Was denken einige Leser über die RetroClassic Stuttgart 2019

107er und 113er nebeneinander. Foto: Landesmesse Stuttgart GmbH

Dieter Jakubik / Mercedes-Benz SLK-Club: „Hier unsere Eindrücke zur diesjährigen Retro in Stuttgart: Neues Messekonzept auf der Retro Classics 2019 in Stuttgart. In der Halle 10 der Stand von Mercedes Classic mit historischen Rennwagen, direkt daneben und mit neuem Konzept die große Fläche der Mercedes-Benz Markenclubs. Mit vielen schönen Fahrzeugen und darunter natürlich auch zwei SLK unseres Clubs. Ein R170 und ein R171, beide in silbermetallic, beide innen in schwarz und rot, zogen die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Der gute Zulauf der Messe machte sich auch an unserem Messestand bemerkbar, so dass wir uns wieder über reges Treiben rund um die ausgestellten Fahrzeuge freuen und das ein oder andere PS-Gespräch führen konnten. So war es für uns wieder eine Freude an dieser Veranstaltung aktiv teilnehmen zu können. Eine rundum gelungene Veranstaltung für alle Beteiligten.“

Clubvorstand eines mir bekannten Mercedes-Benz Clubs, der seinen Eindruck ohne Namensnennung veröffentlicht haben möchte: „…ich fände es sinvoller, mal auf die Aussage vom Retro-Chef einzugehen: „… Daran zeigt sich, dass es richtig ist, unseren Fokus auf den Handel statt auf den Freizeitaspekt zu richten.“ Das ist eine klare Aussage gegen die Vereine und Clubs, die jedes Jahr viel Zeit und Herzblut investieren. Gegen Firmen, die ihre Dienstleistungen anpreisen, ist ja nichts zu sagen, die brauchen wir alle. Man sieht aber mittlerweile in jeder Halle zig Autohändler (bewusst nicht Oldtimerhändler), gefühlt 30-50% der Flächen sind Händler, als Club wirst nur noch eingeschränkt wahrgenommen, so zumindest der Eindruck. Liegt natürlich mit daran, dass bewusst alles durcheinander steht um die Besucher dazu zu bringen, alle Hallen anzuschauen. Supermarktprinzip… In Halle 10 – der „Premium-Halle“ war beispielsweise dieses Jahr Fa. Geiger Cars aus München. Mit gefühlt vier oder fünf restaurierten Oldtimer und 30 Neuwagen. Warum geht sowas auf ner Oldtimermesse? Und warum packt man den nicht nach Halle 5, wo die US-Cars eh stehen… Noch ein Zitat aus dem Messebericht: „Im Rahmen einer Befragung gaben knapp zwei Drittel der Besucher an, mindestens einen Klassiker zu besitzen, 34 Prozent hatten bereits etwas gekauft oder bestellt. Ein Fünftel plante, den eigenen Fuhrpark auf der Messe zu erweitern, mehr als 100 000 Euro investieren wollten 5 Prozent. Rein rechnerisch lag die Nachfrage damit über dem Angebot.“In der Praxis: Der 300SL Flügeltürer in Halle 10 für nur 850.000Euro war am Sonntag verkauft, der W123 200 für 7500Euro bzw 3900Euro war am letzten Messetag um 16.00h noch nicht verkauft. Und wenn man dem Bericht glaubt, dann waren pro Messetag mehr als 1000 Leute anwesend, die mehr als 100.000Euro ausgeben wollten. Aber es leider nicht konnten. Auch die größeren Namen der Szene sind nicht mehr ganz vorne mit dabei, weil es nicht mehr passt. Siehe Pagodencenter Stickel. Der hat lieber ne Hausmesse bei sich in der Firma gemacht, als auf der Retro auszustellen.

Einblicke. Foto: Landesmesse Stuttgart GmbH 

Günter Hoferer / Mercedes-Benz R/C 107 SL-Club Deutschland e. V.: „Es ist halt zwischenzeitlich wie überall! Dem Wettbewerb unter den Messen geschuldet wird laut geschrieben, frei nach dem Motto höher – schneller – weiter. Was ich als Privatperson festgestellt habe: 1: Tendenziell und subjektiv sind mehr Händler präsent gewesen – auch Neulinge, die noch nie auf der Retro in Stuttgart waren. 2.Ob mehr Fahrzeuge verkauft wurden kann ich nicht sagen. Es waren jedoch nicht auffallend mehr „verkauft“ Schilder als in den letzten Jahren an den Fahrzeugen zu erkennen. 3. Die ClassicBid Auktion war wohl eher bescheiden, wie mir mehrfach berichtet wurde (ich war live nicht dabei). Was aber eher dem eher mäßigen Zustand der Fahrzeuge geschuldet ist. 4. Auf unserem Clubstand haben eine stattliche Anzahl von Besuchern angefragt, ob wir Fahrzeuge (R107 und C107) wissen, die zum Verkauf stehen. Was ich als Präsident des 107er Clubs zu sagen habe:Die Retro Classic in Stuttgart ist für uns (so wie mittlerweile alle 10 Messen, die wir beschicken) eine Veranstaltung, auf der wir unseren Mitgliedern und allen Interessierten eine Plattform zum persönlichen Austausch bieten wollen – eine Veranstaltung also, bei der das Miteinander im Vordergrund steht,  Bekanntschaften geknüpft und Freundschaften gepflegt werden. Auch besuchen zwischenzeitlich Clubmitglieder von Flensburg bis zum Chiemsee, sowie von Aachen bis Dresden regelmäßig die Stuttgarter Retro. Wenn dabei der eine oder andere 107-Besitzer den Weg zu uns findet und Mitglied wird freuen wir uns natürlich sehr. Unsere Technikreferenten lassen keine Frage unbeantwortet und geben wertvolle Tipps und Hilfestellung. Fragen zu Versicherungen, Gutachten, Kaufberatung sind neben Szenegeflüster ebenfalls thematische Dauerbrenner. Und – wen wunderts – wurden natürlich auch Fahrverbote und die Zukunft des Oldtimerhobbies umfänglich diskutiert. Zu beobachten ist ebenfalls, dass Interessierte, die ein Fahrzeug suchen, in der Regel bereits gut informiert sind und über ein solides Wissen über das Wunschfahrzeug verfügen. Entsprechend detailliert und präzise sind die Fragen, die an uns herangetragen wurden. Was insgesamt dem Messeauftritt in Stuttgart natürlich entgegenkommt ist die großzügige Fläche für den Gemeinschaftsstand der anerkannten Mercedes-Benz-Clubs (2019 waren es über 2.000qm für 19 teilnehmende Clubs), da geht es auf anderen Messen schon deutlich beengter zu. Ich hatte auch den Eindruck, dass das neue Messekonzept mit der zentralen Plaza zumindest von unseren Mitgliedern Durchweg positiv aufgenommen wurde. Schön war zu beobachten, dass sich an so manchem Tisch auf der Plaza ausgiebige clubübergreifende Gespräche entwickelten.

Automobiliahändler der im nächsten Jahr die Messe Stuttgart auslassen wird: „Für mich mit meinem Sortiment an Kleinoden aus über 70 Jahren Autospielzeug waren in diesem Jahr die Kunden nicht die Richtigen. Viele hatten auch gar keine Ahnung und kamen mit Preisvorstellungen um die Ecke, die so gar nicht in die Welt passten. Ich spüre, dass momentan mehr Neuinteressanten auf die Messe kommen, die sich nur am Prestigeobjekt und dem Wertzuwachs Ihres Youngtimers erfreuen wollen. Bei einem kleinen Rundgang sah ich auch mehr Neu- oder Jahreswagen als Klassiker auf manchen Händlerständen.“

Werner Vögele / Unimog-Club Gaggenau: „Bei unserem Auftritt ist nie von Handel oder Verkauf von Fahrzeugen die Rede. Information, Begeisterung und Präsentation ist unser Credo. Wenn es gut läuft, gewinnen wir vor Ort neue Mitglieder oder können etwas aus dem Club-Sortiment verkaufen. Das ist aber nicht unsere Priorität. Bei einem unserer Ausstellungsfahrzeugen ergab es sich kurzfristig, dass der Besitzer verkaufen will. Es gab durchaus Interesse und viele Gespräche, zu einem Spontanabschluss kam es aber nicht. Im Sinne einer Neuausrichtung war das aber nicht. Gespräche am Stand gab es wie jedes Jahr genügend und auch qualitativ gute. Für mich war keine Veränderung zu spüren oder zu erleben.“

Kompressorwagen. Foto: Landesmesse Stuttgart GmbH 

Marvin Braungart / Mercedes-Benz Veteranen Club von Deutschland e.V.: Für uns als Club hat die Retro Classics in Stuttgart einen besonderen Stellenwert im Messekalender. Ist Sie doch, mit Ihren über 2.000m², die größte Messe für die Mercedes-Benz Markenclubs. Der Kooperation mit Mercedes-Benz Classic zu verdanken sind wir dazu, wie auch in Essen, noch in einer der Premium-Hallen und zudem in Halle 10 direkt am Eingang West des Messegeländes. Zusätzlich ist zu erwähnen, dass wir auch mit dem Retro Messen-Team sehr eng zusammenarbeiten und es uns auch von deren Seite nicht an Unterstützung mangelt. Auf dem Papier haben wir also die besten Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Veranstaltung. Als Markenclub-Familie bemühen wir uns zudem gemeinsam jedes Jahr unseren Messeauftritt zu verbessern. Das neue Messekonzept wurde wie jede Änderung, auch von mir, erstmal kritisch begutachtet, aber war nach 4 Messetagen, wie auch viele unserer Clubkollegen verlauten lassen haben, ein voller Erfolg. Natürlich gilt es hier auch noch an den Details zu feilen, aber mit der neuen Standausstattung haben wir als Clubs einen sehr hochwertigen Messeauftritt, mit dem wir uns in keinster Weise vor den „professionellen“ Clubständen verstecken müssen. Mein Fazit für unseren Club ist also ein sehr positives. Die hohen Besucherzahlen haben sich auch gefühlt bei uns bemerkbar gemacht und wir konnten wieder überdurchschnittlich viele Neumitglieder verzeichnen. Sehr stolz sind wir zudem darauf, dass darunter auch Neumitglieder unter 30 Jahren sind. Für uns ist die Nachwuchsarbeit eine der Schwerpunkte und wir freuen uns sehr hier weitere Fortschritte zu machen. Wenn man die diesjährige Messe als gesamtes betrachtet fallen einem aber natürlich die vielen Neufahrzeuge auf. Hier gilt es, dass die Händler die richtige Balance für Ihren Messeauftritt finden.  Ein gutes Beispiel ist hier meiner Meinung nach Mercedes, welche neben außergewöhnlichen historischen Fahrzeugen, mit dem neuen A35 AMG, auch ein modernes Fahrzeug ausgestellt haben. Ganz klar ist, dass die Händler, Restauratoren, sowie die verschiedenen Automobilhersteller genauso wichtig für die Oldtimerszene sind wie die Clubs. Im Vordergrund sollte hier aber das harmonische Miteinander stehen. Verbindet uns doch zuletzt immer das gemeinsam Interesse am Automobil. Verliert man das nicht aus dem Auge, bin ich mir sicher, dass wir auch in Zukunft gerne gemeinsam Messen besuchen werden.

Jörg Hermann / Mercedes-Benz InteressenGemeinschaft e.V. –
Vorstand Messen und Veranstaltungen :
Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Messeaufbau Mittwochs abgeschlossen sein muss, die Messe jedoch erst Donnerstag Mittag öffnet – ein verlorener halber Tag. Die zweite Hälfte vom “early bird” Donnerstag war für uns leider ein Totalausfall. Freitag blieb der Besucherandrang hinter unseren Erwartungen, Samstag war viel los, und – ein Novum – auch am Sonntag gab es einige Gespräche und Umsätze. Der Kassensturz war jedoch sehr ernüchternd: Ein nur dreistelliger Umsatz nach 4 Messetagen ist zu wenig, zwei Mal zu wenig für das Flaggschiff der Retro Classics. Dabei geht es nicht um den Umsatz per se, sondern primär um die Kontakte und Gespräche, die bei jedem Verkauf entstehen. Mit der Hälfte des Umsatzes konnte sich der Club auch nur halb so oft positionieren – das tut weh. Als großer Markenclub sind wir auf vielen Messen unterwegs. Auftritte und Mannschaft sind seit Jahren konstant professionell, das Angebot wurde immer wieder erneuert, der Absatz sinkt jedoch: Anscheinend sind die Käufer “satt” – oder anders interessiert. Gleichzeitig sinkt die Qualität der Gespräche, viele drehen sich nur noch um das magische Dreieick der ET Beschaffung: Verfügbarkeit vs Qualität vs Preis. Das Lamento der Besucher ist uns aus eigener, schmerzhafter Erfahrung bestens bekannt. Im begrenzten Umfang können wir helfen – oft bleibt jedoch auch der schale Nachgeschmack, ausgenutzt zu werden. Mitglied werden? Ja, ich überlegs mir zu Hause! Die Internet-kostenlos Attitüde schlägt nun bis zum Tresen durch: Viele fragen nach konkreten Teilen – sollen wir für den Besucher die Suchmaschine bedienen? Heraus stach der europäische Besucher, der eine Farbkarte für 8 Euro nicht kaufen, jedoch abfotografieren wollte – obwohl die Farbkarte auch in seiner Sprache vorlag! Ein Clubmitglied fasste seine Eindrücke aus zwei Tagen Messebesuch so zusammen: Zu viele Neuwagen, zuviele Angebote jenseits der Oldtimer Bedürnisse, zu starke Konzentration auf wenige Hochpreis Hersteller, zu wenig Brot- und Butter Fahrzeuge, Preis/Leistungsverhältnis in eindeutiger Schieflage bei insgesamt zu schlechter Qualität.

Old-, Youngtimer, Klassiker und mehr – die Mischung macht es!

Werner Heidemann – Sprecher des Vorstandes Mercedes-Benz SL-Club Pagode e. V.: Der Gesamtblick auf die Retro Classics 2019 unterstreicht eindrucksvoll das Statement des Veranstalters, wonach der Handel stärker in den Vordergrund getreten ist. Wenige Mosaiksteinchen dieses Bildes mögen als ein Beleg dafür gelten. – Für eine Oldtimermesse fällt auf, dass an vielen Ständen einige und z.T. sogar mehrheitlich aktuelle Fahrzeugmodelle ausgestellt waren und angeboten wurden. Als Beispiel mag die Halle 10 dienen, wo direkt neben der Präsentation der Mercedes-Benz Markenclubs ein großer US Fahrzeugimporteur weitestgehend moderne Fahrzeuge angeboten hat. Geht so Oldtimermesse? – In der Halle 6, die ursprünglich als Halle für den privaten Fahrzeugmarkt gedacht war, haben mittlerweile viele Händler das Heft in die Hand genommen, die häufig aktuelle Fahrzeuge und weniger Oldtimer angeboten haben. – In mehreren Hallen waren Angebote zu finden, die nur indirekt, wenn überhaupt, der Oldtimerei zugeordnet werden konnten, z.B. sahen wir eine Häufung von Weinständen o.ä.. Es entstand insgesamt der Eindruck, dass die Retro Classics sich von einer Oldtimermesse zu einer Lyfestyle-Messe rund um den Oldtimer weiterentwickelt hat. Angesichts dieses Bildes sollte man trotzdem mit harscher Kritik am Veranstalter vorsichtig umgehen und nach den Gründen für die aufgezeigte Entwicklung fragen. Wahrscheinlich sind die Hallen mit Clubs und Unternehmen, die ausschließlich auf die Oldtimerei ausgerichtet sind, nicht mehr zu füllen. Und wer weiß, ob nicht durch diese Weiterentwicklung andere Interessengruppen angesprochen werden, die über ihren Besuch der Messe vom besonderen Flair des Oldtimer-Hobbys angesprochen werden. Ungeachtet der obigen Kritik können wir an allen Messetagen auf viele erfreuliche Gespräche mit Interessierten zurückblicken, die auch zur Motivation unseres Standpersonals beigetragen haben. Dem Messeveranstalter sei empfohlen, bei der Verteilung der verschiedenen Stände mit mehr Fingerspitzengefühl die Oldtimeratmosphäre in den Hallen zu pflegen.

Messeverantwortlicher eines weiteren Markenclubs, der mir bekannt ist, aber nicht genannt werden möchte: Hallo, ist es u.E. schon seit einigen Jahren offensichtlich, dass der – hochpreisige – Handel auf der Retro Classics immer mehr in der Vordergrund rückt und die Clubs und Enthusiasten verdrängt werden. Für “Normalverdiener” wird zusehends weniger geboten, man sieht immer weniger normale und bezahlbare Fahrzeuge. Auch die Clubs, die solche Fahrzeuge repräsentieren, machen sich rar. Das ist u.E. insofern fatal, da man als Oldtimerbesitzer ohnehin immer mehr als wohlhabender Schnösel angesehen wird und die Akzeptanz unseres Hobbys in der Bevölkerung darunter leidet – und die Oldtimermessen leisten dem noch Vorschub. Am schlimmsten finde ich aber, dass auch Neuwagenhändler auf der Messe vertreten sind – siehe “Geigercars” aus München in Halle 10:  Zwei oder drei “Alibi”Oldtimer und gefühlt 20 bis 30 Neufahrzeuge – was soll das ?!? Klar, auf dem Clubstand gibt’s immer interessierte und neugierige Besucher, ein Treffpunkt für Stammtisch- und Clubmitglieder ist man ohnehin. Dem Standpersonal hat’s Spaß gemacht, auch wenn es recht anstrengend war. Aber lohnt sich dafür der Aufwand ? Die Zweifel mehren sich …. Würde ich für diese Messe als Besucher 20 € ausgeben ? Eher nicht (mehr).

Ich danke den Rückmeldern meiner Spontanumfrage für Ihre offenen, ehrlichen Worte. Ein paar Rückmeldungen sind mir noch angekündigt und werden in den nächsten Tagen hier nachgereicht.