- Tipps der GTÜ zur Vorbereitung auf die Herausforderungen am Steuer
- Mit Bedacht an längere Bremswege oder höhere Lenkkräfte herantasten
- Ein Technik-Check gehört ebenfalls zum Aufwärmprogramm nach den Wintermonaten
von Frank Reichert /GTÜ
Da ist der Fahrer aktiv gefordert: So sehen es viele Oldtimereigner, wenn sie sich nach dem Winter wieder in den schönen alten Wagen setzen. Kein Automatikgetriebe, kein ABS, ESP, Totwinkelassistent oder Abstandsregeltempomat, Oldtimerenthusiasten genießen das Fahren ohne diese und weitere Assistenzsysteme. Doch Obacht, an die so komfortablen wie sicherheitsfördernden Helfer moderner Autos gewöhnen sich selbst Klassikerliebhaber während der dunklen Jahreszeit durchaus gern. Die GTÜ Gesellschaft für Technische Überwachung mbH gibt Tipps für den (Wieder-)Umstieg auf den früheren Technikstand, damit Frühlingstouren sicher absolviert werden können. Daneben verdienen auch die Klassiker selbst einen sorgsamen Blick. So werden Mensch und Maschine fit für die helle Jahreszeit.
1. Bremse und Bremswege: Moderne Scheibenbremsen, Bremskraftverstärker sowie das Antiblockiersystem (ABS) erleichtern ein gefahrloses Verzögern. Ganz anders verhält sich ein Klassiker. Ohne Bremskraftverstärker ist ein starker Einsatz der Beinmuskulatur notwendig. Zudem sind die Bremswege meist länger als bei heutigen Autos. Trommelbremsen verzögern nicht so spurtreu und gleichmäßig wie Scheibenbremsen und erst recht nicht, wenn sie durch Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen Rost angesetzt haben. In Gefahrensituationen ist Feingefühl gefragt, damit der Wagen nicht ins Schleudern gerät. Eine ausgedehnte Testfahrt bei gutem Wetter auf trockenen Straßen schärft die Sinne für die Eigenheiten des Klassikers und erhöht die Konzentration aufs reine Fahren. Wie von allein fallen anschließend die Abstände zum Vordermann größer und Kurvengeschwindigkeiten geringer aus.

Mercedes-Benz TELDIX Anti-Blockier-System. Ausgerüstet mit dem Anti-Blockier-System kommt das blaue Fahrzeug aus einer Geschwindigkeit von 100 km/h nach ca. 40 m zum Stillstand. Das weiße Fahrzeug mit konventionellen Bremsen benötigt dazu ca. 50 m und durchbricht die künstliche Mauer.
2. Lenkung und Lenkkräfte: Von wegen Servolenkung – viele Klassiker verlangen festes Zupacken. Bei einer flotten Fahrt über Landstraßen mag das weniger eine Rolle spielen. Im Stadtverkehr hingegen und erst recht beim Einparken kann der Kraftaufwand durchaus sportlich ausfallen. Auch hier ist es ratsam, sich vor dem Einfädeln in dichten Feierabendverkehr an die notwendige Muskelkraft zu gewöhnen. Hinzu kommt: Alte Lenkgetriebe übertragen die Kräfte an die Räder mal direkter, mal indirekter als moderne Technik. Konstruktionsbedingt fällt die Lenkung mancher Fahrzeuge durch leichtes Spiel um die Mittellage auf. Alles kein Problem, solange das etwas andere Lenkverhalten während der Fahrt einkalkuliert wird.
3. Ohne elektrische Fensterheber: Ob das Kurbeln zum Heben und Senken der der Seitenscheiben dem Muskelaufbau dient, sei dahingestellt. Sicherheitsrelevant ist es jedenfalls nicht, wenn Elektromotoren diese Arbeit übernehmen. Das gilt schon eher für Blinker, die sich nicht selbst zurückstellen. Wenn zudem Motoren- oder Windgeräusch das tickende Geräusch übertönt und die Kontrollleuchte nur mit mildem Licht rhythmisch blinkt, wird der vergessene gesetzte Blinker leicht übersehen. Falsche Signale können freilich andere Verkehrsteilnehmer samt Fahrradfahrern und Fußgängern irritieren.
4. Mit Zwischengas: Das unsynchronisierte Getriebe ist gnadenlos. Sofort meldet es sich mit unschönen Geräuschen, wenn nicht ein gezielter Gasstoß die Drehzahl beim Herunterschalten und Zwischenkuppeln erhöht. Langjährige Fahrer von besonders alten oder strapazierten Getrieben brauchen darüber nicht nachzudenken, sie beherrschen das Pedalballett im Schlaf. Ach ja, beim Start von Vergasermotoren nicht vergessen, den Choke zu ziehen und nach einiger Zeit wieder in die Ausgangsposition zu bringen.
5. Der Technikcheck: Der engagierte Fahrer schenkt nicht nur seinen Fähigkeiten, sondern auch dem Oldtimer Zuwendung vor dem Start in die neue Saison. Ist die Batterie geladen und sind deren Pole sauber? Wichtig ist der Blick auf die Flüssigkeitsstände: Öl, Kühlwasser, Bremsflüssigkeit sollten überprüft werden. Wann wurde die Bremsflüssigkeit zum letzten Mal gewechselt? Ist das länger als zwei oder drei Jahre her, besteht vor allem bei längeren Bergabfahrten ein Sicherheitsrisiko. Ein prüfender Blick auf die Reifen samt Check des Luftdrucks gehört ebenfalls zur gründlichen Vorbereitung wie der Test der Lichtanlage mit allen Funktionen.
6. Die GTÜ-Classic-Partner: Zum Aufwärmprogramm vor den ersten Runden mit dem Oldie gehört noch der rasche Blick aufs hintere Nummernschild oder in die Fahrzeugpapiere: Wann ist die nächste Hauptuntersuchung fällig? Bei Handlungsbedarf stehen die GTÜ-Partner gerne mit Tat und auch Rat bereit. Viele von ihnen haben sich als GTÜ-Classic-Partner auf Oldtimer und Youngtimer spezialisiert. Welcher ist in der Nähe? Einfach nachschauen: https://www.gtue-classic.de. Über die GTÜ-Partner lässt sich auch der umfangreiche „GTÜ Ratgeber Klassiker“ beziehen.
7. Start frei: Mit Übung und Konzentration wird die Oldtimerfahrt zum großen Vergnügen. Wenn die Technik in Schuss ist, steht auch Reisen zu fernen Zielen nichts im Weg. Ganz nach dem Motto: Was früher ging, muss heute auch machbar sein. Bei allen Herausforderungen bleiben die Fahrer des historischen Blechs bei einigen Themen ganz entspannt: Um Cybersicherheit und Softwareupdates, wie bei modernen Autos notwendig, müssen sie sich überhaupt keine Gedanken machen. Ebenso wenig um Hacker der Schließanlage mit Fernbedienung. Einmal den Schlüssel im Türschloss drehen und die Fahrertür ist abgesperrt.