In diesem November bringt Autocult gleich zwei Ausführungen seines neusten Modells heraus:
Ab sofort ist der Mercedes-Benz Lo3100 Stromlinien Schnellbus in der Reichsbahn-Version und auch in der Version wie er 1935 bei der IAMA in Berlin vorgestellt wurde, erhältlich…
Gebaut wurde der Bus von der Waggonfabrik Uerdingen, eine Firma, die nach dem zweiten Weltkrieg ab 1952 insbesondere durch die für die Bundesbahn konzipierten und bis 1971 gebauten roten Schienenbusse (VT95 u. VT98 bzw. DB 795 u. DB 798) allgemein bekannt war. Aus der Waggonfabrik Uerdingen war zwar 1935 durch Fusion mit der Düsseldorfer Waggonfabrik 1935 die „Düwag“ entstanden, doch der Name “Waggonfabrik Uerdingen“ blieb bis 1981 weiter bestehen und im Gebrauch.
Schließlich wurde die „Düwag“ 1999 durch Siemens aufgekauft. Unterlagen, und/oder Aufnahmen von dem Lo3100 in der Schnellbus-Ausführung zu bekommen, ist praktisch unmöglich, sollten sie überhaupt noch existieren. Vielleicht hat das Mercedes Archiv eine Aufnahme, aber daran zu kommen ist eine andere Sache… allerdings sind die Grundabmessungen durch das Fahrgestell des MB L 3100 bekannt und Aufnahmen gibt es auch, wenn auch sehr wenige.
Die erste Hälfte der 1930er Jahre war im Design der Automobile von den Ideen und Entwicklungen von Paul Jaray stark beeinflusst (Zur Erinnerung: hierzu der Bericht über Paul Jaray und der Stromlinienwagen-Entwicklung in der Oktober 2021 Sonderausgabe des NEWSLETTER, mit dem Autocult-Modell des Mercedes-Benz Lo3750 – Autobus, Aufbau Vetter).
Wie viele Autobusse des Typs Lo3100 produziert wurden, sei es als Versuchswagen, sei es im täglichen Einsatz bei der Reichsbahn ist ebenfalls unklar. Es wird von zwei bis „einigen wenigen“ berichtet, will wohl heißen zwischen zwei und fünf, denn bei sechs fängt schon „ein halbes Dutzend“ an. Und das beinhaltet nicht den anderen Lo3100, den wesentlich mehr dokumentierten und fotografierten Frontlenker, ebenfalls Baujahr 1935. Dieser Bus wurde übrigens in 1:43 von IXO vor mehreren Jahren als Pressemodell von Altaya herausgegeben, lediglich in der IAMA-Ausführung. Der Lo3100 Frontlenker ist in verschiedenen Lackierungs-Varianten der Reichsbahn fotografiert worden, und es bleibt auch hier unklar wie viele dieser Busse in dieser Ausführung Mitte der dreißiger Jahre gebaut wurden.
Lesen wir hierzu, was Autocult uns mitteilt:
Als das Thema Schnellbus aktuell wurde, reagierte der Hersteller `Büssing-NAG` am schnellsten, und stellte eine optisch ausgeklügelte Variante vor, doch die Konkurrenz zog rasch nach und es folgten ebenfalls windschnittige Versionen aus dem Mercedes-Benz Werk in Gaggenau, von den Firmen `Kässbohrer`(Ulm), Gaubschat aus Berlin Neu-Kölln, Vetter (Stuttgart), und auch von der `Waggon-Fabrik Uerdingen`AG (Krefeld Uerdingen).
Viele der damals vorgestellten Modelle fanden schließlich gar nicht den Weg in eine Serienfertigung und doch wurde das Thema der Stromlinienbusse forciert, denn es sollte den Reisenden auch ein außergewöhnliches Reiseerlebnis vermittelt werden.
Der kostenintensive Aufbau von schnellen Bussen – es wurden Fahrtgeschwindigkeiten von 120 km/h verbreitet – mit hohem Reisekomfort als Luxus für den „Normalbürger“ führte dazu, dass die Busindustrie etliche Modelle nur ein oder zweimal anfertigte.
Der modernste Unterbau für die Karosserieunternehmen stand ab 1935 mit dem Chassis des Mercedes-Benz Lo 3100 zur Verfügung.
Entschlüsselt hieß diese Zahlenkombination, dass das Lastwagen-Fahrwerk ein „mittelhoher Rahmen“ war und die Zahl 3100 stand für die Höhe des Fahrzeuggewichts von 3,1 Tonnen. Diesen Unterbau wählte auch die Firma Waggon-Fabrik AG Uerdingen für ihren Stromlinienbus, dessen Aufbau aus den Händen des bekannten Stylisten Paul Jaray stammte. Es ist nicht überliefert, ob der Wahlschweizer die treibende Kraft hinter dem Projekt war, oder ob das Karosseriewerk den Auftrag dem Designer erteilt hatte. Die markante Linienführung von Paul Jaray, alles sich an der Form eines Tropfens orientierend, ist auch an dem 1935 auf die vier Räder gestellten Bus gut nachvollziehbar. Wie schon bei seinen Personenwagen, so fällt auch beim vollkommen aus Stahlblech gefertigte Omnibus auf, dass die Frontscheibe leicht gewölbt ausgeführt ist. Auch hier war der Grund, dem Fahrtwind so wenig wie möglich Widerstand zu bieten. Darunter trieb bei einem Omnibus ein 95 PS starker Benzinmotor den Bus an, 1936 wurde dann ein Dieselmotor mit 120Pferdestärken eingebaut.
Als Streitfrage entwickelte sich unter den Stylisten die Frage, wie die Frontpartie gestaltet werden sollte – die einen favorisierten die klassische Herausbildung der Motorhaube, wodurch der an der Vorderradachse eingebaute Motor leicht erreicht werden konnte, während die sehr modern geprägten Designer die gesamte Frontpartie in die Karosse mit einbezogen. Jaray gehörte der ersten Gruppe an und setzte an der langgezogenen
Motorhaube und seine Rundungen fort. Dabei war das Interieur auf die Mitnahme von 24 Passagieren ausgelegt. Diese konnten während der schnellen Autobahnfahrt die Landschaft nicht nur über die Seitenfenster, sondern auch über drei halbhoch in das gerundete Dach gezogenen Scheiben genießen. In den Nachtstunden war es aber auch möglich, mit Vorhängen an jedem Fenster das Innere individuell abzudunkeln.
Die Hoffnung, die hinter den schnellen Fernbuslinien stand, erfüllte sich letztlich nicht. Die Gründe hierzu waren vielfältig.
- Einerseits bestand das Problem darin, dass diese Schnellbus-Aufbauten durchwegs auf Fahrgestelle leichter Lastwagen gebaut wurden, d.h. diese Busse entsprachen zwar dem Konzept des schnellen Reisens auf den neu gebauten Autobahnen, gleichzeitig waren sie aber limitiert in Bezug auf die Anzahl der Passagiere.
- Andererseits wurden von der Reichsbahn als Betreiber keine Zwischenstopps in Form von Raststätten oder anderen Haltepunkten vorgesehen. Rein aus menschlicher Sicht war dies eindeutig eine Fehlentscheidung. Ein oder mehrere Stopps, je nach Länge der jeweils betriebenen Strecken, hätten sozusagen die menschlichen Bedürfnisse berücksichtigt.
- Schließlich war die Fahrt mit der Eisenbahn wesentlich günstiger, da diese Fahrten subventioniert wurden, während bei den Busfahrten ein regulärer Ticketpreis entrichtet werden musste. Schon allein aus diesen Gründen war der Betrieb von Schnellbussen, wirtschaftlich nicht tragbar und ein Verlustgeschäft.
Klar wird dadurch, dass der Nebenlinien-Bahnkunde sich für den Zug entschied, und die Idee der Reichsbahn, für die kleineren Zentren den Zugverkehr mit einem Schnellbus-Verkehr zu ersetzen, zu der Zeit ein Fehlentschluss war und der Gedanke, eine komfortable, tendenziell luxuriös geprägte Reise von einer Stadt in eine andere für den ganz normalen Bürger zu bieten, Makulatur und die Bedeutung der Stromlinienbusse verlor sich wieder.

