit 250 g aufwärts mit der Tagesration, um im Dezember 1948 350g zu erreichen, und infolgedessen wurde die Brot- und Backwarenrationierung zum 1.Februar aufgehoben.

Was den Straßenverkehr betraf, auch hier bedeutete das Ende des Krieges noch längst nicht die Aufhebung der Benzinrationierung – die kam erst am 1. Dezember 1949 – noch der von der Wehrmacht im Krieg eingeführten Verkehrseinschränkungen. Immer noch war eine Fahrerlaubnis, ein sogenanntes „P.C.“, ein zeitlich begrenztes „Permis de Circulation“ auch „Autorisation de Circuler“ genannt, notwendig.

Es klappert, quietscht, brummt und summt wieder

Für zwei Jahre nach der Befreiung von Paris wurden diese Sondergenehmigungen weiterhin verwendet, bis sich zum Sommer 1946 die Versorgung Frankreichs mit Erdöl verbessert hatte. Endlich ist es so weit: am 07. August 1946 erlaubt die Abschaffung der Sondergenehmigungen für den Straßenverkehr und die Wiederherstellung der Freizügigkeit den Parisern, ihre Autos wieder aus den Garagen herauszuholen, und bringen langsam wieder Leben in die Straßen und Boulevards der Hauptstadt, auch wenn der Wagenpark überwiegend mehr als zehn Jahre alt war.

So einfach war es dann doch nicht. Die Autos standen durchwegs seit 1940 fünf lange Jahre bewegungslos in ihren Garagen unter verstaubten Planen herum. Das Problem war, dass ihre Fahrzeuge nicht mehr fahrtauglich waren, und eine gründliche Untersuchung in der örtlichen Autowerkstatt erforderten, da musste so einiges erst einmal wieder instandgesetzt werden. In der Rue du Cerisier in Argenteuil nahm auch Pierre Franchi die Plane von seinem geliebten 540K Cabriolet ab und rief die „Garage de Paris“ im Vorort Cormeilles-en-Parisis an. Denn auch der Mercedes-Benz 540K Cabriolet A, der ebenfalls ein paar Jahre vor sich hin schlief, brauchte ein wenig Aufmerksamkeit.

Es gibt zwei Rechnungen für Frau Lucy Franchi, aus denen hervorgeht, welche Reparaturen notwendig waren,  um das Auto wieder fahrtüchtig zu machen. Leider ist eine der Listen mit den aufgeführten Arbeiten hier nicht vollständig angegeben, teils weil unleserlich, teils weil eine absolut komplette Auflistung der einzelnen notwendigen Arbeiten weit über den Rahmen dieses Beispiels eines Wagens und dessen Zustands nach jahrelanger Lagerung ginge.

Am 26. August bekam Madame Franchi von Ihrer Garage die Rechnung für die erneute Straßentauglichkeit ihres
Wagens. Eigentlich brauchte nicht viel daran gemacht zu werden:

Garage de Paris – 26. August 1946 – Reparaturen u. Rechnung – 25 August 1946
– Besichtigung des Ganzen. Zerlegung des Vergasers,
– Schrauben aufgesfrischt, Säuberung
– Überprüfung des Zündmagneto
– Einstellungen – Schmierung – Probefahrt des Wagens
– Ausbau des Benzin-Hahns –
– Säuberung des Benzintanks – ( insg.) 600 F
Neuteile
– 1 Abblendlicht Birne 57,80 F
– 1 Schmierstoff Leuchte 13,30F
– 2 Schmiernippel 6,00 F
– 1 Kupplungs-Bedienung 27,50 F
– 1 Bremsbedienung 29,50 F
– 1 Vergaser-Zug 27,50 F
– 1 Reifenschlauch Reparatur 30 F
– 1/2 Liter Öl 22,50 F
(Zwischensumme) 814,10 F
– Umsatzsteuer 20,40 F
– 10% 2,00 F
(Zwischensumme Teile und Steuer): 836,50 FF
– 13 liter Benzin 260,65 F (= 20,05 / liter)
Endsumme 1097, 15 FF (Bezahlt am 25. August in Cormeilles)

Sichtlich war Benzin 1946 genauso teuer wie 1941. Aber irgendetwas war wohl erst einmal übersehen worden, denn eine neue Rechnung des „Garage de Paris“, ausgestellt am 12. November 1946 zeigt, dass da viel mehr zu ersetzen und zu reparieren war, als die erste Rechnung es ahnen ließ. Die vorliegende Auflistung liest sich wie folgt:

Garage de Paris – 12. November 1946 – Arbeitsangaben um das Mercedes-Kfz No:…. verkehrstüchtig zu machen:
– Fahrt zum Haus der Kundin, um die Räder zu abzunehmen, zwecks Reifen Reparatur – Aufpumpen und Aufziehen der Räder.
– Abschleppen in die Werkstatt und Waschen des Autos.
– Suche nach den fehlenden Teilen für die Inbetriebnahme.
– Motor zur Untersuchung angelassen, nach einigen Minuten den Zylinderkopf abmontiert, da dieser Wasser durch die Ventile entweichen ließ.
– Demontage des Kühlers zwecks Instandsetzung.
– Instandsetzung eines teils der Vorzündung im Lenkgehäuse.
– Entfernen des Zylinderkopfes zum Schweißen, Reinigen der gesamten Unterseite des
Autos und aller Organe, zwecks Überprüfung besagter Organe.
– Demontage eines zerbrochenen Stoßdämpfers. Befestigung der 2A2. (?)
– Demontage einer Lenkstangenhalterung.
– Demontage mehrerer Schmierstutzen zur Reparatur.
– Einbau des Zylinderkopfes nach seiner Rückkehr aus der Reparatur.
– Schleifen der Ventilsitze nach dem Black & Decker-Verfahren.
– Arbeit an mehreren Ventilführungen. Läppen der Ventile.
– Test mit Benzin.
– Spezielle Montage zur Prüfung der Zylinderkopfwasserkreislaufs und Demontage des Zylinderkopfes.
– Entfernen der Kipphebel, Reinigung. Zusammenbau des Motors und Einbau des Kühlers.
– Während der (Test)-Fahrt wurde der Motor wegen eines ungewöhnlichen Geräuschs (gebrochene Pleuelstange) gestoppt:
– Vollständige Demontage des Motors und aller Zubehörteile und Bedienelemente. Reinigung aller Teile. Die acht Pleuelstangen zum Einstellen eingeschickt.
– Schleifen der Kurbelwelle.
– Herausnahme der Kipphebeln, Reinigung.
– Auffrischung aller Kipphebel mit Schleifstein.
Auf der zweiten Seite der Rechnung sind die einzelnen Arbeiten nicht mehr deutlich lesbar, dennoch lohnt es sich so einiges aufzulisten:
– Pleuelstangenjustierung
– Instandsetzung der Ölpumpe,
– Reinigung und Einstellung des Zündverteilers,
– Einstellung und Änderung des Wasserauslassverteilers für ein neues Thermometer,
– Ausbau und Reinigung des Benzintanks.
Es folgen weitere nicht unmittelbar mit dem Motor verbundendene Arbeiten. Es sind gerade diese, wenn auch nur teilweise gelisteten Arbeiten, die den Zustand des Wagens im August 1946 klarmachen:
II – Kesselschmiedearbeiten
– Formung des Krümmers für den Auspuffauslass,
– Richten von zwei Kurbelgehäusen,
– den Kühlerdeckel wiederherstellen,
– Mercedes-Stern, und zwei Radkappen,
– Wiederherstellen der Form von Kotflügel und Trittbrett,
– Richten und erneuten Einbau der Trittbretthalterung.
III – Karrosserie
[Wegen der verblassten Tinte ist einiges nicht mehr lesbar:]
– Lackierung des gesamten Benzinstrangs (?),
– Polieren der Fensterumrandungen (sind hier die Gummidichtungen gemeint?)
– Die Rückenlehnen und Sitzflächen der Sitze mussten aufgefrischt werden.
IV – Neuteile
– ein Bosch-Starter
– ein Scheibenwischer, Bosch
– eine Stadt-Hupe, Bosch
– ein Satz Sicherungen, Bosch
– eine Uhr
– ein Thermometer
– ein Rückspiegel
– eine Batterie
– eine Bosch-Lampenhalterung
– ein Druckbalg für die Lockheed-Pumpe
– eine Zylinderkopfdichtung
– ein Reifenschlauch
Insgesamt lesen sich diese Listen, auch wenn sie aufgrund mangelnder Lesbarkeit nur teilweise aufgeführt werden konnten, eher wie die Beschreibung eines Wracks als den Zustand beziehungsweise das Ergebnis
jahrelanger unsachgemäßer Lagerung des geliebten Cabriolets. Diese Auflistung erinnert an die kurze Erwähnung in der Broschüre und verleiht der Geschichte Glaubwürdigkeit, wonach Pierre Franchi 1939 auf der
Rückfahrt von Marseille nach Paris bei einem Umweg über die Schweiz einen Unfall erlitt, als das Cabriolet von der Straße abkam, und in einem Graben landete. Pierre Franchi verletzte sich am Kopf. Während seines
Krankenhausaufenthalts in der Schweiz holte, einer seiner Brüder den Wagen mit einem Lkw zurück nach Paris.
Vielleicht war es in diesem Zustand, dass der Wagen eingelagert wurde, und dann erst 1946 wieder die nötige Aufmerksamkeit erhielt.

Von Cabaret zu Casino

In einer Quelle heißt es, Pierre Franchi ging nach dem Krieg für 10 Jahre nach Deutschland. Wohin, und was er in Deutschland gemacht haben soll, erfahren wir nicht. Diese Behauptung, die ohne die geringste Untermauerung gemacht wird, ist also höchst zweifelhaft. Denn: laut Mr. Dominique Tessier übernahm Pierre in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre wieder die Leitung des „La Roulotte“. Seine Schwester Lucy, die vor und während des Krieges geschäftlich alles dirigierte, hatte sich mittlerweile aus dem Geschäft zurückgezogen.

Ebenfalls laut Mr. Tessier soll Pierre auch irgendwann beschlossen haben, in dem bis 1975 knapp 3000  Einwohner großem Kurort Châtel-Guyon, nahe der Stadt Clermont-Ferrand in der Auvergne, ein Casino zu eröffnen (obwohl es dort bereits seit 1902 ein – heute unter Denkmalschutz stehendes – Casino gab). Er soll
dort auch bis in die achtziger Jahre, mehrere „Concours d’Elégance“ organisiert haben, bei denen sein Mercedes Cabriolet A im Mittelpunkt stand.