Vorstellung W123

Die Pkw-Mittelklasse-Baureihe 123 mit den Typen 200 D, 220 D, 240 D, 300 D, 200, 230, 250, 280 und 280 E wird im südfranzösischen Bandol vorgestellt. Sie löst die „Strich-Acht“-Modelle der Baureihen 114/115 ab, die jedoch noch bis Jahresende parallel zu den neuen Typen produziert werden.

Vom 22. bis zum 28. Januar 1976 stellt Mercedes-Benz auf der Rennstrecke Paul Ricard in Südfrankreich die neue Limousine der oberen Mittelklasse der Fachpresse vor. Ein eigens gecharterter Sonderzug der Deutschen Bundesbahn bringt den Fuhrpark der Test- und Vorführfahrzeuge von Stuttgart nach Frankreich: Unter der mediterranen Sonne tritt die Baureihe 123 mit nicht weniger als 33 verschieden ausgestatteten Fahrzeugen in das Licht der Fachöffentlichkeit. Das Medienecho fällt durchweg positiv aus – für die Technik gleichermaßen wie für das Design. Dieses Urteil bestätigen auch die Kunden: Schon kurz nach der Präsentation des W 123 ist die erste Jahresproduktion ausverkauft, junge Gebrauchte erzielen im ersten Jahr der Produktion oft ihren Neupreis.
Die Baureihe 123 weist konstruktiv in die Zukunft. Technisch mit ihren zahlreichen Innovationen im Bereich Fahrzeugsicherheit, ästhetisch in ihrem Design, das sich am Erscheinungsbild der aktuellen S-Klasse Baureihe 116 und der SL-Modelle R/C 107 orientiert. Ausdruck davon sind zum Beispiel die querliegenden Scheinwerfer statt der zuvor üblichen vertikal angeordneten Leuchteinheiten. Zudem überzeugt der W 123 durch den hohen Standard der Verarbeitung, seine Funktionalität und durch das breite Angebot an Motorisierungen. Bereits bei der Premiere in Südfrankreich stellt Mercedes-Benz neun verschiedene Typen vom 200 D bis zum 280 E in einer großen Bandbreite an Ausstattungsvarianten vor.
Zukunftswerte: Sicherheit und Komfort
Größtmögliche Sicherheit, vorbildlicher Komfort und Servicefreundlichkeit: Das sind die Forderungen an die Konstrukteure von Mercedes-Benz, als 1968 das Lastenheft für die neue Baureihe entsteht. Es sind Werte, die auch jede weitere Generation der E-Klasse prägen werden. Unter den Studien, die für den W 123 entstehen, sind auch futuristische Visionen mit scharfen Kanten, gewaltigen hinteren Dachüberhängen, steilen Heckscheiben und massigen Gummiwülsten rund um die Karosserie. Doch die gewagtesten Entwürfe bleiben in der Schublade, 1973 steht die klassisch-elegante Form des W 123 weitgehend fest.
Bei der Entwicklung der Baureihe 123 steht die gesteigerte Sicherheit der Insassen im Vordergrund. So denken die Konstrukteure bereits über die Integration von Airbags nach, angeboten werden diese von 1982 an als Sonderausstattung der Baureihe 123. Die passive Sicherheit stärkt insbesondere die Kombination einer noch stabileren Fahrgastzelle mit großen Knautschzonen. Für besseren Aufprallschutz sorgen stärkere Holme in den Türen. Zudem hat die von Sicherheitspionier Béla Barényi erdachte und 1963 patentierte Sicherheitslenkwelle als komplettes System Premiere im W 123.
Zu den technischen Lösungen, die der W 123 aus der S-Klasse übernimmt, gehört unter anderem die Doppelquerlenker-Vorderradaufhängung mit Lenkrollradius Null, während viele der zum Start des Baureihe angebotenen Motoren aus der Vorgänger-Baureihe W 114/W 115 („Strich-Acht“) stammen. Neu ist im W 123 der 2,5-Liter-Sechszylindermotor M 123 im Typ 250 (95 kW/129 PS). Ab 1978 wird Mercedes-Benz die Motorenpalette der oberen Mittelklasse gründlich überarbeiten. Unter anderem kommt 1981 der aufgeladene Fünfzylinder-Dieselmotor OM 617 1981 im Typ 300 D Turbodiesel (92 kW/125 PS) zum Einsatz, der in Deutschland nur als T-Modell zu haben ist.
Zur Premiere im Januar 1976 wird die Baureihe 123 als Limousine angeboten sowie sechs Monate später als Fahrgestell für Aufbauten externer Anbieter. Doch schon im folgenden Jahr stellt Mercedes-Benz das Coupé (C 123) und das T-Modell (S 123) vor. Vor allem das T-Modell, dessen Kürzel sich von den Begriffen „Touristik“ und „Transport“ ableitet, setzt mit seiner Ausrichtung auf Freizeit und sportlichen Lifestyle Maßstäbe für die Zukunft der E-Klasse: „Dieser Vielzweck-Kombi war ein Genussmittel, das selbst hohen Komfort- und Leistungsansprüchen gerecht werden sollte“, erinnert die Fachzeitschrift Oldtimer Markt im Heft 6/2008 an die Geburt des T-Modells in der Baureihe 123. 1977 hat zudem eine Version der Limousine mit einem um 63 Zentimeter verlängertem Radstand (V 123) Premiere.
In die Zukunft fahren
Mercedes-Benz beginnt schon früh, in der Baureihe 123 alternative Antriebstechniken zu untersuchen. So wird 1983 ein 280 TE mit Wasserstoffantrieb ausgerüstet, nachdem 1982 ein Versuchsfahrzeug mit Elektroantrieb ebenfalls auf Basis des T-Modells entstanden war. Und bereits 1981 hatte Mercedes-Benz einen Typ 200 mit bivalentem Antrieb (Flüssiggas und Benzin) präsentiert. Damit zeichnet sich schon vor vier Jahrzehnten die Bedeutung alternativer Antriebe in künftigen Generationen der oberen Mittelklasse von Mercedes-Benz ab.
Die Limousine der Baureihe 123 wird bis November 1985 gebaut; die Ära der nicht minder erfolgreichen Baureihe 124 hat bereits zehn Monate zuvor begonnen. Die besonders erfolgreichen T-Modelle der Baureihe 123 nimmt Mercedes-Benz sogar erst im Januar 1986 aus der Produktion. Von 1975 bis 1986 entstehen insgesamt knapp 2,7 Millionen Fahrzeuge, darunter machen die Limousinen mit normalem Radstand (2.375.440 Exemplare) den größten Teil aus. Das T-Modell wird in 199.517 Einheiten gebaut, vom Coupé entstehen 99.884 Fahrzeuge. Dazu kommen 13.700 Limousinen mit langem Radstand und 8.373 Fahrgestelle für Sonderaufbauten.
Heute hat sich die Baureihe 123 längst als Klassiker etabliert – und ist nach wie vor so faszinierend wie bei der Premiere vor 40 Jahren.