Sternfahrt-Vorschau I – 220D lang

In genau sieben Wochen startet das Jahrestreffen des MB Strich Acht Club Deutschland e.V. in Stendal (alle Infos unter www.Sternfahrt.net). Obwohl das Teilnehmerfeld bereits heute gut gefüllt ist, möchten wir vorab einige Teilnehmerfahrzeuge, quasi um bereits einen Vorgeschmack zu bekommen, kurz vorstellen. Den Anfang macht dabei ein ganz besonderes Fahrzeug:

imm00910Aperkandreastüvcelle2008Beim Ausparken in einer engen Gasse auf Teneriffa streifte Andreas Perk mit seinem weißen W 123 einen Mitsubishi. Das er damit an ein ganz besonderes Fahrzeug gelangen sollte, wusste er dabei noch nicht. Um das defekte Scheinwerferglas zu ersetzen, machte er sich zu einem Schrottplatz auf. Während er auf das benötigte Ersatzteil wartete, entdeckte er einen 220 D /8 lang, weiß überlackiert, mit Nahkampfspuren, aber innen wie außen komplett, Innenraum unverbastelt und in gutem Zustand! Die Fondsitzbank zeigte sich fast jungfräulich: mehrere Decken lagen darüber, auch die Fondkopfstützen waren durch Lappen geschützt. Weniger gut sieht die vordere Sitzbank (!) aus, aber egal. Und der Rest? Die Karosserie hat Beulen, Spachtel, Rost am Unterboden. Und der Motor? Totalschaden durch Kettenriß. Auf die Frage, wieviel das Interieur kosten solle, gab es eine kurze und eindeutige Antwort: „COMPLETO!“ Entweder alles oder nichts! Mit Handschlag wurde der Kauf nach zähen Verhandlungen beschlossen.

Hier die Geschichte des Wagens: Im Frühjahr des Jahres 1970 bestellte die Botschaft von Venezuela bei dem Generalimporteur von Mercedes-Benz für die kanarischen Inseln für ihren Handelsattaches einen neuen Dienstwagen. Der Benz sollte repräsentativ, also groß, mit dunkelblauem Lack (904) sein, die Standarte war obligatorisch. Für die damals holprigen Straßen der Insel bekam er hinten Kopfstützen, der Chauffeur brauchte so ein neumodisches Zeugs nicht, ebensowenig wie Gurte. Üblicherweise wurden derartige Dienstwagen nach einigen Jahren in das Heimatland der Botschaft verfrachtet und dort weiter verwendet bis sie auseinanderfielen. Daran dachte man schon bei der Bestellung und deshalb wurde er mit den auch in Südamerika üblichen seitlichen Begrenzungsleuchten, verstärkten Federn und einem zusätzlichen Filter mit Regelventil im Luftansaugkanal für große Höhen geordert. Aber wie so oft im Leben kam alles anders, denn das eigentliche Bestimmungsland Venezuela bekam der /8 nie zu Gesicht. Am 18.12.1970 wurde der Wagen mit dem Kennzeichen TF 67 559 auf Teneriffa zugelassen (wer noch Bilder aus der Zeit von dem Wagen hat, meldet sich bitte bei uns). Nur vier Jahre später wurde er an das Hotel Botanico in Puerto de la Cruz verkauft, damals wie heute das erste Hotel am Platz mit fünf Sternen. Der Wagen wurde fortan für Inselrundfahrten und Fahrten zum Flughafen genutzt. Dafür gab es eine riesige Kofferbrücke aufs Dach. Am 16.3.1981 wurde der Wagen abermals verkauft, er war einfach optisch und technisch nicht mehr „up to date“. Jetzt musste er sich viele Jahre als Schulbus verdingen. Das tat er bis ins Jahr 1998 ganz gut, bis dann die Steuerkette nach der jahrelangen Belastung und der mangelnden Zuneigung einfach müde wurde und riss. Und so kam er dann mit ganz frischen TÜV aber auch mit Motorschaden auf den Schrottplatz.

imm02022perkandreassprengelermühle20082Der Wagen wurde nach dem Kauf zwecks Schadensfeststellung seziert. Das Ergebnis war niederschmetternd! Die gesamte Karosserie war durch die jahrelange Überbeanspruchung bei nur minimaler Pflege in katastrophalen Zustand. Der gesamte Hauptboden, der bei der Langversion aus sechs Teilen besteht, mußte Stück für Stück ersetzt werden. Als ein Elektriker auf Teneriffa mit Lüsterklemmen die Elektrik verhunzte, entschloss Andreas sich den /8 nach Deutschland zu bringen. Im Jahre 2000 ging es im Container auf eine 14 tägige Seereise in das Land seiner Erbauer zurück. Im Frühjahr 2006 wurde mit der eigentlichen Restaurierung des bis auf die Rohkarosserie zerlegten Wagens begonnen. Die vorderen Querträger, die darüberliegende Versteifung, die Stehbleche rechts und links, ebenso die Längsträger, sowie Teile der Spritzwand wurden ausgetauscht. Die beiden dreiteiligen Schweller, die unteren Ansätze der A und B – Säulen, sowie Teile der inneren und die äußeren Radläufe mußten ersetzt werden. Die kompletten Hinterkotflügel rechts und links sollten folgen, ebenso wie das Heckmittelstück. Und und und… Anfang März 2008 standen dann die ersten kurzen Probefahrten an. Die absolvierte der /8 ohne Probleme.

SMLBei Gesprächen mit Mitarbeitern des TÜVs und der DEKRA in Berlin wurde angedeutet, dass eine Abnahme des Fahrzeugs mit den ursprünglich vorhandenen und nun wieder montierten seitlichen Begrenzungsleuchten nicht möglich sei, da der Wagen kein USA Reimport ist. Die Originalität spielte dabei keine Rolle. Ferner war angeblich für einen langen /8 kein Musterbrief vorhanden, es sollte  eine Einzelabnahme durchgeführt werden. Über den stammtisch Sotlau bot sich ein Kontakt zum dortigen TÜV an, wo eine entsprechende Briefkopie vorlag! Die Anreise gestaltete sich jedoch sehr problematisch. Bei strömenden Regen und bei einsetzender Dunkelheit führte vermutlich eine Störung des Lichtmaschinenreglers zum Ausfall beider Abblendleuchten, aber egal, man hat ja schließlich noch zwei Nebelscheinwerfer. Ein Masseschluß an der Hupe sorgte bei starkem Regen für den Ausfall der Scheibenwischer. Eine Ersatzsicherungen löste das Problem. Dann rutschte der Keilriemen der Lichtmaschine bei mehr als 50 km/h durch. Aber nachspannen half. Nach der Rückher in die Hauptstadt führte der erste Weg zur Zulassungsstelle – Tempelhof. Alle erforderlichen Papieren sollten beisammen sein… Es fehlte jedoch die Unbedenklichkeitsbescheinigung des deutschen Zolls. Wieso? Die Kanarischen Inseln gehören doch zu Spanien und damit zu EU? Weit gefehlt! Diese Inselgruppe gehört zolltechnisch nur assoziiert zur EU und wird wie Französisch Guayana oder die niederländischen Antillen behandelt. Mit sehr viel GLück und freundlichen Mitarbeitern im Hamburger Hafen konnte das benötigte Dokument, trotz Isolvenz des Spediteurs nur wenige Tage nach der erfolgreichen Verschiffung des /8ers, noch ausgestellt werden.