Reise in den Untergrund TEIL 3

Teil 1 und 2 der Technikserie mit Thomas Bittl zeigte uns in den Tiefen des Unterbodens bereits einiges an oft vernachlässigten Technikteilen (Artikel vom 30.6. und 7.7.10), heute werfen wir einen Blick auf das morsche Gummi… und soviel sei verraten: Korrektes, einwandfreies Gummi ist lebensnotwendig, wenn der Klassiker bewegt werden soll! Thomas Bittl von unserer Partnerseite www.Sternzeit-107.de ist unter anderem Typreferent im www.v-d-h.de, Online-Typreferent, Tourenbeauftragter, Technikreferent und stellv. RT70 Leiter im www.107sl-club.de. Auch wenn seine Artikel  für den 107er geschrieben wurden, kann man die Tipps und Tricks sehr gut auf die Typen W114, W115, W116 und auch noch auf den W123 und W126 übertragen. Wir danken Thomas Bittl sehr für die Genehmigung seine Artikel an dieser Stelle zu präsentieren.

In den letzten beiden Abschnitten ging es um die Gummiteile der Kraftstoffversorgung und der Bremsanlage. In diesem Teil geht es um die Gummiteile der Vorderachse, sowie – wie ich und andere 107er Fahrer finden – um ein sinnvolles Zubehörteil. Eine Spezialität an der Vorderachse sind auch die hier verwendeten Kunststoffteile. Diese werden in diesem Beitrag gleich mit betrachtet, sind diese doch ebenfalls sicherheitsrelevant.

Vorderachse und Gummiteile: Wie passt das zusammen?

Die Hauptbestandteile der Vorderachse sind die Teile Vorderachsgrundkörper, oberer und unterer Querlenker, der Achsschenkel, die Federn, die Stoßdämpfer, die Torsionsstange und die Lenkungsteile, Anlenkhebel, Spurstangen und Lenkstange. An den Achsschenkeln sind die Bremssättel befestigt. Die Gummiteile dazu sind im letzten Heft betrachtet worden. Die Lagerungen des Antriebs werden in einem späteren Artikel behandelt. Das Rad sitzt am Radträger. Dieser besitzt zwei Rollenlager. Das Äußere ist durch eine Metallkappe geschützt. Diese Metallkappe sehen wir, wenn wir das Rad zum Rad-/Reifenwechsel abnehmen. Am anderen Ende des Radträgers, hinter der Bremsscheibe, sitzt das innere Rollenlager. Dieses ist mit einem Gummiring, der an den Radträger leicht eingepresst ist und mit einer Feder gehalten wird, gegen eindringenden Schmutz geschützt. Um den Gummiring legt sich eine Metallnut, die an dem Schutzblech der Bremsscheibe befestigt ist, und den Gummiring vor Beschädigungen schützt. Dieser Gummiring wird die ganze Zeit von innen gefettet und damit geschmeidig gehalten. Damit verschleißt dieser Gummi kaum. Der Radträger sitzt am Achsschenkel, an dem er auch befestigt ist. Der Achsschenkel wird oben vom oberen Querlenker und unten vom unteren Querlenker gehalten. Am oberen Querlenker sitzt das Führungsgelenk und am unteren Querlenker das Traggelenk. Diese Gelenke sind mit einer Gummimanschette (heute als Ersatzteil aus Kunststoff) geschützt. In der Gummimanschette ist eine Fettfüllung eingebracht, die das Gelenk dauerhaft schmiert. Ist die Manschette beschädigt, können Schmutz und Waser eindringen und das Gelenk innerhalb kürzester Zeit (unter 50km) zerstören. In der Folge hat der Achsschenkel keine Führung mehr und das Rad fällt mit dem Achsschenkel ab. Eine defekte Manschette ist deshalb unbedingt zu ersetzen. Da hierfür die Feder ausgebaut werden muss, ist das eine Arbeit für die Fachwerkstatt. Außerdem kann die Passung zwischen Gelenk und Querlenker festgehen. Dann muss diese Verbindung mit einer Presse gelöst werden (Vormopf). Diese Presse findet sich ebenfalls eher in einer Fachwerkstatt, als in einem normalen Schrauberhaushalt.

Die Querträger sind am Vorderachsgrundkörper (Daimlerdeutsch: Fahrschemel) befestigt. Da die Querlenker dem Rad den nötigen Höhenweg für das Auf und Ab des Rades erlauben, sind diese drehbar am Vorderachsgrundkörper befestigt. Damit die Auf- und Abbewegungen keine Schleif- und Quietschgeräusche erzeugen und auf die Karosserie übertragen, und um den Fahrkomfort zu erhöhen, sind dort am unteren Querlenker Silentbuchsen und am oberen Querlenker Lagerbuchsen angebracht. Im Prinzip sieht eine Silentbuchse wie ein kleiner Zylinderhut aus, an dem der Deckel des Hutes fehlt. In den Zylinder ist eine Metallhülse einvulkanisiert, die der Konstruktion die nötige Steifigkeit verleiht. Verschleißen diese Buchsen, macht die Vorderachse durch Poltergeräusche auf sich aufmerksam und die Lenkpräzision leidet. Je nach Verschleiß kann es bei Volleinschlag auch zu Schleifgeräusche der Reifen an der Karosserie kommen.

An den Querlenkern sind auch noch die Stoßdämpfer und die Federn befestigt.

Die Stoßdämpfer sind unten in einem Gummiauge gelagert und oben gegen die Karosserie mit zwei Gummischeiben. Ist hier etwas porös oder auseinandergebrochen und herausgefallen, poltert es ebenfalls in der Vorderachse. An den Stoßdämpfern ist am Federstab oben eine Schutzhülle angebracht, um grobe Verschmutzungen von der Schubstange des Federbeins abzuhalten. Fehlt diese Hülle oder ist die Hülle schwer beschädigt, sind die Stoßdämpfer auszutauschen. Ebenfalls auszutauschen sind die Stoßdämpfer, wenn ihre Dämpferleistung nicht mehr ausreichend ist. Korrekt testen kann man die Stoßdämpfer nur im ausgebauten Zustand in einem Fachbetrieb. Der Test, der z.B. beim ADAC durchgeführt wird, und den Stoßdämpfer im eingebauten Zustand testet, testet das System Reifen, Federn, Torsionsstange und Stoßdämpfer und nicht nur den Stoßdämpfer alleine. Das Ergebnis hat somit nur eine geringe Aussagekraft.

Die Feder ist unten im Federteller gelagert und oben in einem Gummiring. Den Gummiring gibt es in verschiedenen Stärken, gekennzeichnet mit einem, zwei, drei oder vier Noppen. Die unterschiedlichen Gummiringe dienen der Höheneinstellung des Vorderwagens. Zum Wechsel des Gummis muss die Feder ausgebaut werden. Wegen der Gefährlichkeit der Arbeiten und des benötigten Werkzeuges (Innenfederspanner mit passendem Federteller) ist dies ebenfalls Werkstattarbeit. Die Torsionsstange sorgt bei Kurvenfahrt dafür, dass das kurvenäußere Rad das kurveninnere Rad auf den Boden drückt und so die Haftung der Reifen auf der Strasse verbessert. Die Torsionsstange ist mit Stützstangen am unteren Querlenker befestigt. Alle Teile sind mit Gummiteilen verbunden oder darin gelagert. Auch diese Gummiteile verschleißen und müssen dann ausgetauscht werden. Wenn der SL/SLC in den Kurven zu sehr wankt, ist an dieser Stelle nach der Ursache zu suchen.

Das Rad wird über den Radträger am Achsschenkel befestigt.

Dieser wiederum über die Silentbuchsen, den unteren Querlenker und Lagern am oberen Querlenker am Vorderachsgrundkörper (fast baugleich mit dem aus dem /8., es fehlen nur die versenkten Öffnungen für die Motorhalteschrauben von unten)

Der Vorderachsgrundkörper ist mit vier Schrauben an den Längsträgern der Karosserie befestigt. Dies geschieht ebenfalls in Gummilagern. Diese Gummilager sind vorne und hinten mit Luftkammern versehen. Diese dienen dem Fahrkomfort, die Lenkpräzision ist gegenüber heutigen Fahrzeugen jedoch geringer. Sind diese Lager verschlissen, verschlechtert sich die Lenkpräzision nochmals erheblich. Ein leichtes Poltern und schlechtes Fahrverhalten an der Vorderachse sind die Folge, der Wagen schwimmt. Abhilfe schaffen neue Gummilager von Mercedes, die als Einzelteile oder auch in einem kompletten Reparatursatz für die Vorderachse erhältlich sind. Die Lenkpräzision verbessert sich spürbar.

Im Zubehörmarkt sind Zusatzteile zu den Originallagern erhältlich, die durch das Ausfüllen der Luftkammern eine deutlich verbesserte Lenkpräzision versprechen. Ich habe diese Teile in meinem 107er verbaut und bin begeistert über das jetzt direktere Ansprechen der Lenkung, was eine deutlich sportlichere Fahrweise zulässt. Die Mopf-Vorderachsen sind schon ein Gewinn gegen die Vormopf-Vorderachsen. Speziell die Vormopf-Vorderachse gewinnt spürbar an Lenkpräzision.

Ein Beispiel von der Ennstal-Klassik-Ausfahrt von 2007:

Zwei SL-Besatzungen mit Fahrzeug (einmal Vormopf und einmal Mopf) hatten sich in 2007 die Ennstal-Klassik als Ausfahrt ausgesucht. Das Mopf-Fahrzeug heizte mit der so modifizierten Vorderachse bei der Ennstal-Klassik problemlos einem Wettbewerbsfahrzeug bergab hinterher. Der Vormopf-SL ohne diese Verstärkungen kam den beiden Heizern nicht hinterher. Unten im Tal traf man sich dann wohlbehalten wieder.

Da es sich um ein sicherheitsrelevantes Teil der Vorderachse handelt habe ich mir Gedanken gemacht und ein TÜV Gutachten erstellen lassen.

Bei der Abnahmefahrt in meinem SL saß ich auf dem Beifahrersitz, als der TÜV-Prüfer meinen SL bewegte. Er war erstaunt, wie präzise sich der Wagen damit bewegen ließ, dabei waren meine MB-Vorderachsgummis und die Verstärkungen bereits über eineinhalb Jahre alt! Die Objektivität des TÜV Gutachters ist sichergestellt, da in seiner Nachbarschaft ebenfalls ein 107er steht, den er alle zwei Jahre zum Prüfen bekommt. und dieses Fahrzeug keine Verstärkungen verbaut hat.

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß Gutachten nach §21 StVZO nach Fahrzeugänderung (§19 Abs. 2 StVZO) hat mit der TÜV ohne Vorbehalt ausgestellt.

An den Anlenkhebeln, Spurstangen und der Lenkstange sitzen ebenfalls Kugelgelenke und darüber die entsprechenden Manschetten. Hier gilt das weiter oben gesagte. Die Manschetten müssen unbeschädigt sein, andernfalls besteht die Gefahr des Verlustes einzelner Komponenten und des Ausfalls der Lenkung oder Teilen derselben. Der Austausch ist ebenfalls Werkstattarbeit, da bei einem Wechsel der Bauteile die Spur des Wagens neu eingestellt werden muss.

Ich hoffe, ich konnte euch auf einige weitere Prüfzonen an eurem SL/SLC aufmerksam machen. Viel Spaß beim Prüfen.

Wer die Vorderachsverstärkungen mit Mustergutachten bestellen will, sucht die Internetseite www.fsb-verlag.de auf. Das Mustergutachten wird ausschließlich bei Bestellungen über den FSB-Verlag mitgeliefert.

Grüßle Euer Thomas von www.sternzeit-107.de und www.fsb-verlag.de .