500 K Roadster und die Justiz

Wir schreiben das Jahr 1935. Hans Friedrich Prym, damaliger Chef der 1530 gegründeten Druckknopf-Dynastie und damit dem auch heute noch ältesten Industrieunternehmen Deutschlands, leistet sich einen grünen 500 K Roadster. Kaufpreis rund 15.000 Reichsmark.

1942 hat er dann offensichtlich eine Eingebung und lagert den Wagen in einer Werkstattgarage an der Zweifaller Straße in Stolberg, dem Prym-Firmensitz bei Aachen, ein. Damit sollte wohl eine Beschlagnahme durch das NS-Regime verhindert werden. Erfolgreich, allerdings nur bis zum Herbst 1944. Nach Einmarsch der amerikanischen Truppen besetzen diese den Familiensitz, die sogenannte Villa Waldfriede und entdecken den Mercedes. Das weitere Geschehen ist nebulös. Fakt ist, dass nach Ende des Krieges der Wagen verschwunden ist.

Zeitsprung: Nach 66 Jahren taucht der 500 K im September in den Auktionslisten von RM Auctions in Monterey auf. Die „Aachener Zeitung“ schildert das Ganze damals dann wie folgt: „Eingefädelt wurde die Heimkehr der rollenden Kostbarkeit von der Aachener Kanzlei Stein & Partner. Rechtsanwalt Alexander Martius war über Pryms „Google-Alert” auf die bevorstehende Auktion in Monterey im September 2011 aufmerksam geworden.

Diese Internet-Funktion löst Alarm aus, wenn speziell vorgegebene Worte irgendwo auf der Welt online in Texten auftauchen – in diesem Fall der Name „Prym”. Martius reagierte sofort: „Ich habe das Auktionshaus angeschrieben und den Besitzanspruch der Erbengemeinschaft Prym reklamiert”, erklärt er.

In der Expertise zum Mercedes stand, dass die Herkunft des Fahrzeugs bis Anfang der 70er-Jahre unbekannt sei. Doch Martius kannte die Geschichte seines Mandanten Michael Prym. Sein Großvater, Hans Friedrich Prym, hatte nicht nur mit der Weiterentwicklung des Druckknopfs ein Nähartikel-Imperium aufgebaut, sondern auch eine Vorliebe für elegante Luxuskarossen. Zu seinem Fuhrpark zählte der Mercedes 500 K Roadster.“

Doch die Kanzlei scheiterte an den Amerikanern: RM versteigerte den Mercedes für 3,8 Millionen Dollar, umgerechnet 2,8 Millionen Euro. Auftraggeber war interessanterweise die US-Unternehmerfamilie Lyon bzw. aus der Sammlung des ehemaligen Generalmajor William Lyon. Den Zuschlag erhielt der Niederländer Frans van Haren. Dieser witterte ein Riesengeschäft und bot den Wagen wiederum auf der „Techno Classica“ an. 4,9 Millionen Euro werden jetzt aufgerufen. Vermittler war der Oldtimer-Händler Eberhard Thiesen. Doch Prym-Enkel Michael Prym erwirkte vor dem Landgericht Essen kurzfristig eine einstweilige Verfügung. Als Folge wurde der Wagen vor Ort beschlagnahmt und in Verwahrung genommen.

Das „Manager Magazin“ zum Prozessausgang: „Dass der Fall verfahren ist, stellte jetzt auch der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Hamburg, Carsten Beckmann, fest: Es gehe „um ein schönes Auto“, sagte er beim einstweiligen Verfügungsverfahren in letzter Instanz am Dienstag. Um alles Weitere wabere „rechtlicher Nebel“.

Alles dreht sich um die Fragen: Wurde der Mercedes in den Wirren des Zweiten Weltkriegs gestohlen – oder wurde er von der US-Armee beschlagnahmt? Denn ein Diebstahl würde Prym in die Hände spielen. Seine Besitzansprüche wären dann möglicherweise gerechtfertigt. Wurde der Wagen aber beschlagnahmt, so könne mit dem Überleitungsvertrag zwischen Deutschland und den Besatzungsmächten argumentiert werden. Dieser besagt, dass beschlagnahmter Besitz nicht zurückgegeben werden muss.

Doch herauszufinden, ob gestohlen oder beschlagnahmt, ist beinahe unmöglich. Die einzige mögliche Zeugin, die Tochter des damaligen Werkstattmeisters der Pryms, ist 85 Jahre alt und lebt in den USA. Und anders als im Verfahren um die einstweilige Verfügung reichen im Hauptsacheverfahren – dem Verfahren um den Millionen-Mercedes selbst – keine Plausibilitätsvermutungen.“

Die beiden Kontrahenten suchen seit dem 29.1.13 einen außergerichtlichen Vergleich. Verkauf des Wagens binnen einen Jahres für mindestens 4,5 Millionen Euro und Aufteilung des Erlöses: ein Drittel für Prym, zwei Drittel für van Haren. Damit hätte letzterer zumindest seinen Kaufpreis wieder. Prym selbst hat dagegen keinerlei Bezug zu dem Roadster. Im ginge es lediglich um Gerechtigkeit. Ob dies mit der 2004 gegen das Unternehmen verhängten 25 Millionen-Strafe wegen Kartellbildung im Bereich Verbindungs- und Befestigungssysteme zusammen hängt, bleibt dem geneigten Leser überlassen.