Ein Leben voller Leidenschaft für Luxussportwagen ohne Kompromisse
von Marita Zimmerhof - Hildesheimer Allgemeine Zeitung - 5.1.2021
- Der Hildesheimer Automobilkonstrukteur Eberhard Schulz hat seine Autobiografie geschrieben
- Mit seinem Isdera hat er selbst Porsche und Lamborghini abgehängt
- Nur 50 Autos weltweit
Hildesheim. Wenn Eberhard Schulz sich anschickt, eine Autobiografie zu schreiben, so trifft es das Thema gleich doppelt: Zum einen blickt der gebürtige Hildesheimer auf inzwischen 80 bewegte Lebensjahre zurück, zum anderen hat sich in seinem Berufsleben tatsächlich alles ums Auto gedreht: Schulz hat Zeit seines Lebens Sportwagen entwickelt, schließlich eine eigene Manufaktur eröffnet, die unter dem Markennamen Isdera Luxusgefährte für höchste Ansprüche produzierte.
Als 13-Jähriger wollte Schulz auf jeden Fall Rennfahrer werden. Der Vater, vom Reichsluftfahrtministerium aus Berlin zum Flugplatz nach Hildesheim beordert, merkte dazu nur an, dass der Filius dann wohl den Sinn des Lebens nicht verstanden habe, während die Mutter, eine Grande Dame aus großbürgerlichem Hause, etwas spitz kommentierte, dass sie ihren Sohn dafür nun wirklich nicht geboren habe.
Schon da lernte der Filius die ersten Schritte auf diplomatischem Parkett, denn seine Liebe zu PSstarken Motoren war längst entflammt. Auf dem Scharnhorst-Gymnasium fühlte sich der Teenager allerdings als Außenseiter, der manche Tracht Prügel einstecken musste und sogar eine Ehrenrunde drehte. Seine Begeisterung für Technik und sein zeichnerisches Talent aber waren schon damals herausragend.
Was lag also näher, als ein Maschinenbaustudium zu beginnen? Damit er zu Hause wohnen bleiben konnte, stellte ihm seine jung verwitwete Mutter einen VW Typ 3 vor die Tür. Den Schulz dafür nutzte, mit quietschenden Reifen die Strecke nach Braunschweig in halsbrecherischen 42 Minuten zu absolvieren. „Es gab ja damals noch keine Tempobegrenzung“, sagt er heute.
In dieser Zeit lernt Schulz den Hildesheimer Architekten Werner Braukmann kennen, der in seiner Garage an einem eigenen Auto schraubte: Auf einer Käfer-Plattform montiert er eine Art Porsche – und brachte Schulz ganz nebenbei mehr praktisches Wissen bei, als der in der Hochschule lernte. Dann kam jene schicksalhafte Nacht in Hannover: Auf dem Rückweg aus der Disco sah Schulz in einer Vitrine ein Auto, das er so noch nie gesehen hatte. Es war der nagelneue Porsche 904, ein futuristischer Rennsportwagen mit Straßenzulassung von atemberaubender Schnittigkeit.
Vergessen war die Liebe zu tonnenschweren Baumaschinen, mit denen er schon als Teenager auf dem Hof der Tiefbaufirma Lönne durch die Gegend karriolt war. „Da war es passiert. Ich war so fasziniert.“ Schulz besorgte sich alles, was er an Literatur über Aerodynamik auftreiben konnte.
Inzwischen jung verheiratet, zog er „mitten ins Moor“ nach Ostfriesland, wo seine Frau eine Stelle als Lehrerin bekommen hatte. „Sie war auch mein erster Sponsor“, sagt Schulz. Sein Studium sollte er nie beenden, statt dessen entwickelte der junge Familienvater in einer Waschküche in Klostermoor 1969 sein erstes eigenes Auto und nannte es Erator. Ein knallgelber, zweisitziger Flügeltürer auf breiten Maserati-Reifen. Nur eine der vielen Besonderheiten: Der Rückspiegel war auf dem Dach montiert, somit gibt es für den Fahrer keinen toten Winkel.
Der 54 PS starke Vierzylinder-Motor schaffte bereits 175 Stundenkilometer, später, mit einem Sechszylinder-Motor aufgerüstet, brachte es der windschnittige Wagen sogar auf 222 Kilometer. Eine Kleinserien oder gar Serienfertigung war nicht geplant, der Erator blieb ein Einzelstück. Aber er wurde zum Türöffner: Auf der Suche nach einer Anstellung fuhr Schulz 1971 mit seinem Eigenbau selbstbewusst in Stuttgart bei Mercedes-Benz und Porsche vor – und bekam auch ohne Diplom eine Stelle bei Porsche. Dort arbeitete er mehrere Jahre unter Anatole Lapine im Design-Studio und bis 1978 als Ingenieur im Fahrversuch.
„Ich wurde bald der Kronprinz“, sagt Schulz noch immer stolz. 1977 erwarb er einen alten Porsche 904, den er restaurierte, um – endlich doch noch – an Oldtimerrennen teilzunehmen. Als Porsche allerdings den 928 herausbrachte, empfand er das als „Abkehr von allem, was sie groß gemacht hat“: „Die haben ihr eigenes Denkmal demontiert.“ Also machte er sich selbst ans Werk, baute in seiner Freizeit auf Basis des in Anlehnung an den Mercedes 300 SL Flügeltürers einen „echten Schulz“. Oder anders ausgedrückt: „einen Spitzensportwagen, der in Vergleichstests Marken wie Mercedes, Ferrari, Lamborghini in allen Disziplinen schlägt.“
In Frankfurt hatte Schulz den Tuner Rainer Buchmann und dessen Firma B&B bb Automobiltechnik kennengelernt.
Auf dem Weg zu neuen Ufern hängte der Hildesheimer seinen Job bei Porsche an den Nagel, um bei bb Autos nach seinem Geschmack zu entwickeln; 1978 entstand die Supersportwagenstudie CW 311. Als Buchmann und Schulz sich bald darauf zerstritten hatten, machte sich Visionär Schulz selbstständig, gründete in Leonberg 1982 ein Büro, das er 1983 als GmbH eintragen ließ. Ein Markenname Schulz erschien ihm jedoch zu langweilig, also nannte er seine Sportwagen Isdera, ein Acronym, abgeleitet aus den Anfangsbuchstaben von Ingenieurbüro für Styling, Design und Racing.
Seine Ehefrau brauchte er als Sponsor nicht mehr: Sein Geld verdiente er mit Fremdaufträgen, deren Erlöse in die Entwicklung der Isdera flossen: 1983 ging der Spyder als erstes Serienauto an den Start, 1984 stellte der schwäbische Autobauer auf dem Genfer Autosalon den Imperator vor, von dem 30 Fahrzeuge gebaut wurden. 1993 folgte als Einzelstück der Commendatore, der heute noch in China fährt der demnächst versteiget werden soll. Je nach Modell und Ausstattung kostete ein Isdera 200.000 bis 800.000 Mark. „Verdient habe ich nichts, es war die reine Leidenschaft.“
Logo wurde ein landender Adler auf blauem Grund. Wie schon der Erator hatten auch die Nachfolger Flügeltüren, ein extrem windschnittiges Design und den Rückspiegel auf dem Dach. Wer ein solches Auto haben wollte, musste sich vier Monate gedulden, denn in der Manufaktur entstanden Autos tatsächlich in Handarbeit. „Meine Kunden waren Geschäftsleute, ganz stabile Charaktere.“ 50 Isdera produzierte der Mini-Autohersteller insgesamt, zumeist wollten Kunden den Imperator. 37 führen heute noch. „Und sind jetzt teurer als damals.“
2016 verkaufte Schulz seine Firma an einen chinesischen Bieter, da keines seiner drei Kinder in seine Fußstapfen treten wollte. Mit seiner zweiten Frau lebt Schulz heute in Wendhausen, fährt einen Mercedes von der Stange und hat eine zweibändige, opulente Autobiografie geschrieben, die im Frühjahr erscheinen soll. Auflage: 311 Stück.
Kosten: 800 Euro. Pro Schuber. Einen Isdera zu besitzen war eben schon immer etwas kostspieliger.
QUELLE: mit freundlicher Genehmigung der >Hildesheimer Allgemeinen Zeitung< vom 5.1.2021 mit ganz kleinen Verbesserungen (kursiv gekennzeichnet).