von Ralf Kühl - www.treffpunkt-strich-8.de
Nach einiger Zeit des Eingewöhnens hatte er dort dann bei Aufräumarbeiten eine nicht mehr in Betrieb befindliche, alte Celette-Rahmenrichtbank entdeckt.
Auf Nachfrage bei einem Altgesellen erfuhr Pierre, dass sie damals in den 70ern für den Mercedes W 114/115 angeschafft wurde. Mehr oder weniger in einem Nebensatz erwähnte er ebenso, dass es eigentlich irgendwo in der Firma auch noch einen Richtsatz für die Modelle geben müsste. Nach kurzer Suche tauchten dann tatsächlich auch 2 schwere Holzkisten mit diversen Richtwerkzeugen auf, die, wie sich später erfreulicher Weise herausstellte, nicht nur den Satz für den „normalen“ W114/115 enthielt, sondern auch die zusätzlichen Teile für eine Montage mit Vorder- oder Hinterachse – und – Bingo ! – den Richtsatz für die Langversion des /8!
Da Pierre klar war, wie selten so ein Richtsatz in Kombination mit der Bank sein würde, wollte er sich diese kleine, kostbare Konvolut unbedingt erst mal sichern. Aber auch wenn die Richtbank seit Jahren nicht mehr genutzt wurde, wollte sein Chef sie auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht hergeben. Auch die Tatsache, dass die Bank samt Werkzeug nur Platz wegnehmen würde, konnten den Chef nicht überzeugen – er wusste wohl, was er da hatte, auch wenn wohl nie wieder ein /8 darauf gerichtet werden würde – zumindest nicht in Schweden.
Außerdem hätte das ganze ja letztendlich auch noch einen auf Grund des nicht ganz unerheblichen Gewichtes entsprechenden Schrottwert gehabt – das dies ein nicht zu unterschätzendes Argument war, sollte sich dann leider viele Monate später herausstellen. Es vergingen dann wie gesagt einige Zeit in der sich nichts tat – außer das Pierre mir zwischenzeitlich ja schon von der Richtbank erzählt hatte und ich nun in regelmäßigen Abständen immer mal wieder nachfragte, ob diese nicht doch zu kaufen sei – aber ein um´s andere Mal die gleiche Reaktion: Cheffe wollte sie (erst mal) unbedingt behalten.
Und wie es dann im wahren Leben so ist: Pierre war gerade u. a. auf einem Pfingstreffen des VdH in Deutschland, als bei der Firma Philipson in Schweden eine große Aufräum-Aktion gestartet wurde, bei der die Rahmenrichtbank selbst schlussendlich tatsächlich auf dem Schrottplatz entsorgt wurde!! Wieder zurück in Schweden erfuhr Pierre einige Zeit später von der „Aufräum-Aktion“ und machte sich sofort auf den Weg zu dem besagten Schrottplatz in der Nähe seines Wohnortes, wo er die Bank dann tatsächlich entdeckte – mittlerweile war sie aber auf Grund der Witterung und des Gewichtes draußen stehend schon um einiges im weichen Untergrund eingesunken, aber eben noch komplett und rettbar.
Auch wenn der Schrottplatz-Besitzer die Richtbank vor der Verschrottung eigentlich noch nutzen wollte, um seinen Landrover darauf zu richten, gelang es Pierre ihm die Bank abzukaufen. Mit Hilfe von Trecker und Gabelstapler wurde die Richtbank auf einen Transporter geladen und erst mal zu ihm nach Hause gebracht, wo sie dann weiter im Freien stand. Nur die Richtwerkzeuge waren nicht mit auf dem Schrottplatz gelandet – aber wo waren sie zwischenzeitlich hin gekommen!?
Am nächsten Tag durchstöberte Pierre dann noch mal das Lager in der Firma und fand schließlich den immer noch kompletten Richtsatz. Noch mal nachgefragt, was man dann mit dem Richtsatz noch wolle, wo die Bank ja gar nicht mehr da war und wo doch wohl eh nie wieder ein /8 zum Richten kommen würde, konnte er seinem Chef den kompletten Satz dann auch abkaufen. Als Pierre mir die Neuigkeiten mitteilte und mir auch endlich ein erstes Bild mailte, war ich natürlich erst recht Feuer und Flamme, denn so einen kleinen „Schatz“ bekommt man ja nicht alle Tage angeboten.
Das erste Bild vom Richtsatz, das ich aus Schweden bekam:
Leider gibt es von der ganzen Aktion keinerlei Bildmaterial.
Im ehemaligen Bullenstall, der damals schon als Stellplatz für andere Richtgestelle und bessere Fahrzeuge genutzt wurde, fristete die Richtbank dann für die kommenden 5 Jahre ihren mindestens 2. Dornröschenschlaf, der dann auch nicht der letzte sein sollte… die Richtbank geht in ihren mindestens 2. Dornröschenschlaf :
… denn dass ein erster Einsatz noch einige Zeit auf sich warten lassen würde, war mir zum Zeitpunkt des Kaufes zwar schon bewusst, aber er war für mich neben der Liebhaberei und dem „haben-wollen weil für /8 und selten“ damals schon auch eine Investition in die Zukunft. Zu dieser Zeit war der /8 einfach noch nicht so weit, dass er nach größerem Unfall oder gar einem Total-Schaden auf die Richtbank kam – dafür war er damals einfach noch nicht genug wert – es sei denn rein persönliche Gründe wären ausschlaggebend gewesen, weil der Wagen noch in Familienbesitz war oder ähnliches. Aber seine Zeit würde kommen – da war ich mir damals schon sicher.
Interessant ist ja an dieser Stelle auch die Tatsache, dass in den 70er und 80er Jahren der /8 auf Grund seines damaligen Wertes nach einem Unfall noch gerichtet wurde. Anschließend gibt es einen Zeitraum von gut 20 Jahren wo dies so gut wie gar nicht mehr der Fall war, weil es auf Grund des Wertverfalls einfach nicht mehr wirtschaftlich war. Und heute ist er wieder so viel im Wert gestiegen, dass der ein oder andere sich doch überlegen wird, den /8 nach einem Unfall wieder richten zu lassen. Dazu kommen aufwendige Restaurierungsarbeiten, bei denen die Karosse teilweise so weit zerlegt werden muss, dass es ohne Richtbank nicht gehen würde. So ändern sich die Zeiten.
Da ich die Richtbank aus oben genannten Gründen in den kommen Jahren also nie wirklich benötigte, sah ich auch keine Veranlassung mich Ihrer anzunehmen – vor Nutzung hätte man nämlich sowieso erst mal die vielen zusätzlich angebrachten neuen Verstrebungen demontieren müssen, die im Laufe der Jahre, wo die Richtbank in Schweden noch für neuere Modelle und auch andere Fabrikate genutzt wurde, angebracht wurden.
2006 dann ein erster Schritt die Bank und die Richtwerkzeuge für ihren ursprünglichen Einsatz, dem Richten von /8-Modellen, wieder herzurichten:
Freund und Kollege Benni Lichtenberg, der mittlerweile auch der Liebe wegen nach Irland ausgewandert war, (das Angebot an Frauen, die es mit „Schraubern“ aufnehmen wollen, scheint in Deutschland wohl sehr begrenzt zu sein) hatte sich mit einem seiner Freunde für einen Besuch angekündigt. Benni ist auch mit Leib und Seele Mercedes-Schrauber und hat in Irland einen eigenen Betrieb – wer ihn im Irland-Urlaub mal besuchen möchte: www.lichtenberg-classics.ie . Da ich ihm vorher schon mal von der Richtbank erzählt hatte und ihn das auch interessierte, sind wir dann zur Tat geschritten und haben erst mal die ganzen zusätzlichen Aufbauten demontiert. Leichter gesagt als getan, denn manche Bolzen und Muttern waren im Laufe der Jahre und auch durch den Zwangsaufenthalt im Freien so festgerostet, dass sie selbst mit Hitze nicht zum Lösen zu bewegen waren und wir sie schließlich abflexen mussten.
Demontage der im Laufe der Jahre zusätzlich angebrachten „Aufrüstungen“
Durch die jetzt getane Arbeit sollte man ja eigentlich genug Ansporn haben, das Projekt nun auch weiter voranzutreiben – deswegen um so unverständlicher, dass der erreichte Zustand am Ende des Tages dann nun aber der für den 3. Dornröschenschlaf werden sollte.
Aber zur Erklärung: Da es aus Ermangelung von aufzuarbeitenden /8-Unfall-Fahrzeugen nach wie vor keine wirkliche Verwendung für die Richtbank gab, fristete sie so erst mal weitere Jahre im Bullenstall ihr Dasein, zumal ich schon damals mit Kundenaufträgen anderer Art genug andere Baustellen hatte.
Dazu kam auch noch, dass der optische Zustand sowohl der Bank, als auch der Werkzeuge mehr als gruselig war. Der Zahn der Zeit und die Tatsache, dass die Bank auch einige Zeit der Witterung ausgesetzt war, hatten allen Bereichen doch extremst zugesetzt. Gleiches galt auch für die Schwerlast-Lenkrollen, die entsprechend schwergängig waren und dazu führten, dass die Bank nur mit großer Anstrengung bewegt werden konnte.
Seit ich die Richtbank bekommen habe, hatte ich den Wunsch sie irgendwann und vor ihrem ersten Einsatz mit neuer Farbe zu versehen – der Gedanke, die Bank dafür wieder zu zerlegen und sämtliche Teile vor der Lackierung auch noch strahlen zu lassen reifte erst im Laufe der Jahre.. 2014 (die Bank war nun zwischenzeitlich schon 13 Jahre in meinem Besitz) war es dann endlich so weit: durch meinen neuen Mitarbeiter Patrice und dessen Wunsch seinen XXL-Kombi (ein extrem seltener /8 Kombi als Langversion) auf der Richtbank zu restaurieren angeregt, reifte der Gedanke das Projekt nach so vielen Jahren dann doch endlich mal anzugehen und zum Abschluss zu bringen, immer mehr. Nachdem wir die Bank dann im Sommer 2014 wieder zerlegt und angefangen hatten die Einzelteile von Hand zu entrosten, um sie anschließend mit neuer Farbe zu versehen, wurde schnell klar, das um ein wirklich perfektes Ergebnis zu erzielen, alles komplett gestrahlt werden musste.
Mühsames Entrosten von Hand und maschinell…
Werkzeuge brachten wir selber…
… die Bank wurde abgeholt
Die „Strichliste“ der gerichteten Fahrzeuge
Nach kurzer Recherche im Internet habe ich der nach wie vor existierenden Firma Celette Deutschland eine e-mail geschrieben und bekam auch postwendend (so einen Service gibt es tatsächlich noch) die Antwort mit den Nummern der RAL-Töne, in denen sowohl die Bank selbst, als auch die Werkzeuge original lackiert werden sollten. Der Besitzer des Strahlbetriebes arbeitet mit einer Lackiererei ganz in seiner Nähe zusammen und sagte mir zu, dass die Teile dann von ihm unmittelbar nach dem sie gestrahlt wurden (übrigens mit Keramik-Granulat) auch dort angeliefert werden könnten – Perfekt! – denn so war gewährleistet, dass die frisch gestrahlten Teile nicht gleich wieder Flugrost ansetzen konnten, weil sie wo auch immer zusätzlich länger hätten zwischengelagert werden müssen.
Die gestrahlten Teile…
Auch noch besprochen werden musst, wie die Teile und die Bank frisch lackiert wieder zurück kommen – und auch hierfür bot sich eine ideale Lösung an: Auch der Lackierer verfügte über einen Kranwagen und erklärte sich bereit, das Ganze nach entsprechender Trocknungszeit auch anzuliefern.
Anfang September 2014 war es dann endlich so weit – die fertig lackierten Teile samt Bank wurden vom Lackierer angeliefert. Zuvor hatten wir die Lenkrollen noch vorbei gebracht und dort montiert, um den Transport und das Abladen etwas zu erleichtern. Unglaublich wie leicht sich die schwere Bank nun mit den überholten Rollen bewegen ließ.
Teile und Bank…
Zusammenbau
Das Gesamtergebnis ist schon beeindruckend – so wie die ganze Geschichte dieser Bank:
In Deutschland, bzw. Frankreich produziert und Anfang der 70er Jahre nach Schweden ausgeliefert – dort viele Jahre im Einsatz, bei dem mindestens 128 Unfallschäden gerichtet wurden, um dann am Ende auch noch auf dem Schrottplatz zu landen. Dann die Rettung durch Pierre und der Transport zurück nach Deutschland, wo sie nun bei uns, selber frisch restauriert, auf ihren ersten Einsatz wartet.
fast fertig für den ersten (Wieder-)Einsatz
Und eines ist wohl jetzt schon sicher: zukünftig werden auf dieser Richtbank wohl auch nur noch /8-Karossen gerichtet – zumindest so lange wie sie bei uns stehen wird.
Da momentan kein Fahrzeug zum Richten vorhanden ist (die XXL-Version von Patrice steht noch bei Berlin), haben wir uns bis dato auch die Arbeit erspart, eine Karosse auf die Richtbank zu bringen – auch wenn es einen schon in den Fingern juckt jetzt, nachdem sie selbst restauriert ist, endlich ein Fahrzeug drauf zu stellen. Da dies aber wieder zusätzliche Zeit gekostet hätte und wir ohnehin immer sehr gut ausgelastet sind, haben wir es erst mal beim „Ist-Zustand“ belassen.
Zu dem Richtsatz der Bank habe ich übrigens auch noch einen mit Original Teilenummern versehenen Holz – Richt-/Lehren-Satz, für den /8, mit dem man bei verzogenen Karossen alle relevanten Türbereiche der /8 Limousine prüfen und ggfs. richten kann – das in Kombination mit der Bank samt dem Richtwerkzeug dürfte wohl ziemlich einzigartig sein…
Ein Teil des Holz-Richt/Lehren-Satzes
– Edit –
Vor einigen Jahren hatte ich schon die Idee, diese seltene Kombination aus Richtbank-Richtsatz und Holz-Mess/Lehrensatz innerhalb des Strichachclub-Standes auf Der Techno Classica in Essen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Da das Ganze sich aber schon rein optisch in einem desaströsen/unansehnlichen Zustand befand und mir der Aufwand das alles entsprechend aufzuhübschen immer zu hoch war, blieb es bis dato leider immer nur bei der Idee. Der Transport des Ganzen (dazu evtl. noch samt Karosse drauf) war eine zusätzliche Hürde, die in Kombination mit eh schon permanenter Überlastung dazu führte, den Gedanken immer wieder zu verwerfen.
Da sich die Bank nun nicht nur optisch in einem guten, fast neuwertigen Zustand befindet, sondern die Zeit einfach reif war, habe ich mich mit Matthias – seines Zeichens Präsi vom Strichachtclub – kurzgeschlossen, ihm von meiner Idee erzählt und ihm ein paar Bilder gemailt. Matthias war sofort begeistert und hat das Thema umgehend mit dem Orga-Team der Messe diskutiert. Auch hier schien das Ganze auf mehr als offene Ohren zu stoßen, denn so eine Kombination ist ja wirklich ein Hingucker. Die „nackte“ Richtbank samt Richtsatz alleine hätte zwar auch ihren Reiz gehabt, aber mit dem Holz-Satz und einer entsprechenden Karosse drauf, wäre das natürlich noch um ein vielfaches interessanter gewesen. Dafür kam eigentlich nur eine sehr gute und zu dem auch komplett „gestrippte“ Karosse in Frage, oder eben ein Unfall-Strich8, bei dem es sich lohnen würde ihn wieder zu richten. Da es aber derzeit keinen solchen Unfallschaden gibt, haben wir uns für die Karosse entscheiden – zumal an der vorhandenen kein einziges Teil verbaut, so dass man nicht nur die Aufnahmen/Messpunkte sehen, bzw. erklären kann sondern auch in alle anderen wirklich interessanten Bereiche der /8- Karosse (wie z. B. den Lüftungswasserkasten) schauen kann.
Die Karosse von dem Gestell, auf dem sie seit Jahren schon steht, nun auf die Rahmenrichtbank umzubetten, war schon mit einigem Aufwand verbunden – zum Glück gibt es in der Werkstatt aber einen entsprechenden Flaschenzug, um das Ganze anzugehen.
die Karosse am Flaschenzug…
Patrice und ich werden dann auch vor Ort sein, um Fragen zur Karosse, bzw. der Richtbank beantworten zu können – vielleicht sieht man sich ja…