Nur wenigen Autofahrern, die heute auf der A 115 nach Berlin fahren ist noch bewusst, dass sie ihr Automobil auf einem Teilstück der legendären AVUS bewegen. Der Glanz der Siegerkränze ist längst verblasst, und der Lärm der brüllenden Motoren längst verstummt.
Am 1. Mai 1999 fand das letzte AVUS Rennen statt.
Nur ein Blick nach links gab noch Jahre lang die Sicht auf die langsam aber stetig verfallende hölzerne Haupttribüne frei. Ein privater Investor hat schließlich den endgültigen Abriss verhindert. Inzwischen erstrahlt die alte Tribüne fast wieder in neuem Glanz. Mit Veranstaltungen soll wieder frisches Leben einziehen.
1909 In Berlin wird eine „Automobil-Verkehrs-und Übungsstraße“ GmbH gegründet.
1913 Beginn der Bauarbeiten. Am 2. Mai wird der Bauvertrag mit der Philip Holzmann AG aus Frankfurt am Main unterzeichnet. Wenig später fahren die ersten Baufahrzeuge durch den Grunewald.
1914 Der erste Weltkrieg führt zur Einstellung der Bauarbeiten.
1920 Durch finanzielle Unterstützung des Stinnes Konzerns können die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden. Die „AVUS“ bekommt eine 25 cm starke Fahrbahndecke und die Bauarbeiten an dem berühmten „Torgebäude“ und an den Tribünen können beendet werden.
1921 24. und 25. September zum Eröffnungsrennen dröhnen auf der AVUS zum ersten Mal die Motoren. Die Strecke ist 19,6 km lang und besteht aus zwei parallel verlaufenden Geraden, die im Süden und im Norden durch zwei 180 Grad Schleifen miteinander verbunden sind. Im Juni 1921 erschien die Ausschreibung.
Dort hieß es „Die Rennveranstaltung soll dem Käufer-Publikum angesichts drohender Importgefahr aus dem Ausland, die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie veranschaulichen, den deutschen Fabriken neue Aufträge verschaffen und der Arbeiterschaft den Erwerb sichern.“
Zugelassen waren daher nur Hersteller aus Deutschland. Am Start standen Fabrikate, die heute fast vergessen sind: Horch, Adler, Wanderer, Selve, Presto, Steiger, Simson, Aga, Dixi, Falcon, Dinos, N.A.G. Nur Opel hat die Jahre überlebt. Auch zwei Automobilhersteller aus Mannheim hatten ihre Wagen nach Berlin gebracht. In der Klasse bis 800 kg startete Franz Heim auf seinem gleichnamigen Rennwagen. Die Firma Benz war sogar mit 4 Fahrzeugen gekommen. Franz Hörner und Willi Walb fuhren in der Klasse bis 950 kg. In der Klasse bis 650 kg saßen die gleichen Fahrer noch einmal an den Lenkrädern der Mannheimer Benz-Wagen.
Pünktlich um 11 Uhr tönte die Fanfare zum Start für das erste Rennen. Im Abstand von 45 Sekunden wurden die Fahrzeuge jeweils paarweise auf die Strecke geschickt. Rund 300 000 Besucher hatten auf den Tribünen Platz genommen oder standen an der Strecke im Grunewald und bejubelten die vorbei rasenden Rennwagen.
In der Klasse XB für Wagen mit 10/30 PS fuhr der Mannheimer Franz Hörner als Erster über die Ziellinie. Mit seinem Benz Wagen hatte er bei einsetzendem Regen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 121,1 km/h erreicht. Es scheint so, als habe kein Fahrzeug, das damals zum AVUS Eröffnungsrennen am Start war, die letzten hundert Jahre überlebt.
Oder doch? Im Januar 2000 bekamen wir eine Nachricht aus Boblitz im schönen Spreewald. Dort hatte ein junger Mann ein altes Benz-Fahrgestell unter einem Bauernwagen entdeckt. Dieses Fahrgestell entsprach genau dem Fahrgestell, das Franz Hörner unter seinem Rennwagen hatte. In Berlin fanden sich Kühler, Motor und Getriebe. In unserem Museumsarchiv hatten wir einige Fotos von dem Wagen. So konnte der Wiederaufbau des AVUS Rennwagens beginnen.
Inzwischen ist der Benz Rennwagen wieder fahrbereit und steht jetzt im Mittelpunkt der Sonderausstellung 100 Jahre AVUS im Automuseum Dr. Carl Benz in Ladenburg. Er erinnert unsere Museumsbesucher noch heute an den „Mythos AVUS“.