Wahljahr 2021: FDP Fraktionsbeschluss „Historische Fahrzeuge in der Mobilität von morgen“

Jan Hennen / DEUVET

Die Bundestagsfraktion der FDP hat einen weitreichenden und umfassenden Beschluss zum Thema „Historische Fahrzeuge in der Mobilität von morgen“ gefasst. Der DEUVET Bundesverband Oldtimer-Youngtimer e.V. möchte dieses wichtige Papier der Öffentlichkeit weiter bekannt machen.

Selbstverständlich wahren wir unsere Grundsätze zur politischen Neutralität und überlassen eine Wertung Ihnen und Ihren Lesern.


Gerade in der aktuellen Situation vor einer richtungsentscheidenden Bundestagswahl legt der DEUVET Bundesverband Oldtimer-Youngtimer e.V. großen Wert auf seine politische Neutralität. Davon unabhängig ist der von der Bundestagsfraktion der FDP gefasste Beschluss eine umfangreiche Stellungnahme zur Situation der historischen Mobilität und zur Zukunft der Szene.

Der Fraktionsbeschluss im Originaltext:

Beschluss der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vom 22. Juni 2021

Historische Fahrzeuge in der Mobilität von morgen

Die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten unterstützt den Wandel und die Innovationskraft im Automotive- und Mobilitätssektor. Das Automobil hat in Deutschland eine lange Tradition und prägt bis heute in vielerlei Hinsicht die Entwicklung des Landes. So haben sich historische Automobile – im Sprachgebrauch weitläufig als Old- bzw. Youngtimer bezeichnet – zu wahren Kulturgütern entwickelt, die weiterhin eine Vielzahl von Menschen begeistern. Neben Automobilen gehören auch Krafträder, Lastkraftwagen, Omnibusse und landwirtschaftliche Maschinen zu den auf deutschen Straßen anzutreffenden Fahrzeugen mit einem Alter von mehr als 30 Jahren. Für manche Liebhaber historischer Fahrzeuge ist ihre Passion zur Basis von Geschäftsideen geworden. Um die Leidenschaft für das automobile Kulturgut zu stärken, ist es wesentlich, dass historische Fahrzeuge auch einen Platz in der Mobilität von morgen finden. Diese Notwendigkeit erkennt die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag vollumfänglich an.

I. Unser automobiles Erbe erhalten und fördern

  1. Zulassung

Für die Wahrung geschichtlicher Traditionslinien und die passgenaue Regulierung historischer Fahrzeuge ist die Schaffung gesonderter Kennzeichen essentiell. Wichtige Meilensteine in diese Richtung wurden bereits mit den 1994 und 1997 eingeführten 07er-Kennzeichen und H-Kennzeichen erreicht. Auch die Pflege historischer Ortskennzeichnen ist ein zentraler Bestandteil der Pflege der automobilen Geschichte Deutschlands. Die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag befürworten deshalb die Wiedereinführung historischer Ortskennzeichen und ermutigen Kommunen, weitere Schritte in diese Richtung zu unternehmen. Darüber hinaus setzen wir uns für die weitere Zulassung von Klebekennzeichen für historische Fahrzeuge ein, die dieses bedürfen.

  1. Stärkung des ehrenamtlichen Engagements und der Jugendarbeit zu historischen Fahrzeugen

Ehrenamtliches Engagement für das automobile Kulturgut besitzt eine nicht zu unterschätzende Relevanz für die Stärkung des kulturellen Bewusstseins für den Stellenwert historischer Fahrzeuge. Vereine und Interessengruppen, die sich für den Erhalt und die öffentliche Nutzung automobilen Kulturguts einsetzen, müssen deshalb gegenüber anderen ehrenamtlichen Vereinigungen gleichwertig behandelt werden. Die vermehrte Anerkennung der Gemeinnützigkeit solcher Vereine in der Verwaltungspraxis oder die Berücksichtigung bei Ehrenamtsinitiativen können dazu beitragen, den zivilgesellschaftlichen Einsatz für das automobile Kulturgut nachhaltig zu stärken. Auch die Förderung der Jugendarbeit zu historischen Fahrzeugen ist hierfür unabdingbar

  1. Forschungsförderung

Historische Fahrzeuge nehmen in der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Deutschlands eine herausragende Rolle ein. Sie sind nicht nur eine der berühmtesten in Deutschland entwickelten Innovationen, sondern schaffen bis heute Mobilität und Wohlstand für Millionen Menschen in der Bundesrepublik. Automobile verkörpern Erfindergeist, Individualität und Aufbruchsstimmung. Dabei haben sie sich im Wettbewerb der Technologien mit ihrer Antriebsform behauptet und tragen damit noch heute zu Technologieoffenheit und Innovation im Verkehr bei. Deshalb darf auch die Bewahrung der Geschichte der Kraftfahrzeugentwicklung in Deutschland keinesfalls vernachlässigt werden. Forschungsprojekte zum automobilen Kulturgut sollten gegenüber anderen historischen Forschungsprojekten nicht benachteiligt, sondern bei der Vergabe von Forschungsmitteln in gleicher Weise berücksichtigt werden. Dadurch kann neben der Stärkung des kulturellen Bewusstseins für historische Fahrzeuge auch das allgemeine Verständnis für die wirtschaftliche Bedeutung von historischen Fahrzeugen geschärft werden.

  1. Förderung der akademischen Restaurierung

Für die museale Rezeption der vorhandenen Originalsubstanz materieller Alltagskultur für nachfolgende Generationen und für die Bewahrung historischer Automobile kommt der wissenschaftlichen Konservierung eine herausragende Bedeutung zu. Zur Bewältigung dieser komplexen Aufgabe ist ein hohes Maß an fachlicher Expertise und interdisziplinärer Zusammenarbeit erforderlich, der wissenschaftlich ausgebildete Restauratoren im Rahmen interdisziplinären Zusammenwirkens mit Spezialisten anderer Forschungsrichtungen und Experten aus unterschiedlichen Gewerken des Handwerks gerecht werden. Trotz dieser Bedeutung für die Erhaltung automobilen Kulturguts ist die Unterstützung durch den Bund und die Länder als Forschungsträger weitestgehend abgeschafft worden. Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion ist demgegenüber wissenschaftliche Konservierungsforschung eine Voraussetzung zur Erhaltung automobilen Kulturguts. Um universitäre Spitzenforschung in Deutschland zu erhalten und eine Verbindung zwischen Handwerk und akademischer Lehre in diesem Bereich zu ermöglichen, sollte die Förderung der akademischen Restaurierung bei der Forschungsförderung der Bundesregierung künftig nachhaltig und in engem Austausch mit dem Kfz-Handwerk berücksichtigt werden.

II. Herausforderungen der Gegenwart begegnen

  1. Umweltauflagen

Die Einrichtung von Fahrverboten in deutschen Innenstädten hat in den vergangenen Jahren teilweise zu einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten von Oldtimern geführt. Die sehr niedrigen durchschnittlichen Fahrleistungen historischer Fahrzeuge führen jedoch zu sehr geringen Emissionen, die im Vergleich zum gesamten Verkehr nahezu vernachlässigbar sind. Während unter Berücksichtigung dieses Umstandes bereits Ausnahmen in der Plakettenverordnung des Bundes geschaffen wurden, drohen im Rahmen von Fahrverbotsentscheidungen auch weiterhin Beeinträchtigungen der öffentlichen Präsentation automobilen Kulturguts. Die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag fordern deshalb, die exponierte kulturelle Bedeutung historischer Fahrzeuge auch bei lokalen Regelungen einzubeziehen und wirken auf maßvolle Ausnahmeregelungen für diese Fahrzeuge bei möglichen Fahrverboten hin. Gleichförmige Entwicklungen in anderen europäischen Ländern machen darüber hinaus eine koordinierte Behandlung historischer Fahrzeuge auf europäischer Ebene erforderlich. Deutschland sollte mit seinen hohen Standards auch auf europäischer Ebene als Vorbild für einen angepassten Rechtsrahmen dienen, um Nutzungseinschränkungen für Oldtimer zu verhindern.

  1. Keine Fahrverbote für historische Motorräder

Am 15. Mai 2020 regte der Bundesrat zur Minderung des Lärms durch Motorräder in einer Entschließung neben anderen Maßnahmen ein flächendeckendes Fahrverbot für Motorräder an Sonn- und Feiertagen an. Pauschale Fahrverbote führen zu unverhältnismäßigen Benachteiligungen von regeltreuen Motorradfahrern. Insbesondere die Nutzung historischer Zweiräder, für die besonders Sonn- und Feiertage Anlässe zur Ausfahrt bieten, darf durch undifferenzierte Verbote nicht eingeschränkt werden. Auch vorbehaltslose Obergrenzen für Motorenlärm – wie in der Bundesratsentschließung in einer Höhe von 80 dB (A) für alle Neufahrzeuge über alle Betriebszustände vorgesehen – sind abzulehnen. Die Freien Demokraten setzen sich dagegen für eine ausgleichende Regulierung ein, die eine Erhaltung und Förderung historischer Motorräder im Interesse einer umfänglichen Bewahrung automobilen Kulturguts ermöglicht.

  1. Chemische Stoffe: REACH-VO, Kältemittelregulierung

Europäische Verordnungen und Richtlinien zur Regulierung chemischer Stoffe haben in den vergangenen Jahren vielfach zusätzliche Belastungen für die Halter von Oldtimern und im Bereich historischer Fahrzeuge spezialisierter Unternehmen bewirkt. Insbesondere die 2007 erlassene und seitdem mehrfach überarbeitete REACH-Verordnung erschwerte die Beschaffung von chromhaltigen Ersatzteilen erheblich. Bei künftigen Novellierungen bestehender oder der Schaffung neuer europäischer Regelwerke müssen daher die Besonderheiten bei der Instandhaltung und Nutzung historischer Kraftfahrzeuge beachtet und entsprechend angepasste Regelungen gefunden werden. Die FDP- Bundestagsfraktion wird bei künftigen Überarbeitungen der REACH-Verordnung auf die besonderen Erfordernisse historischer Kraftfahrzeuge hinweisen.

  1. Reduzierung der Emissionen im Verkehrssektor (European Green Deal)

Mit dem European Green Deal hat die Europäische Kommission ihre Pläne zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor mit konkreten Maßnahmen untermauert. Auch auf europäischer Ebene ist jedoch unbedingt zu beachten, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht zu einer Schwächung des automobilen Kulturguts in der Europäischen Union führen. Denn historische Fahrzeuge sind aufgrund der weithin geringen Nutzungszeiten für weniger als 1 Prozent aller Emissionen im deutschen Straßenverkehr verantwortlich. Mit dem Vorschlag zur Ausweitung des Emissionshandels auf den Verkehrssektor hat die FDP- Bundestagsfraktion ein wirksames Instrument zur Reduzierung von CO2- Emissionen vorgelegt, das auf marktwirtschaftlichen Prinzipen beruht und gerade auch die Besonderheiten historischer Fahrzeuge hinsichtlich der geringeren jährlichen Fahrleistungen berücksichtigt. Auch die Verwendung bestehender Technologien trägt zur Nachhaltigkeit im Verkehrssektor bei.

  1. Import- und Exportbestimmungen

Aufgrund des weltumspannenden Interesses am automobilen Kulturgut ist der Import und Export historischer Fahrzeuge in Deutschland weit verbreitet. Ein reger Handel mit historischen Fahrzeugen ist wichtig und wünschenswert, da die Instandhaltung automobilen Kulturguts so bei dazu geeigneten und daran interessierten Fahrzeughaltern erfolgen kann. Wir setzen uns daher dafür ein, die nationalen und europäischen Import- und Exportbestimmungen für historische Fahrzeuge zu vereinfachen. Kriterien, die zur Klassifikation historischer Fahrzeuge als „Sammlungsstück“ und damit zur Erleichterung der Zollgebühren und steuerlichen Abgaben bei Einführung in die Europäische Union bereits heute genutzt werden, sollten mit allgemeinen Kriterien zur Definition historischer Fahrzeuge gekoppelt und in einen einheitlichen Regelungszusammenhang gebracht werden.

  1. Verlängerung der Hauptuntersuchungsintervalle für Fahrzeuge mit H- Kennzeichen

Oldtimer sind in Deutschland als Pkw einer Verpflichtung zur Hauptuntersuchung im zweijährigen Intervall unterworfen. Die Rechtslage im europäischen Ausland zeigt jedoch, dass diese undifferenzierte Gleichbehandlung von Oldtimern mit sonstigen Pkw keineswegs zwingend ist: Während sie in Dänemark nur im Achtjahresabstand der Hauptuntersuchung unterzogen werden müssen, wurde in Schweden und den Niederlanden die Hauptuntersuchung für Fahrzeuge, die älter als 50 Jahre sind, sogar vollständig abgeschafft. Oldtimer werden zumeist von Personen mit überdurchschnittlichen technischen Kenntnissen im Rahmen von Veranstaltungen, bei denen eine standardisierte technische Sicherheitsprüfung erfolgt, genutzt. Die Fahrleistung von Oldtimern beträgt infolgedessen nur ein Neuntel der Fahrleistung durchschnittlicher Pkw in Deutschland. Überdies bleiben bei Oldtimern die Mängelquote bei Hauptuntersuchungen und die Anzahl von Unfällen, die aus technischen Mängeln resultieren, deutlich hinter durchschnittlichen Pkw zurück. Um diesen Besonderheiten historischer Fahrzeuge Rechnung zu tragen und den bürokratischen Aufwand für Behörden und Fahrzeughalter zu reduzieren, plädiert die FDP-Bundestagsfraktion daher für eine Verlängerung der Prüfungsintervalle von Fahrzeugen mit H-Kennzeichen von bisher zwei auf fünf Jahre, wenn diese eine jährliche Fahrleistung von 2.000 km nicht überschreiten. Im Sinne der Verkehrssicherheit bliebe es Fahrzeughaltern jederzeit freigestellt, ihr Fahrzeug alle zwei Jahre zur Prüfung vorzuführen, um mögliche Zweifel hinsichtlich einer sicheren Teilnahme am Straßenverkehr auszuräumen.

III. Historische Fahrzeuge im 21. Jahrhundert: Zukunft gestalten, Innovation nutzen

  1. Integration historischer Fahrzeuge in den autonomen Fahrzeugverkehr

Die Entwicklung und Verbreitung autonomer Fahrzeuge hält in naher Zukunft ebenfalls beträchtliche Herausforderungen für die Nutzung historischer Kraftfahrzeuge bereit. Auch die Verbreitung moderner elektrischer Fahrzeuge könnte die Infrastruktur zur Instandhaltung automobilen Kulturguts erheblich beeinträchtigen. Die Politik steht vor diesem Hintergrund in der Verantwortung, passende Rahmenbedingungen für Transformationsprozesse zu schaffen und dadurch Anpassungsmöglichkeiten für Betroffene zu eröffnen. Schon heute werden von Unternehmen und Liebhabern historischer Fahrzeuge Modelle zur Integration nicht-automatisierter Fahrzeuge in intelligente Verkehrssteuerungssysteme entworfen. Derartige Initiativen müssen politisch stärker unterstützt werden, um Wandlungsprozesse für alle Beteiligten verträglich zu gestalten.

  1. Nutzung innovativer Kraftstoffe

Mit regenerativen Kraftstoffen können historische Fahrzeuge mit Verbrennungskraftmaschinen gleichermaßen CO2-neutral genutzt werden. Sogenannte E-Fuels, (teil)synthetische Kraftstoffe und Biokraftstoffe können einen wichtigen Beitrag zur Emissionsreduzierung im Straßenverkehr leisten. Entsprechende Forschung zur Herstellung und Verwendbarkeit dieser Kraftstoffe auch für historische Fahrzeuge sind zu unterstützen. Die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag haben zur Förderung innovativer Kraftstoffe als integralem Bestandteil einer technologieoffenen Kraftstoffstrategie bereits umfassende Vorschläge eingebracht. In Verbindung mit der Einbindung bisheriger Kraftstoffinfrastrukturen gewährleisten Maßnahmen zur Förderung regenerativer Kraftstoffe somit die weitere Nutzung von historischen Fahrzeugen, sichern etablierte Netzwerke und bieten erweiterte Nutzungsmöglichkeiten.

  1. Einbindung der Oldtimerszene in Transformationsprozesse

Transformationsvorgänge in der Verkehrswelt und politische Regulierungsprozesse können nur unter Einbindung der beteiligten Akteure erfolgreich bewältigt werden. Um gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen zu begegnen, setzen wir uns als FDP-Bundestagsfraktion daher dafür ein, zwischen Politik und den Freunden und Förderern des automobilen Kulturguts einen übergreifenden Dialog zum Entwurf neuer Regelungen zu initiieren. Verbände und Interessengruppen aus dem Bereich historischer Fahrzeuge sind bei Verbandsanhörungen in Gesetzgebungsverfahren angemessen zu beteiligen. Durch Aufnahme solcher Impulse von privaten Akteuren kann der Gesetzgeber eine angepasste und flexible Regulierung automobilen Kulturguts gewährleisten. Insbesondere die historische Fahrzeugbewegung kann ihre fachbezogene Expertise bei der Schaffung neuer politischer Rahmenbedingungen einbringen.

  1. Datenbank für Fahrzeugidentitäten, gestohlene Fahrzeuge

Aufgrund ihres hohen wirtschaftlichen Wertes sind historische Automobile dem Risiko des Diebstahls in besonderem Maße ausgesetzt. Dies bewirkt nicht nur, dass automobiles Kulturgut oftmals das Inland verlässt, sondern senkt gleichsam die Anreize für Pflege und Instandhaltung von Oldtimern. Um künftig die Strafverfolgung zu erleichtern und gleichzeitig die Rückkehrquote des Diebesgutes zu erhöhen, empfiehlt die FDP-Bundestagsfraktion die Einführung eines einheitlichen Registers für gestohlene Oldtimer.