Nach dem großen Zuspruch auf den ersten Teil unserer Reise mit Thomas Bittl in die Tiefen des Unterbodens (Artikel vom 30.6.10) freuen wir uns auf den zweiten Teil. Thomas Bittl von unserer Partnerseite www.Sternzeit-107.de ist unter anderem Typreferent im www.v-d-h.de, Online-Typreferent, Tourenbeauftragter, Technikreferent und stellv. RT70 Leiter im www.107sl-club.de. Auch wenn der Artikel direkt für den 107er geschrieben wurde, kann man die Tipps und Tricks gut auf die Typen W114, W115, W116 und auch noch auf den W123 und W126 übertragen. Wir danken Thomas Bittl sehr für die Genehmigung seine Artikel an dieser Stelle zu präsentieren.
Im letzten Beitrag gab es eine kurze Führung durch die Kraftstoffversorgung am Beispiel des Mercedes-Benz R107. In diesem Abschnitt widmen wir uns den Gummiteilen der Bremsanlage, der Kühlwasserversorgung, den Leitungen des Automatikgetriebes und der Klimaanlage.
1. Bremsen – Zuerst die Bremsen. Jedem ist klar, wer Gas gibt muß irgendwann auch anhalten, spätestens am Ende der Reise. Fangen wir diesmal oben an. Motorhaube auf und den Bremsflüssigkeitsvorratsbehälter begutachtet. Am Schraubverschluß ist eine Gummidichtung. Ist diese porös, findet hier ein erhöhter Luftaustausch statt. Es wird mehr Wasserdampf an die Bremsflüssigkeit gebracht und diese altert damit schneller. Das kleine Loch in der Mitte ist Absicht und dient dem Druckausgleich bei konstruktiv gewollten Absinken der Bremsflüssigkeit durch Verschleiß der Bremsbeläge und der Bremsscheibe. Die beiden Gummistopfen auf den Schalter des Vorratsbehälters dienen zum Schutz der Schalter gegen Verschmutzung und – beim Funktionstest zum Schutz der Finger. Der Behälter ist nur auf den Hauptbremszylinder (HBZ) aufgesteckt. Die Steckverbindung erfolgt mittels zwei Gummitüllen. Läuft hier Bremsflüssigkeit aus ist das zwar ärgerlich aber nicht weiter schlimm, da die Dichtungen einfach gegen Neue ausgetauscht werden können. Bei der Unterdruckmembran der Unterdruckdose sieht das schon anders aus. Ein geringer Verlust der Bremsflüssigkeit in die Dose wird von der Membran noch verkraftet. Bei größeren Verlusten ist die Dose – ohne HBZ – zu tauschen, da die Bremsflüssigkeit die Membran angreift und auf Dauer zerstört.
Bei Fahrzeugen mit Schaltgetrieben gibt es eine Abzweigung zur Kupplung, da die hydraulische Betätigung der Kupplung mittels der Bremsflüssigkeit erfolgt. Schwierigkeiten beim Kuppeln sind deswegen in alter Bremsflüssigkeit oder nicht korrekter Entlüftung der Kupplung zu suchen. Ein Tipp aus der www.sternzeit-107.de ist, den Wagen beim Entlüften der Kupplung hinten aufzubocken. Dabei den Wagen gegen Wegrollen sichern!! Vom HBZ geht es zu den Schraubverbindung der Bremsleitungen aus Gummi an den Vorderachsen, zur Schraubverbindung der Leitung zur Hinterachse und von da zu den Gummibremsleitungen an der Hinterachse. Bei Fahrzeugen mit ABS führen die Leitungen erst zum Druckmodulator der ABS-Anlage im Motorraum rechts vorne. Hier verzweigen die zwei Leitungen getrennt zur Vorderachse, bzw. zur einen Leitung an der Hinterachse (Vormopf) oder zu beiden Leitungen an der Hinterachse (Mopf). Die Metalleitungen sind sehr unempfindlich. Flugrost wird vorsichtig mit der Stahlbürste entfernt und mit Grün (MB-Farbnummer ? ? ? Wer kann uns diese nennen) überstrichen.
Die Gummileitungen von den Metallbremsleitungen zu den Bremssätteln altern im Laufe der Zeit. Dies zeigt sich durch äußere Risse, Rostbefall an den Eisenverschraubungen und – nicht sichtbar – durch Zuquellen nach innen, eine der häufigsten Ursachen für Totalausfälle der Bremsanlage. Zuquellen nach Innen? Was passiert da? Die Bremsflüssigkeit steht in dauerndem Kontakt mit der Innenseite der Bremsschläuche und greift diese an. Für die geplante 10jährige Nutzung der Fahrzeuge ein vollkommen unkritischer Vorgang. Da wir die Fahrzeuge aber länger nutzen, selbst die jüngsten Fahrzeug aus 1989 werden dieses Jahr 20 Jahre alt, sieht die Sache etwas anders aus. Bei diesem Angriff quillt der Gummi auf und verengt den Querschnitt der Gummileitung, bis er diese Öffnung ganz verschließt. Irgendwann drückt dann der Fuß des Fahrers/der Fahrerin mit Kraft Bremsflüssigkeit durch diese verschlossene Öffnung und das Fahrzeug bremst auch noch, nur schafft es die Gummimembran am Bremskolben im Bremssattel nicht mehr, die Bremsflüssigkeit durch diese Engstelle hindurch zurückzudrücken. Somit bleibt die Betriebsbremse in dieser geschlossenen Stellung stehen. Da die Fahrzeuge genügend Leistung haben, kann und wird weitergefahren. Man gewöhnt sich im Laufe daran dass der Wagen etwas träger wird (ähnlich wie bei den Verschleißerscheinungen der Stoßdämpfer) und fährt damit einfach weiter. Irgendwann setzt man sehr viel der Motorleistung in Bremsenergie – sprich Wärme – um. Heiße Felgen bei normaler Fahrt (keine Paßabfahrten) sind – neben steigendem Kraftstoffverbrauch – Indizien dafür, dass an der Bremsanlage etwas nicht korrekt funktioniert. Jetzt ist es höchste Zeit die Bremsleitungen zu wechseln oder in der MB-Fachwerkstatt wechseln zu lassen. Andernfalls besteht die Möglichkeit das traurige Schicksal eines 107er Fahrers bei der Autohaus Heusel Ausfahrt in 2006 zu teilen. Der werkstattgepflegte Wagen fing bei der Ausfahrt auf der Schwäbischen Alb innerhalb eines Ortes Feuer und konnte nur durch den beherzten Einsatz eines Fahrers eines nachfolgenden 107ers, respektive dessen Feuerlöscher und dem Wasser aus dem Gartenschlauch eines Grundstückbesitzers, vor dem Abbrand bewahrt werden. Da diese Aufgabe nicht in der WIS/EPAS-CD vermerkt ist, muß der Auftrag vom Fahrzeughalter kommen. Im Zweifelsfall darauf bestehen und sich die Bremsleitungen in eine, zu diesem Termin, mitgebrachte Kunststoffschale – nach dem Ausbau – legen lassen. Sinnigerweise gibt man diese Auftrag beim 2-jährigen Wechsel der Bremsflüssigkeit mit, da anschließend an den Bremsleitungswechsel die Bremsanlage entlüftet werden muß.
„Muß ich die Bremsflüssigkeit alle 2 Jahre wechseln? Ich fahr doch so selten!“ Ganz klare Aussage: JA!
Die Bremsflüssigkeit altert über die Zeit, die Häufigkeit der Nutzung ist dabei relativ egal. Die Bremsflüssigkeit ist zur eigenen Sicherheit, der Sicherheit der Mitfahrer/-in und zum Werterhalt (Unfallvermeidung durch Luftblasen und damit Bremsenausfall) spätestens alle zwei Jahre zu wechseln. Da es sich hierbei um ein sicherheitsrelevantes Bauteil handelt, bin ich in dieser Frage nicht diskussionsbereit. Von den Gummibremsleitungen geht es zu den Bremssätteln. Die Bremssättel tragen die Bremskolben. Die Bremskolben sind sehr genau gearbeitet und werden mit einer Gummimembran an ihrem Platz gehalten. Wird das Bremspedal getreten wandern die Beläge oder die Bremszange nach innen, und Bremsen die Radumdrehung ab. Wird das Bremspedal losgelassen, zieht die Membran den Bremskolben geringfügig zurück, so daß die Bremsscheibe und damit das Rad wieder frei läuft. Am Querlenker ist neben dem Bremssattel auch der ABS-Fühler verschraubt (bei Fahrzeugen mit ABS-Bremssystem). Vom ABS-Fühler führt eine elektrische Leitung zum ABS-Steuergerät und wird für dieses Beitrag nicht weiter betrachtet, weil hier kein Gummi zum Einsatz kommt. Für die Membran des Bremskolbens gibt es einen Reparatursatz. Diese Arbeiten sind Werkstattarbeit und nichts für den Hobbyschrauber. Wie die Gummibremsleitungen sollten auch die Membranen alle zehn Jahre getauscht werden. Im Rahmen meiner Restauration habe ich dies nicht gemacht. Diese Arbeiten werden diesen Winter nachgeholt. Alternativ kann auch ein neuer – originaler – Bremssattel verbaut werden.
2. Kühlwasser und Heizung – Durch die Bremsanlage sind wir nun durch und widmen uns dem nächsten Thema, der Kühlwasserversorgung. Vom Vorratsbehälter geht es mittels Schlauch an das untere Ende des Wasserkühlers. Bei Fahrzeugen mit Automatikgetriebe ist im unteren Bereich des Kühlers der Kühler für das Automatikgetriebe miteingebaut. Diese Anschlußleitungen bitte nicht verwechseln. Geht grundsätzlich zwar nicht (Kühlwasser gesteckt mit Schlauchschelle, Automatikgetriebe mit Gewindehülse verschraubt, aber man weiß ja nie… . Vom unteren Ende des Wasserkühlers geht es auch noch zur Wasserpumpe auf der rechten Motorseite (M110). Von dort durch den Motor zum oberen Anschluß des Kühlers. Am Ende des Motorblocks vor der Stirnwand ist der Warmwasserausgang des Motors zur Innenraumheizung. Die Verbindung zum Wärmetauscher erfolgt mittels eines Schlauchstückes. Der Wärmetauscher selber sitzt im Heizungskasten. Die Alurohre im Heizungskasten sind auf die Wärmetauscherflächen mittels Dichtungen gesetzt und mit Schlauschellen verschraubt und damit grundsätzlich drehbar. Auch diese Dichtungen können undicht werden. Man bekommt dann nasse Füße. Wenn wir schon in dieser Fahrzeugecke sind. Der Wasserkasten hat neben dem Heizungskasten links und rechts zwei Ablauföffnungen für das Regenwasser. Ein Stück Gummischlauch führt von dort durch den Getriebetunnel ins Freie damit das Regenwasser ablaufen kann. Unten sind diese Gummileitungen mittels Gummilippen verschlossen. Hat sich hier Laub angesammelt und die Gummilippen verstopft, kann es ebenfalls nasse Füße geben. Eine Reinigung dieser Gummilippen ist nur von unten möglich (Hebebühne notwendig). Vom Wärmetauscher aus geht es mit zwei Leitungen weiter zum Duotaktventil und der Heißwasserpumpe. Die Heißwasserpumpe sorgt wegen der schwankenden Motordrehzahl für einen gleichmässigen Wasserdurchsatz durch die Heizung. Andernfalls würde das Temperaturniveau im Fahrzeuginnern wechseln können. Auch hier sind wieder Gummileitungen im Einsatz die zu prüfen sind. Vom Duotaktventil geht es dann zurück zur Wasserpumpe. Die Prüfung der Gummileitungen im Motorraum ist mit Taschenlampe und Abtasten mit den Fingern noch recht einfach möglich. Schwieriger ist die Prüfung der Leitungen im Innenraum. Da für diese Prüfungen die Mittelkonsole ausgebaut werden muß, müssen vorher immer beide Sitze ausgebaut werden. Ist der Wärmetauscher auszubauen, muß das Gehäuse des Heizungskastens im Wagen zerlegt und ausgebaut werden.
3. Unterdruckanlage – Vom Ansaugkrümmer aus geht es zur linken Stirnwand zu den Rückschlagventilen der Unterdruckanlage. Es gibt einen Unterdruckweg für
- Zentralverriegelung
- Lüftungsklappen
- Scheinwerferhöhenverstellung
- Motorsteuerung
Mopf-107er haben eine Unterdruckpumpe im Kofferraum auf der rechten Seite, anstelle des Anschlusses an den Ansaugkrümmer, das Weitere gilt für diese Fahrzeuge ebenso. Der Vorratsbehälter für die Zentralverriegelung ist im rechten Kotflügel über dem rechten Vorderrad untergebracht. Der Vorratsbehälter für die Scheinwerferhöhenverstellung sitzt hinter der Verkleidung der linken A-Säule in Höhe des Pedals für die Feststellbremse. Die Verbindung zwischen den rot und grün markierten Kunststoffschläuchen sowie den Aktoren und Ventilen sind entweder aus einfachen Gummischläuchen oder Gummi-Y-Stücken. Normalerweise sitzen die Gummistücke recht stramm auf den Leitungen. Lassen sich die Gummileitungen leicht abziehen ist hier die Möglichkeit einer Undichtigkeit gegeben und das entsprechende Gummistück auszutauschen. Der Gummischlauch ist in der MB-Werkstatt als Meterware vorhanden und kann preisgünstig erworben werden, ebenso wie die Y-Stücke. Die Schlaucheinführungen in die Vorratsbehälter erfolgt mittels Gummistopfen, auch diese werden ab und an undicht, sind aber einfach zu wechseln. Ein bischen Schmierseife auf die Kunststoffleitung gebracht und das Einstecken der Kunststoffleitung geht wesentlich einfacher. Die Aktoren zum Öffnen und Schließen der Tür-, Tank- und Kofferraumverriegelung besitzen ebenfalls eine Gummimembran und sind ein erster Kandidat für Risse und Ausfall des Bauteils. An den Aktoren sind immer zwei Leitungen angeschlossen. Funktioniert ein Bauteil gegensätzlich zu den anderen, einfach die Leitungen tauschen. Die Lüftungsklappen unter den Gittern vor der Windschutzscheibe werden ebenfalls mittels Unterdruck gesteuert. Hier hat es viele Verbindungsstücke, die gerne undicht werden.
Die Scheinwerferhöhenverstellung erfolgt mittels Handrad beim Lichtdrehschalter. Pfeift es an dieser Stelle leicht, sind die Leitungen am Drehschalter verkehrt herum angeschlossen und die Leuchtweitenregulierung fällt aus. Einfach die Leitungen vertauschen und es funktioniert wieder. Da der Gummi gerne an dem Handrad festkleben, ist ein Abbrechen des Anschlussnippels in Betracht zu ziehen. Vom Handrad geht es direkt zu den Stehblechen an den Kotflügeln, durch die Gummileitung in den Radkasten und von dort von hinten an die Scheinwerfer und mittels Gummileitung an den Aktor für die Höhenverstellung.
Für die Motorsteuerung wird der Unterdruck benötigt für die Zündzeitpunktverstellung am Verteiler und das Abgasrückführungsventil. Läuft der Motor nicht mehr rund oder unregelmäßig sind – neben den üblichen Verdächtigen der Kraftstoffversorgung und Elektrik – durchaus die Unterdruckleitung zu prüfen. Bei laufendem Motor gibt man dabei etwas Startpilotspray der Reihe nach auf die einzelnen Gummistücke. Je nachdem wie stark das Kraftstoffgemisch mit dem Spray angefettet wird, läuft der Motor schneller oder stirbt – wegen Überfettung – ganz ab. Sinnvollerweise entfernt man – speziell bei den 8-Zylindern – dabei den Luftfilter, da darunter ebenfalls noch ein paar Gummileitungen liegen.
4. Klimaanlage – Vom Kompressor der Klimaanlage geht es zum Kondensator. Der Fahrtwind kühlt das erhitzte Gas bis zu seiner Verflüssigung ab. Vom Kondensator geht es zum Flüssigkeitsbehälter. Von dort gelangt das Kühlmittel zum Expansionsventil. Vom Expansionsventil gelangt das Kühlmittel zurück zum Kompressor. Der Kreislauf ist damit geschlossen. In den modernen Kältemitteln ist eine Kontrastflüssigkeit, die eine Leckage durch ihre grünliche Verfärbung sofort dokumentiert. Das entsprechende Schlauchstück/ die entsprechende Komponenten ist dann auszutauschen. Im Flüssigkeitsbehälter ist eine Trocknerpatrone verbaut. Diese Patrone entzieht dem Kühlmittel Wasser und sollte von Zeit zu Zeit getauscht werden. Ist die Trocknerpatrone mit Wasser vollgesogen, gelangt der Wasserdampf zum Expansionsventil. Durch die bei der Verdampfung entstehende Kälte kann das Expansionsventil vereisen und fällt aus. Dann kühlt die Klimaanlage nicht mehr. Im Expansionsventil selber sind Gummidichtungen verbaut, auch diese altern mit der Zeit. Ebenso beinhaltet der Kompressor Dichtungen die im Laufe der Zeit verschleißen. Eine Reparatur der Komponenten ist möglich, aber sehr aufwändig. Auf der WIS-CD sind die zwei verwendeten Kompressoren mit je acht Seiten beschrieben. Arbeiten an weiteren Komponenten machen es durchaus erforderlich, die Sitzanlage und die Mittelkonsole zu entfernen. Kurz gesagt: Ein Ausfall der Klimaanlage zieht im ungünstigsten Fall umfangreiche Arbeiten nach sich.
Grüßle Euer Thomas Bittl von www.sternzeit-107.de und www.fsb-verlag.de .