„Alte“ Technikdaten auf den neuen PC bringen!

von Stefan SPRICKMANN KERKERINCK / IRGENDWAS MIT …TECHNIK 

WIS-DVD unter macOS nutzen

Wer schon eine Zeitlang im Technik-Blog >Irgendwas mit Technik< mitliest, weiß ja um sein Faible für ältere Fahrzeuge insbesondere des Fabrikates Mercedes-Benz.

Ausgangslage

Für diese Sammlerfahrzeuge hatte der Hersteller in der Vergangenheit einige Mühe darin investiert, der Kundschaft Wartungs- und Reparaturinformationen zur Verfügung zu stellen … in den ausgehenden 90er Jahren waren hierfür DVDs das Medium der Wahl. So entstand eine ganze Reihe sogenannter „WIS-DVDs“ u.a. für die Fahrzeugbaureihen W123S/C123W/C126, R/C107, W202, R129, und evtl. noch einige mehr (die derzeit noch erhältlichen DVD habe ich entsprechend verlinkt).

Auf diesen DVDs ist ein wahrer Datenschatz enthalten: ein „Elektronischer Ersatzteilkatalog“ (EPC – den gibt es gegen Bezahlung und tagesaktuell aber auch im Internet), Schaltpläne, Reparatur-, Einbau- und Wartungsanleitungen, fallweise auch Bedienungs- und Betriebsanleitungen sowie etliche weiterführende Informationen.

So sieht eine solche „WIS-DVD“ aus … (Bild von http://www.mercedes-benz-classic-store.com)

Diese DVDs wurden jedoch mehrfach kopiergeschützt, damit keine Raubkopien das Geschäft des Herstellers stören. Außerdem erfolgt die Darstellung der DVD-Inhalte mittels einiger angepasster Spezialversionen seinerzeit aktueller Software, z.B. einer Version des Adobe Acrobat 9.0 (mit angepassten Steuerelementen zur Navigation). Eine weitere Spezialsoftware ist „IsoView“ (wird zur Anzeige des EPC benötigt).

All diese Softwares waren auf den DVDs mit enthalten und mussten ggf. vor der ersten Nutzung auf dem Windows-PC installiert werden.

Warum ist das heute ein Problem?

Ganz einfach: was im Jahre 2002 modern und „state-of-the-art“ war, ist heute im besten Falle veraltet, im schlimmeren Falle unter einem neueren Windows nicht mehr installierbar und im schlimmsten Falle ein massives Sicherheitsrisiko. Unter macOS oder Linux hat man ohnehin keine Chance, sowas „ans Laufen“ zu bringen.

Was also tun? Idealerweise sollte man „alte Software“ auf einem „alten Rechner“ laufen lassen – nur: wer hat so einen noch? Aber da gibt es eine Lösung, die nicht nur unter Windows, sondern auch unter macOS und Linux funktioniert: die Nutzung einer virtuellen Maschine.

Ich beschreibe also nachfolgend die Nutzung der Original-DVDs bzw. deren Sicherungskopien unter macOS. Vorausgesetzt wird jedenfalls, dass der geneigte Nutzer die DVD im Original vorliegen hat, denn wir wollen keinesfalls einen Verstoß gegen die Urheberrechte unterstützen. Meine Hinweise und Anleitungen erfolgen unverbindlich: Nachmachen auf eigene Gefahr!

Wie ist der Plan?

Wir richten eine „Virtuelle Maschine“ ein, installieren darauf „Windows XP SP3“ ohne einen Zugang zum Internet (um keine Sicherheitsrisiken einzugehen), erstellen sodann ggf. Abbilder der vorhandenen DVDs und binden diese schließlich in unsere virtuelle Maschine ein. Bei diesem Vorhaben sind einige Fallstricke zu beachten, die ich nachfolgend beschreibe.

Virtuelle Maschine einrichten

Für die private Nutzung bietet sich „Virtual Box“ an, welches unter VirtualBox.org kostenfrei heruntergeladen werden kann – bitte die für Ihr Betriebssystem korrekte und aktuelle Version suchen und installieren.

Windows XP installieren

Hierzu gibt es auf dem SunTrustBlog eine schöne Beschreibung, die sinngemäß nicht nur für Windows-Hostsysteme, sondern auch für macOS und Linux herangezogen werden kann:

  1. Laden Sie die Windows XP ISO-Datei herunter und kopieren Sie die Lizenzschlüssel auch und speichern Sie es auf einem Notizblock. Links finden Sie im Hauptschritt 1 dieses Artikels.
  2. Installieren Sie Oracle VirtualBox auf Ihrem Windows 10/8/7-PC
  3. Führen Sie die VirtualBox aus und klicken Sie auf die Schaltfläche NEU, um eine neue virtuelle Maschine zu erstellen.
  4. Geben Sie den Namen des Betriebssystems -Windows XP ein und der Rest wird standardmäßig festgelegt.
  5. Erstellen Sie eine virtuelle Festplatte (VHD) und legen Sie RAM fest.
  6. Wählen Sie die erstellte virtuelle Windows XP-Maschine aus, die auf der linken Seite des VirtualBox-Hauptbildschirms angezeigt wird.
  7. Klicken Sie im Menü auf die Option Einstellungen.
  8. Wählen Sie die Speichereinstellungen
  9. Klicken Sie auf das leere CD-Symbol und wählen Sie dann erneut aus den Attributen das CD-Symbol aus.
  10. Navigieren Sie und wählen Sie die heruntergeladene Windows XP-ISO-Datei aus.
  11. Speichern Sie es und starten Sie die virtuelle Maschine und das Windows XP-Startmenü wird angezeigt.
  12. Folgen Sie dem Installationsassistenten und es wird auf Ihrem Oracle Virtualbox zu erleben.

Ich empfehle, die SunTrustBlog-Beschreibung samt der dort vorhandenen Abbildungen mehrfach gründlich zu studieren; manche Details mögen abhängig von Betriebssystem und Softwareversion etwas anders dargestellt sein.

Jedenfalls sollte nach Download der Windows-XP-Installationsdatei samt des dafür gültigen Lizenzschlüssels (beides auf archive.org verfügbar) eine Installation von Windows XP SP3 in der virtuellen Maschine leicht von der Hand gehen.

Wenn die Windows-XP-Installation im Container läuft, sollte die so erzeugte VM gestoppt und sicherheitshalber geklont werden (falls bei den nachfolgenden Schriften ein Fehler unterläuft). Den Klon bitte sinnvoll umbenennen und ansonsten auf die Seite legen.

Hinweis: nachdem unsere Windows-XP-Installation ohne Internetzugriff arbeitet (das bitte UNBEDINGT verifizieren!!!), ist es erforderlich, ein „gemeinsames Verzeichnis“ („Shared Directory“) zur gemeinsamen Nutzung zwischen Hostsystem und Virtueller Maschine einzurichten. Dieses gemeinsame Verzeichnis dient zum Einspielen benötigter Software sowie ggf. zur Bereitstellung der MDX-Abbilder.

optional: DVD-Abbilder erstellen

Jetzt wird es spannend: ich hatte geschildert, dass der Hersteller die aufwendig gemachten DVDs seinerzeit mit einem mehrstufigen Kopierschutz versehen hatte. Eine einfaches Kopieren des Datenträgers in eine ISO-Abbilddatei führt daher zu einer nicht lauffähigen Kopie. Nach meiner Erfahrung hat es sich jedoch bewährt, mittels einer aktuellen Version der Daemon Tools auf dem Hostsystem die jeweilige DVD im *.MDX-Format zu kopieren. Die so erzeugte MDX-Abbilddatei kann dann ggf. über das „gemeinsame Verzeichnis“ in das Windows-XP-System eingebunden werden.

Wer jedoch immer ein ausreichend schnelles DVD-Laufwerk zur Verfügung hat, kann sich diese ganzen Aufwand sparen und mit der Original-DVD unter Windows XP arbeiten. In diesem Falle bitte gleich unter „Anpassungen und Funktionstest“ weiterlesen.

MDX-Datei unter Windows XP einbinden

Windows XP in der virtuellen Maschine läuft schon? Sehr gut. Wenn ein DVD-Laufwerk samt Original-DVD zur Verfügung steht, ist der nachfolgende Absatz obsolet.

Steht ein DVD-Laufwerk jedoch nicht dauerhaft zur Verfügung, oder soll die DVD geschont werden, so muss das vorher erzeugte MDX-Abbild der DVD unter Windows XP eingebunden werden. Der seinerzeit vom Hersteller gewählte Kopierschutz prüft auf das Vorhandensein bestimmter Emulationssoftwares; neueste Versionen von z.B. Daemon Tools lassen sich unter Windows XP jedoch nicht mehr installieren, weil das zugehörige „Dot-Net-Framework“ mit Windows XP nicht mehr kompatibel ist.

https://www.protect-software.com/de/help/de/52-support/101-emulatoren – auf diese Emulatoren wird wohl geprüft

Nachdem Daemon Tools bis zur Version 4.xx auf der Blockliste steht, versuchen wir es doch einfach mit Daemon Tools in der Version 5 – ich habe Daemon Tools Lite 5.0.1 von „oldversion.com“ erfolgreich installiert. Die Installationsdatei also bitte ins „gemeinsame Verzeichnis“ kopieren; dieses Verzeichnis in der Virtuellen Maschine mit dem Explorer öffnen und (wichtig!!) „als Administrator“ ausführen (hierzu ist das Eingeben des Admin-Kennwortes erforderlich!).

Nach erfolgreicher Installation kann die MDX-Datei per Doppelklick eingebunden werden und steht ab sofort als virtuelles DVD-Laufwerk zur Verfügung.

Anpassungen und Funktionstest

Nun wird das (virtuelle) DVD-Laufwerk erstmalig genutzt und „per Explorer öffnen“ auf den Inhalt zugegriffen.

vor dem ersten Start unbedingt erforderlich!

Im Unterverzeichnis „Datas / Ext_Soft / Acrobat90“ findet sich die Datei „AdbeRdr90_de_DE“, die einmalig gestartet werden muss und damit die benötigte Acrobat-Spezialversion installiert, die zur korrekten Anzeige und Navigation benötigt wird.

Ist das erfolgt, kann „EPAS.exe“ im Stammverzeichnis gestartet werden; sofern noch nicht geschehen, will das System nachfolgend auch „IsoView“ installieren, was wir gestatten.

Geschafft. Jetzt ist die WIS-DVD mit dem Stand der frühen 2000er Jahre auf einem passenden Rechnersystem installiert und kann auch bestimmungsgemäß genutzt werden. Das Sichern der virtuellen Maschine kann übrigens mit den üblichen Werkzeugen des Host-Systems erfolgen.

Ich war selbst überrascht, dass die WIS-DVD für die Fahrzeuge R/C107 unter „service manual library“ über eine schön gemachte Macromedia-ShockWave-Animation zur Navigation verfügt … die hatte ich (weil Flash und ShockWave auf neuen Computern schon lange verschwunden ist) noch nie gesehen. Und XP läuft auf meinem MacBook super-schnell …

cool … aber so 90’s.

Erfolg?

Prima, freut mich. Ich hatte ja lange nach einer sinnvollen Lösung gesucht … ich glaube, besser als so geht es nicht.

Wobei – kennen Sie easyWIS für die Baureihe W126?