- Geburtstag am 22. Januar 1922 in Stuttgart
- Innerhalb von nur fünf Jahren zahlreiche internationale Triumphe bei Langstreckenrallyes in den 1960er-Jahren
- Im Hauptberuf erfolgreicher Koch und Hotelier
- Der Schwabe stirbt 2013 im Alter von 91 Jahren
Langstreckenrallyes über mehrere Tausend Kilometer sind seine Spezialität: So gewinnt Eugen Böhringer die härteste aller Rallyes, Lüttich–Sofia–Lüttich in den Jahren 1962 und 1963. Ebenso siegt der Mercedes-Benz Werksfahrer 1963 und 1964 bei einer der schnellsten Rallyes der Welt, dem „Großen Straßenpreis von Argentinien“. Dreimal wird der Rallye-Europameister des Jahres 1962 zudem Zweiter der legendären Rallye Monte Carlo.
Böhringer, eigentlich Koch und Hotelier, gehört zu den ganz schnellen Tourenwagenpiloten. Vor 100 Jahren, am 22. Januar 1922, wird Eugen Böhringer auf dem Rotenberg bei Stuttgart geboren.
Die Motorsportkarriere von Eugen Böhringer ist kurz, aber dafür umso erfolgreicher. Erst im Alter von deutlich über 30 Jahren fährt er mit seinem privaten Mercedes-Benz 219 (W 105) Ende der 1950er-Jahre einige nationale Rallyes. Dass er so spät mit dem Motorsport beginnt, hat familiäre Gründe. Zwar vermitteln ihm die Eltern eine frühe Begeisterung für das Automobil. So kauft die Familie bereits 1925 einen Mercedes 16/45 PS. Den steuert auch die Mutter Emma Böhringer: Als eine der ersten Frauen im Raum Stuttgart hat sie einen Führerschein. Sohn Eugen schwebt eine Lehre als Automobilmechaniker vor, das Zerlegen und Zusammenbauen von Spielzeugautos aus Blech gehört zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Es kommt anders, eine Ausbildung als Koch versetzt ihn in die Lage, die familieneigene Höhengaststätte mit Hotel in Stuttgart-Rotenberg zu übernehmen. Soweit es seine Zeit zulässt, besucht er dennoch Rennveranstaltungen.
Der erste Schritt in den Rennsport erfolgt über eine Wette: Im eigenen Restaurant gewinnt der Gastwirt einige Flaschen Wein von Stammtischfreunden, weil er bei einem Geschicklichkeitsturnier des Automobilclubs Untertürkheim wie von ihm angekündigt Klassensieger wird. Daraufhin bestreitet das Fahrtalent zunächst kleinere lokale Wettfahrten, bevor er 1958 und 1959 bei der Rallye Solitude mit einem zweiten sowie einem ersten Platz Ausrufezeichen setzt.
Die Erfolge bleiben der Rallyeabteilung von Mercedes-Benz nicht verborgen. Sie verpflichtet ihn für die Saison 1960 als Werksfahrer. Bereits im Januar werden Eugen Böhringer/Hermann Socher mit dem Mercedes-Benz 220 SE (W 111) bei der Rallye Monte Carlo Zweite hinter ihren Teamkollegen Walter Schock/Rolf Moll. 1961 erreicht Böhringer gemeinsam mit dem späteren Rallye-Monte-Carlo-Sieger Rauno Aaltonen Platz zwei in der europäischen Rallyemeisterschaft. Weil der Finne auf Schotter schneller ist und umgekehrt der Deutsche auf Asphalt, wechseln die beiden den Platz hinter dem Steuer mitunter im fahrenden Auto während einer Sonderprüfung. 1962 wird Böhringer mit den Co-Piloten Peter Lang und Hermann Eger im 220 SE Rallye-Europameister. Zu den Jahreserfolgen gehören Siege bei der Rallye Akropolis und der zweite Platz bei der Rallye Monte Carlo.
Strapazen über viele Tausend Kilometer
In den Jahren 1962 und 1963 siegt Eugen Böhringer mit den Mercedes-Benz 220 SE und 230 SL (W 113) bei der wohl härtesten aller Rallyes, der Marathonfahrt Lüttich–Sofia–Lüttich. Für heutige Verhältnisse sind die Strapazen kaum vorstellbar. Die Strecke führt über mehr als 5.000 Kilometer auf häufig unbefestigten Straßen durch Deutschland, Österreich, Italien, Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien, samt der Überquerung zahlreicher anspruchsvoller Alpenpässe. Pausen gibt es nicht, lediglich am Wendepunkt Sofia stehen die Motoren für 60 Minuten still. Fahrer und Beifahrer wechseln sich ab, nur auf den wenigen unspektakulären Streckenabschnitten, wo es nicht auf das in den Wochen vor der Rallye angelegte Bordbuch ankommt, findet der Mann auf dem rechten Sitz für 15 oder auch 20 Minuten Schlaf. Nach den beiden Siegen kommen Eugen Böhringer/Klaus Kaiser 1964 bei der letzten Ausgabe dieses Klassikers mit dem 230 SL (W 113) auf Rang 3 ins Ziel. Zum dritten Sieg in Folge fehlt ihnen exakt die Zeit, die sie aufgrund einer defekten Lichtmaschine und zweier kaputter Reifen verloren haben. Darüber hinaus läuft ihnen ein Schaf vor das Auto, sodass sie zwei Nächte mit nur einem Scheinwerfer bestreiten müssen. Die Zeitschrift „Kristall“ nennt ihre Story in Ausgabe 22/1964 über diese Rallye „Die Qual der 90 Stunden“, denn „90 ewige Stunden lang kann auf dieser Rallye jedes Versehen das Ende bedeuten“. Allenfalls ein Fünftel des Starterfelds erreicht das Ziel. Böhringer selbst merkt trocken an: „Du musst einfach nur Gas geben und wenig bremsen.“
Ebenfalls über rund 5.000 Kilometer, allerdings aufgeteilt in mehrere Etappen, führt der „Große Straßenpreis von Argentinien“. Böhringer und Klaus Kaiser siegen in den Jahren 1963 und 1964 mit dem Mercedes-Benz 300 SE (W 112) jeweils vor ihren Teamkollegen Dieter Glemser und Martin Braungart. Eugen Böhringer erfindet für diese Teams ein besonderes Prinzip der Gebetbücher. Kurven werden nicht in Zahlen von 1 bis 10 eingeteilt, sondern beispielsweise von „Rechtsknick links“ bis zu einer „schnellen Links“ charakterisiert. Böhringer besteht auf einer perfekten Vorbereitung. Während sich die Teamkollegen nach langen Trainingstagen auf ihre Hotelzimmer zurückziehen, sagt er mitunter zu seinem Beifahrer: „Auf, Klaus, wir fahren nochmals hinaus auf die Strecke, um unseren Aufschrieb zu kontrollieren.“ Die leistungsgesteigerte „Heckflosse“ erreicht Spitzengeschwindigkeiten um 220 km/h. Lange und gerade Asphaltabschnitte lassen sehr hohe Tempi zu. So gewinnen Böhringer/Kaiser 1964 die erste Etappe über 781,5 Kilometer von Pilar nach Carlos Paz in 4:19,25 Stunden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei 181 km/h. Nach dieser Etappe gibt Rennleiter Karl Kling die Parole aus, das Material etwas zu schonen, um den Dreifachsieg von Mercedes-Benz in der Reihenfolge Böhringer, Glemser und Ewy von Korff-Rosqvist nicht zu gefährden.
1965 beendet Böhringer seine Motorsportkarriere
Eugen Böhringer ist auch auf der Rundstrecke schnell. So gewinnt er 1964 mit Dieter Glemser den Großen Preis für Tourenwagen auf dem Nürburgring. Siege in Brands Hatch, Zolder, Karlskoga und sogar Macau kommen hinzu. Den Klassiker „24 Stunden von Spa-Francorchamps“ verlieren Böhringer/Glemser nach klarem Vorsprung kurz vor Rennende durch einen Bruch der Radnabe. Ende 1964 schließt Mercedes-Benz die Rallyeabteilung. Eugen Böhringer startet nur noch ein einziges Mal: Bei einer der schneereichsten Ausgaben der Rallye Monte Carlo wird er 1965 Zweiter mit Beifahrer Rolf Wütherich und einem vom Werk eingesetzten Porsche 904 Carrera GTS Coupé.
Nach nur etwas mehr als fünf Jahren im internationalen Rallyesport beendet Eugen Böhringer seine Karriere und konzentriert sich wieder voll und ganz auf die heimische Gastronomie sowie Hotellerie. Seinem Sport bleibt er verbunden. So notiert Böhringer beispielsweise 1971 bei der Rallye Stuttgart–Charbonnières als vorausfahrender „Eisspion“ für seine ehemaligen Teamkollegen Dieter Glemser sowie Klaus Kaiser die Straßenverhältnisse und trägt so zu deren drittem Platz im Gesamtklassement bei. Jahrzehnte später diskutieren die beiden schwäbischen Rennfahrer über den Rallyesport und das Tempo moderner Rallyeautos. Böhringer zu Glemser: „Dieter, wir sind damals mit unseren Autos so schnell gefahren, wie es halt ging. Und dies machen die aktuellen Rallyefahrer auch.“