Nach 48 Jahren in einer Hand, sucht ein „Adenauer“-Mercedes in naher Zukunft ein neues Zuhause. Diether Rodatz, langjähriges MVC-Mitglied und Automobil-Autor überlegt sich in den kommenden Jahren von seinem liebgewonnenen Mercedes W186 II 300 b zu trennen. Wer ernsthaft interessiert ist, kann sich direkt bei Diether Rodatz per EMAIL melden. Damit man einen Eindruck vom Wagen und seiner Geschichte bekommen kann, findet sich hier ein Artikel aus der AutoBild Klassik von 2014 über sein Fahrzeug:
Meine persönliche Elbphilharmonie
Hamburgs Millionengrab kennt mittlerweile jeder. Die Kosten fürs neue Kleid des Mercedes 300b überraschten seinen Besitzer aber auch
Fast drei Jahre lebten wir in Trennung, mein 300er und ich. Na ja, nicht ganz. Ab und an besuchte ich den „Adenauer“ (der so hieß, weil Deutschlands erster Bundeskanzler einen fuhr), um zu sehen, wie groß der Aufwand wird. Ich merkte schnell, ich musste mit ran. Reparieren. Und auch sonst reinhauen. Ihm tief an die Innereien gehen, weder Ölsumpf noch Rostfraß scheuen. Alles kein Problem, schließlich habe ich ihn schon seit 1973 und
kenne ihn bis hin zur letzten Schraube. Er brachte uns in manchen Urlaub, sah die Kinder groß werden. Kurzum: Der Mercedes wurde zu unserem Lebens-Gefährt (siehe auch AUTO BILD KLASSIK 1/2007). In 41 Jahren hat er uns nie im Stich gelassen. Okay, mal sprang er widerwillig an, mal löste sich die Benzinpumpe, mal lockerten sich zwei Ventilsitze nach allzu arger Raserei. Ein andermal riss ein Unterdruckschlauch, und Nebenluft brachte den Motor zum Stottern. Aber den Abschleppdienst rufen musste ich nie. Alles ließ sich stets mit Bordmitteln beheben.
2011 schaute ich mir sein altes Blech genauer an. Auweh, feinste Pickel blühten überall. Wie ich gelesen hatte, kann das noch nach Jahrzehnten passieren, wenn der Lackierer beim Spritzen irgendwas nicht ganz genau eingestellt hat. Dazu kamen hässliche Kratzer von der einen oder anderen Unachtsamkeit. Klarer Fall: Der alte Adenauer brauchte ein neues Kleid, nicht nur zu seinem 60. Geburtstag.
Anruf bei der Werkstatt meines langjährigen Vertrauens, B&F in Troisdorf bei Siegburg: „Welchen Laden im Raum
Hamburg empfehlt ihr mir? Schließlich will ich nicht immer so weit fahren, um die Arbeiten zu beobachten.“ Antwort: „Geh zu Mika nach Mölln. Das sind die, die den legendären 54er Mercedes-Renntransporter, das sogenannte Blaue Wunder, aus dem Nichts wieder aufgebaut haben.“ Gesagt, gefahren. In der Eulenspiegelstadt eine erste Wert-Schätzung – voller Optimismus noch, denn ich glaube ja, mein Auto auch in den Intimbereichen
bestens zu kennen.
Eine Neulackierung mit einigen Nebenarbeiten müsste für 20.000,-Euro zu haben sein, denke ich. Im schlimmsten Fall vielleicht für 30.000. Wie es sich für einen Experten gehört, legt Chef Dirk Blossfeldt seine Stirn in Falten und
lässt sich nicht festnageln: „Bei einem Oldie kann man den Aufwand nie vorherbestimmen, das wäre unseriös. Es gibt immer wieder Überraschungen.“ Wohl wahr! Sicherheitshalber frage ich, ob ich gelegentlich mitarbeiten dürfe. Kein Problem. Falls ich es nicht eilig hätte, könnte man vieles in der Saure-Gurken-Zeit machen, das käme für mich dann auch etwas günstiger.
Voller Neugier schaue ich also zu, wie sich Fachmann Michel Bobzin im Frühjahr 2011 ans Zerlegen macht, gehe ihm dabei zur Hand – und stehe erst mal in der Schmiere. Die Hohlraumversiegelung, von der Rostschutztest-Gewinner Mike Sander vor Jahren rund zwölf Kilo in und unters Auto gepumpt hatte, tritt überall zähklebrig zutage. Was gut gemeint war und sicher auch gut schützt, kostet bei einer Restaurierung richtig Zeit. Mit Föhn, Waschbenzin und Pinsel rücken wir dem Fett zu Leibe. Eine mühsame und eintönige Arbeit, die aber Zeit schenkt zum Zurückdenken.
1954 hatte mein Adenauer das Sindelfinger Band verlassen. Ein Eigenheim auf Rädern, zumindest kostete er mit 22.000,-DMark genauso viel. Neun Jahre nach Kriegsende herrschte immer noch Mangelwirtschaft. Reifen etwa kosteten Tagespreise, denn Gummi war knapp und teuer. Ebenso Kupfer, daher bestanden die Kabel überwiegend aus Alu – was mich damals nicht interessierte, schließlich war ich gerade erst elf Jahre alt. Der erste Funken sprang über, als eine Klassenkameradin mit einem 300er zur Schule gebracht wurde. Der nette Chauffeur erklärte uns Jungens das Auto. Boah: 125 PS, Tacho bis 180, Instrumente mit Chromringen, Blinker statt Winker, Heizung mit Gebläse – und sogar getrennt regelbar! Hightech zu einer Zeit, als lahme Lloyd und bucklige Käfer die Straßen dominierten. Fortan träumte ich nur vom Besten oder nichts – bis 1973.
Da konnte ich den unverbastelten 300er eines Kollegen kaufen, für 2200 Mark. Im Motor hämmerte es zwar verdächtig, der Rost blühte längst nicht mehr nur im Verborgenen, und Myriaden von Motten hatten sich über Fußmatten und den darunter liegenden Waffelfilz hergemacht. Aber ich besaß endlich das Statussymbol der 50er-Jahre. Ließ den 300er lackieren, überholte den Motor. Das kostete, Eigenarbeit nicht mitgerechnet, alles in allem rund 8000 Mark, also um 4000 Euro. Von solchen Preisen träume ich heute. All dies geht mir durch den Kopf, als ich die Bleche sauber mache. Könner Michel nähert sich derweil diversen Hohlräumen, hält mir braune, bröselige Fragmente unter die Nase und schaut mich bedauernd an. Unausgesprochen heißt das: Das muss neu!
Geschichten-Schreiber: links in AUTO BILD KLASSIK 1/2007, Mitte zum 50. in AUTO BILD 45/2004, rechts in AUTO BILD 46/2010
„Pfusch gibt es bei uns nicht, wir bauen keine Blender“, stellt der Fachmann klar. Pfusch will ich auch nicht, denn dann hätte ich ja gleich zu einem der üblichen Blechbetrüger gehen können. So dreht sich mit der Gedanken- plötzlich auch die Kostenspirale: entweder richtig machen oder gar nicht! Böses ahnend, stelle ich mich auf Diskussionen ein, daheim und bei der Bank. Zum Glück lassen sich am Ende alle überzeugen, dass solch ein Oldie zwar kein Goldie wird, aber wenigstens kein Geld verliert. Blech wird geschweißt, verzinnt, angepasst. Als Michel Bobzin seine Schuldigkeit getan hat, übernimmt Gerd Kunze die Führung. Obwohl er einst „nur“ Tankwart gelernt hat, konnte dem Autodidakten in puncto Elektrik und Mechanik kaum einer was vormachen. Ich schreibe bewusst in der Vergangenheit, denn Gerd starb im Juni mit nur 49 Jahren am verdammten Krebs.
An meinem Adenauer prüft er damals penibel den (von einer Fremdfirma abgedichteten) Motor, entdeckt und korrigiert die um zwei Kettenglieder verstellten Steuerzeiten. In stundenlanger Arbeit fummelt er den neuen Kabelbaum ins Auto, der jetzt natürlich nur noch Drähte aus Kupfer enthält, und baut eine Leuchtdiode in die Fernlichtkontrolle, weil die sonst bei Tag kaum zu erkennen ist. Die in beinahe sechs Jahrzehnten von kleinsten Steinschlägen perforierte Windschutzscheibe tauscht er aus, prüft die Funktionen von Heizung, Elektrik und Fensterhebern. Er erneuert deren Kurbelmechanismus, repariert die Lichtmaschine und die Wasserpumpe. Baut das sieben Kilo schwere Becker-Nürburg-Röhrenradio wieder ein, fummelt filigrane Federn in die Schlüssellochschützer und größere in die Türschließmechanismen.
Wer schraubt, der glaubt …
… dass alles nicht so teuer wird
Einmal weist er mich an, die Wasserrohre zu entrosten, die die beiden Wärmetauscher miteinander verbinden. Ich tue das brav – und tappe in die nächste Kostenfalle. Beim Ausblasen eines vermeintlich kleinen Rostflecks tönt das Rohr wie eine Orgelpfeife. Das Löchlein ging durch. Und wo eines ist, sind weitere nicht fern. Also muss ein neues Rohrgeweih her. Zum Glück gibt es eine sehr aktive Nachrüst-Szene, aber die lebt natürlich nicht vom
Verschenken. 180 Euro muss ich dem Händler überweisen. Trotzdem passt das Wasserrohr erst nach vielem Erwärmen und eifrigem Biegen richtig hinein.
Weitere Überraschungen lassen nicht lang auf sich warten. Beim Prüfen der Krümmer zeigen sich auspuffseitig feine Risse. Ärgerlich, denn die Abgase sollten schon nach hinten und nicht in den Motorraum entweichen. Also beginnt die Suche nach einem neuen Krümmer. Achselzucken bei allen Händlern. Endlich spüren wir einen gebrauchten auf. Er war auch mal defekt gewesen, ist jetzt aber gut geschweißt. Wieder drei Hunderter weg.
Was rostet, das kostet…
…vor allem bei den Innereien
Als gelbes Postauto auch nicht schlecht, oder? Lackiervorbereitungen bei Milan & Mc Murray in Hamburg. Kosten fürs gründliche Schwarzmalen? Rund 7.000,-Euro
Gerd ist nie aus der Ruhe zu bringen, er rackert geduldig, löst alle Probleme, flucht nie. Ganz im Gegensatz zu mir. Das Geld zerrinnt schneller, als ein Benzinfleck verdunstet. Und es scheint kein Ende in Sicht. Hier noch was verchromen, da etwas hübsch schwarz anstreichen, dort ein Spiegelglas erneuern. Das Verblüffende, bei mir zumindest: Wenn das Ziel in Sichtweite kommt, ist einem plötzlich egal, wie oft und wie tief man noch in die Tasche greifen muss. Irgendwann zeigt man dem inneren Kostenrechner das Stoppschild, schaltet in den Leckt-mich-doch-Gang und freut sich auf die erste Ausfahrt.
Ein unbezahlbares Gefühl, wieder auf dem (natürlich neu)aufgepolsterten Sessel zu sitzen und durch die glasklare
Scheibe in eine herrliche oldiemobile Zukunft zu schauen!
Diether Rodatz