Reise in den Untergrund TEIL 1

SchrauberTippUnsere befreundete Partnerseite www.Sternzeit-107.de  hat mit Ihrem Technikreferenten Thomas Bittl einen sehr interessanten Autor, vor allem für das Thema Technik an unseren Fahrzeugen (er ist auch noch im www.v-d-h.de  Typreferent, im www.107sl-club.de Online-Typreferent, Tourenbeauftragter, Technikreferent und stellv. RT70 Leiter). Der 107er ist durch seine Konstruktion sehr eng mit den Typen W114, W115, W116 und auch noch mit dem W123 und W126 verwandt und daher sind die Artikel für eine große Anzahl unserer Leser sehr interessant. In dieser fünf teiligne Reihe soll es um den Untergrund, verzeihung um den Unterboden gehen. Wir danken Thomas Bittl sehr für die Genehmigung seine Artikel an dieser Stelle zu präsentieren:

thomas_bittlLiebe Oldtimer-Fahrer und Fahrerinnen, in einer kleinen Serie widmen wir uns etwas näher der Technik unserer Fahrzeuge, die man nicht so oft bis gar nicht betrachtet. Von oben und im Innenraum werden die Oldtimer geputzt, gewienert, verschönert und bei Kratzern ausgebessert. Die Gummiteile an den Türen, die Türdichtungen und die Kofferraumdichtungen werden bei Bedarf erneuert. Zu guter Letzt bekommt der Wagen – wenn er Glück hat – spätestens alle 6 Jahre neue Pneus. Ansonsten verläßt man sich auf die Angaben im Wartungsheft – wer hat das noch und kann den Kundendienst lückenlos nachweisen? – die Werkstatt wird es schon richten. Wirklich? Sind dort tatsächlich alle Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten aufgeführt, die unsere Fahrzeuge nach über 10jähriger Nutzungszeit braucht? Wer hat sich jemals näher mit der Wartungsübersicht beschäftigt?

Mercedes-Benz muß als Aktiengesellschaft ein Interesse am Neuwagenverkauf haben und nach dem Gesetz für 7-10 Jahre, Mercedes-Benz aus Qualitätsgründen bis zu 15 Jahre, die zum Betrieb notwendigen, Ersatzteile vorhalten. Am Beispiel eines R107 wollen wir uns den Gummiteilen am Unterboden widmen und auf eventuelle Gefahrenpunkte eingehen. Z.B. verursacht ein undichter Kraftstoffschlauch vom Tank zur Benzinpumpe nicht nur einen brandgefährlichen Benzinsee sondern schädigt auch die Umwelt. Diese Schädigung muß dann – auf unsere Kosten – beseitigt werden.

Selbst unser jüngster SL (R107) – Baujahr 1989 hat inzwischen 20 Jahre auf dem schlanken Heckdeckel (der ihn designmäßig optisch wohltuend von den fetten Hintern der Stahlklappdachgeneration abhebt). Wie jedermann – und –frau erkennen kann, nutzen wir unsere Schätzchen damit sehr weit über den ursprünglich geplanten Nutzungszeitraum hinaus. Dementsprechend hat die WIS-CD, die die Werkstätten nutzen, an der einen oder anderen Stelle einen fehlenden Empfehlungsbedarf oder es fehlt für diesen langen Zeitraum eine Wartungsvorschrift. Damit bleibt Raum für zusätzliche wert- und fahrsicherheiterhaltende Tips und Tricks. Diesen Raum wollen wir in dieser kleinen Reihe nutzen.

Im Folgenden geht es um den Untergrund der bei der liebevollen Oberflächenpflege gerne vergessen wird. Am Fahrzeugboden begegnen uns all die Teile, die uns sicher auf der Straße halten, oder ein Fahren erst ermöglichen. Wir fangen für dieses Mal mit dem Kraftstoffsystem an. Bereits beim Öffnen des Tankdeckels fallen uns mindestens drei Gummiteile auf:

  • die beiden Anschlagpuffer des Tankdeckels
  • der Dichtgummi um den Tankstutzen, der verhindert, dass versehentlich überschwappender Kraftstoff nicht in den Kofferraum läuft.

Tipp: Bei geschlossenem Tankverschluß einfach etwas Wasser auf die Bohrung geben und sogleich muß unten beim rechten Hinterrad das Wasser sofort heraustreten. Sollte dies nicht der Fall sein, die Bohrung vorsichtig mit einem dünnen langen Draht von der Verstopfung befreien.

Sind die drei Gummis vorhanden und in Ordnung? Wenn ja, geht es weiter mit der Prüfung. Fehlt ein Gummiteil kann das Teil an der Teiletheke des Mercedeshändlers nachgekauft werden. Sind ausschließlich Oberflächenrisse vorhanden, so schmiert man das Gummistück mit technischer Vaseline (ist preiswerter und vor allem parfümfrei, wie die Vaseline für die Haut) ein und gibt danach Talkumpulver (ein Gummipflegemittel) auf den Gummi. Das Talkum staubt sehr stark und muß später abgesaugt werden, deswegen vorsichtig damit umgehen.

Wenn der vom Tanken kalte Kraftstoff im Tank ist, nimmt das Benzin die Temperatur der Umgebung an und dehnt sich aus. Um ein Überlaufen zu vermeiden, ist bei allen Fahrzeugen ein Überlaufbehälter über dem Tank angebracht. Dieser ist mit vier Überlaufschläuchen, einem Rücklaufschlauch und einer Entlüftungsleitung an den Wagenboden oder den Aktivkohlefilter versehen. Stinkt es nun im Kofferraum und/oder im Wageninneren stark nach Benzin, ist womöglich einer der Schläuche – oder wenn aus Kunststoff – der Überlaufbehälter dampfundicht und muß ersetzt werden. Die Schläuche sind Meterware und als solche relativ preiswert. Der Überlaufbehälter kostet um die 400,-€.

2_CIMG0592Der Kraftstoff verläßt den Tank durch ein Loch am Boden in der Mitte des Tanks. Davor ist noch ein Sieb im Tank eingebaut, das grobe Verunreinigungen zurückhalten soll. Das Sieb ist wartungsfrei. In dem Loch im Tankboden ist mit einem Schraubgewinde ein Schlauch vom Unterboden aus befestigt. Durch diesen Schlauch läuft der Kraftstoff zur Benzinpumpeneinheit am rechten Hinterrad. 2_CIMG0640Das nächste Hindernis für das Benzin auf dem Weg zum Motor ist die Benzinpumpe. Anders ausgedrückt: Wird der Schlauch zwischen Tank und Benzinpumpe undicht, läuft der Kraftstoffbehälter ganz leer, bis kein Tropfen mehr im Tank ist. Je nach Kraftstoffmengen und/oder örtlicher Gegebenheit steht das Fahrzeug dann in einem Benzinsee oder das Benzin läuft irgendwohin. Da der Halter des Fahrzeugs für den ordnungsgemäßen Zustand verantwortlich ist, drohen hier kräftige Umweltbußgelder. Stand der Wagen längere Zeit in dem Benzinsee, wurde der Reifengummi angegriffen und die Reifen sind sicherheitshalber ebenfalls zu tauschen. Nebenbei entstehen Benzindämpfe, die im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich sind.

Um sich die Menge zu verdeutlichen rufe man sich folgendes Bild ins Gedächtnis: Ein voller Tank fasst 80 Liter Treibstoff, dass sind 80 Ein-Liter-Flaschen Milch. Die 6er Kartons im Supermarkt fassen 6 Flaschen, somit wären das 13 Kartons und 2 Flaschen, die Auslaufen.

An der Kraftstoffpumpeneinheit ist ein kleiner Vorratsbehälter befestigt und der Kraftstofffilter. Auf der einen Seite sind diese Leitungen mit einem Druckrohr aus Metall verbunden. Auf der anderen Seite sind diverse Gummileitungen vorhanden. Werden diese undicht kann die Benzinpumpe keinen richtigen Druck aufbauen und der Motor läuft nicht rund und im laufenden Betrieb tritt Kraftstoff aus. Bei einer Nutzungsdauer von 10 Jahren werden diese Gummiteile im Regelfall weder porös noch undicht. Da wir die zwanzig Jahre Nutzung locker überschreiten, empfiehlt es sich nicht nur die Teile zu prüfen, ein Austausch ist angeraten. Die WIS/EPAS-CD schweigt sich zu einem generellen Austausch aus.

2_CIMG0024Zur eigenen Sicherheit läßt euch die ausgetauschten Teile mitgeben: Beim Selbermachen ist eine Hebebühne mit Abstützung für die Hinterachse ratsam. Zum Öffnen der Verschraubung am Tank ist entweder ein gewinkeltes Spezialwerkzeug notwendig oder die Hinterachse muß ein Stück abgelassen werden. Nach dem Einbau der Hinterachse bitte die korrekten Anzugsmomente einhalten!! Vom Benzinfilter geht es über eine Druckgummileitung zur Kraftstoffleitung aus Metall und von dort zur Vergaser-/Einspritzeinheit. Am Ende der Kraftstoffleitung begegnen uns wieder Schlauchleitungen an der Vergasereinheit (der Begriff gilt in Daimlerdeutsch auch für Einspritzanlagen). Auch diese sind alle 10 Jahre aus Materialalterungsgründen zu wechseln.

2_CIMG0022Platzt eine der Leitungen hier vorne im Motorraum trifft das Benzin auf heiße Teile und sorgt für eine rasche Verdampfung Ein Funke der Zündanlage oder aus der Reibung von zwei Metallteilen und der Motorraum brennt lichterloh. Die automatische Kraftstoffabschaltung über das Kraftstoffpumpenrelais verhindert zwar ein Nachfördern, doch der Kraftstoff in den Leitungen reicht für heftigen Flurschaden aus. Bei Einspritzanlagen wird immer zuviel Kraftstoff an die Vergasereinheit gefördert. Das zuviel an Kraftstoff wandert über eine Entsorgungsleitung zurück in den Tank. An der Vergasereinheit ist der Rücklauf mit einem Schlauch versehen um dann in ein Metallrohr zu münden. Das Metallrohr bringt den Kraftstoff über eine weiteres Schlauchstück zurück in den Tank. Die Rückführöffnung befindet sich – in Fahrtrichtung – links oben am Tank. Aus Sicherheitsgründen sollte man dieses Schlauchstück auch nicht vergessen zu wechseln.

So das war die kleine Tankrunde am SL/SLC. Aufgrund der Spezifikation, dass die Fahrzeuge nach 10 Jahren verschrottet werden, hat man in der WIS/EPAS auf einen Hinweis verzichtet, nach 10 Jahren die Gummiteile in der Kraftstoffversorgung zu wechseln. Hätten die Entwickler damals gewußt, was wir heute mit ihren Entwicklungen anstellen, wäre diese Empfehlungen sicher in die WIS/EPAS mitaufgenommen worden.

Euer Thomas Bittl von www.sternzeit-107.de und www.fsb-verlag.de .