Weiterbildung zum Experten für Young- und Oldtimertechnik

Oldtimer-Fachkräfte: Indianer statt Häuptlinge

Quelle: Steffen Dominsky - kfz-betrieb.de

Technische Ausbildung 1980. Quelle: DaimlerAG

Mit dem „Zertifizierten Experten für Young- und Oldtimertechnik“ sagt die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) dem Fachkräftemangel im Klassikbereich den Kampf an. Das Qualifikationsangebot startet im März.

Wer im automobilen Handel unterwegs ist, der kennt es seit Jahren bzw. Jahrzehnten: das Institut für Automobilwirtschaft (IfA). Das ist an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) im schwäbischen Geislingen angesiedelt. Und genau diese Hochschule bietet mit dem „Zertifizierten Experten für Young- und Oldtimertechnik“ nun erstmals eine Weiterbildung zum Thema historische Mobilität an, die sich speziell an Fachkräfte aus dem Kfz-Gewerbe richtet. Ziel des Lehrganges ist es, Teilnehmern den Aufbau und die Funktionsweise wesentlicher technischer Systeme von Young- und Oldtimern zu vermitteln.

Das Weiterbildungsangebot richtet sich an Kfz-Meister, -Gesellen und -Auszubildende ab dem 3. Lehrjahr sowie an Sachverständige, insbesondere für historische Fahrzeuge und Kandidaten des „Restaurators im Kfz-Gewerbe“ (Master Professional). Sie sollen in die Lage versetzt werden, die geschulten Systeme fachgerecht reparieren, warten und einstellen zu können.

Der Wissenstransfer erfolgt durch eine Mischung aus Theorie und einem sehr hohen Praxisanteil. Die Schulung, die erfahrene Oldtimertechnik-Spezialisten bzw. -Unternehmen übernehmen, setzt sich aus folgenden sechs Modulen zusammen:

  • Modul 1 – Einstieg: Geschichte des Verbrennungsmotors, Gesamtüberblick „Technische Systeme in Oldtimern“, Basiswissen, Grundlagen inklusive Probefahrt im ersten vierrädrigen Automobil, der Daimler-Motorkutsche (Replika)
  • Modul 2 – Motortechnik und Motorblock: Bauformen, Materialien und Werkzeuge, Motorblocküberarbeitung (Bohren, Honen, Planen, Prüfen) sowie Prüfen, Bearbeiten, Messen, Wuchten
  • Modul 3 – Zylinderkopf: Demontage, Verschleiß- und Schadensanalyse, Prüfungen und Bearbeitungen, Wasserkreislauf abpressen, Lager tauschen
  • Modul 4 – Zündung und Vergaser: Geschichte der Zündanlagen, Unterschiede bei Transistorzündung, Demontage und Remontage, Diagnose und Prüfmöglichkeiten sowie Einstellarbeiten und praktische Arbeiten an Verteilerprüfständen und am Prüfstandsmotor
  • Modul 5 – Einspritzsysteme: Unterschiede D-Jetronic, L-Jetronic und KE-Jetronic, Diagnose und Prüfmöglichkeiten (mit Prüfgeräten und Oszilloskop), praktische Arbeiten an Bauteilen, Schulungstafeln und am Prüfstandsmotor
  • Modul 6 – Antriebsstrang und Bremssysteme: Antriebsstrang: Kupplungsarten, Beläge, Getriebearten, Zerlegung Getriebe, Synchronisation, Touchieren, Wellen und Gelenke. Bremssysteme: Grundlagen, mechanische und hydraulische Bremssysteme, Bremsleitungen anfertigen, Hauptbremszylinder zerlegen und Remontage, Einstellarbeiten

    Technische Ausbildung 1985. Quelle: DaimlerAG

Wer alle sechs Module absolviert hat, erhält nach einer erfolgreichen Abschlussprüfung (theoretischer Teil: 90-minütige Klausur, praktischer Teil: Komponenten/Systeme aus Lehrgang mit Fehlersuche, Demontage, Remontage, gegebenenfalls Einstellung) das Zertifikat „Zertifizierter Experte für Young- und Oldtimertechnik“. Ins Leben gerufen hat den „ZET“ Prof. Dr.-Ing. M.S. Reinhold Bopp in enger Zusammenarbeit mit der Kern Akademie, Hellspeed Performance Parts, der Kfz-Innung Region Stuttgart, dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) und dem Zentralverband Karosserie und Fahrzeugtechnik (ZKF).

Der erste Lehrgang startet am 28./29. März mit Abschlussprüfung am 16. November. Der Unterricht für jedes Modul findet jeweils statt von Freitag: 10 bis 18 Uhr (mit anschließendem Abendprogramm), Samstag: 8 bis 16 Uhr. Die Lehrgangsgebühr beträgt 4.000 Euro plus 500 Euro Prüfungsgebühr. Weitere Informationen finden Sie https://www.hfwu.de/weiterbildung/weiterbildungkurse/zet-zertifizierter-experte-fuer-young-und-oldtimertechnik/hier.


Redaktion: Wie kam es zum „Zertifizierten Experten für Young- und Oldtimertechnik“, kurz ZET?

Prof. Dr. Reinhold Bopp: Durch Anregungen der Kfz-Innung Stuttgart, des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe und der Kern-Akademie sowie der Community der Young- und Oldtimerenthusiasten, wozu auch Restaurationsbetriebe und historische Fachbetriebe zählen, entstand die Idee eines solchen Angebots.

Gibt es also Ihrer Meinung nach Bedarf für einen ZET?

Ja, das belegen Aussagen aus dem Kreis der Initiatoren, entsprechende Umfragen und der Blick über die Grenze in die Schweiz. Wir hoffen, dass der Markt das angebotene Format annimmt. Als zusätzlichen Anreiz für eine Teilnahme sehen wir den Erhalt eines Zertifikats, das durch eine an eine Hochschule angegliederte Akademie ausgestellt wird („Hochschulzertifikat“).

Wird der ZET den Bedarf an Young- und Oldtimerfachkräften langfristig decken können?

Unser Angebot wird das Problem, dass die Nachwuchssuche im Kfz-Gewerbe schwierig ist, nicht grundsätzlich lösen können. Es wird jedoch aus Erfahrung helfen, die Begeisterung für alte Technik hoch zu halten oder zu wecken. Auf jeden Fall wird der ZET dazu beitragen, das für die Restaurierung und Pflege von Young- und Oldtimern erforderliche Wissen sowie zugehörige Fertigkeiten für Betriebe und Enthusiasten zu vermitteln und zu bewahren.

Welche Rolle spielen die Verbände ZDK und ZKF beim ZET?

ZDK und ZKF sowie die Kfz-Innung Stuttgart sind am ZET interessiert, um einerseits eine Wissensvermittlung zu ermöglichen und andererseits einen weiteren Theoriebaustein im Rahmen der Ausbildung zum Restaurator im Kfz-Gewerbe abdecken zu können. Die Verbände unterstützen den ZET durch Bewerbung bei den Restaurator-Interessenten, den historischen Fachbetrieben, den Restaurationsbetrieben, in Arbeitskreisen etc.

Ist der ZET so etwas wie der „Servicespezialist Oldtimer und Youngtimer“ der TAK 2018, oder geht er darüber hinaus?

Die TAK unterstützt den ZET, indem wir Schulungsunterlagen der TAK beim ZET einsetzen. Zwar behandeln wir nicht das Thema Fahrwerk, gehen aber ansonsten über den TAK-Servicespezialisten hinaus. So ist der zeitliche Umfang größer, Sie erhalten ein Zertifikat einer Hochschulakademie und es bestehen Synergien zum ebenfalls an der HfWU-Akademie angebotenen „Certfied Expert for Historic Cars“ (CEHC). In der Praxis steigen wir tiefer in die Motortechnik ein, legen den Fokus kompromisslos auf eigene Praxisarbeiten in einem Werkumfeld und es gibt ein Begleitprogramm (Technik und Fahrten mit Daimler-Motorkutsche, Museumsbesuche, Ausfahrt etc.) zur weiteren Anregung und Vertiefung.

Mercedes-Benz Kompaktklasse der Baureihe 201. Raumlenkerhinterachse. Zeichnung für die Kundendienstschulung aus dem Jahr 1983.