Beispiel für die Zukunft? 170V wird zum Verkaufserfolg!

Mercedes-Benz 170 V: mit umfassenden Qualitäten zum Verkaufserfolg

  • Im Februar 1936 wird das Fahrzeug auf der IAMA in Berlin vorgestellt
  • Die fortschrittliche Konstruktion begeistert die Kunden
  • Sechs Karosserievarianten sind erhältlich
  • Die Nachkriegsproduktion beginnt erneut mit dem 170 V

Der 170 V (W 136) präsentiert sich im Februar 1936 auf der IAMA in Berlin sehr durchsichtig.

Mercedes-Benz präsentiert am 15. Februar 1936 den 170 V (W 136) auf der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung (IAMA) in Berlin. Damit beginnt für die Marke eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre nach der Erfindung des Automobils durch Carl Benz und Gottlieb Daimler wird der technisch fortschrittliche und optisch moderne 170 V zum Verkaufsschlager und sichert Mercedes-Benz einen Spitzenplatz in der automobilen Mittelklasse. Insgesamt entstehen vom 170 V 140.386 Fahrzeuge.

Modellvielfalt: Bei der Einführung des 170 V im März 1936 sind sechs Pkw-Karosserievarianten bestellbar − Limousine mit zwei und vier Türen, Cabriolet-Limousine, offener Tourenwagen mit zwei Türen (1938 abgelöst von der viertürigen Version), Cabriolet B und zweisitziger Roadster. Im Mai 1936 ergänzt das sportlich-elegante Cabriolet A die üppige Modellauswahl. Die Preise beginnen bei 2.850 RM für das reine Fahrgestell, die viertürige Limousine kostet 3.850 RM, der Roadster mit zwei Notsitzen ist für 5.500 RM zu haben. Damit liegen die Preise um 600 bis 1.000 RM unter jenen des 170.

Detaillierte Zahlen: Bis zur kriegsbedingten Produktionseinstellung im November 1942 werden 91.048 Exemplare vom 170 V hergestellt. Damit ist er der bis dahin erfolgreichste Personenwagen der Marke mit dem Stern. In der unmittelbaren Nachkriegszeit bis 1953 kommen noch einmal 49.367 Fahrzeuge hinzu, einschließlich 170 D und 170 Db sind es 83.190 Exemplare. Die Produktion läuft mit diesem Erfolgsmodell bereits im Mai 1946 wieder an. Zunächst entstehen die dringend für den Wiederaufbau benötigten Kasten-, Liefer- und Krankenwagen.

Verbindung zur E-Klasse: Ab Juli 1947 rollt dann erneut der viertürige 170 V (W 136) in Sindelfingen vom Band, der erste Mercedes-Benz Personenwagen der Nachkriegsproduktion. Die Limousine ist in der jungen Bundesrepublik Deutschland der Startschuss für die lange und bedeutende direkte Ahnenreihe der heutigen E-Klasse. Doch schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts produziert die Marke Fahrzeuge der oberen Mittelklasse.

Neues Zeitalter: Die Entwicklungsziele für den 170 V sind klar formuliert. Der Typ mit Vierzylindermotor soll preiswerter und moderner sein als der 170 (W 15, 1931 bis 1936) mit Sechszylindermotor, aber zugleich allen Markenwerten voll gerecht werden. Diese anspruchsvolle Aufgabe erfüllt Mercedes-Benz mit Bravour: Das neue Fahrzeug besticht mit einer modernen, fließenden Linienführung und lässt die Epoche der eher kastenförmigen Fahrzeuge deutlich hinter sich. Neben dem 170 V – das V steht für den vorn angeordneten Motor – entsteht der 170 H (W 28), der ebenfalls auf der IAMA präsentiert wird. Er hat den gleichen Motor M 136, der jedoch im Heck untergebracht ist. Der 170 H ist der direkte Nachfolger des 1934 vorgestellten Mercedes-Benz 130 (W 23), ebenfalls mit Heckmotor. Doch das avantgardistische Automobil kommt beim Publikum weit weniger gut an als sein Verwandter mit Frontmotor: Während der 170 V bis 1942 mehrere Verkaufsrekorde feiert, endet die Produktion des 170 H im Jahr 1939 nach nur 1.507 Einheiten.

Fahrwerk und Karosserie: Das Rückgrat des 170 V bildet ein robuster x-förmiger Ovalrohrrahmen. Gegenüber dem beim Typ 170 verwendeten Kastenrahmen sinkt das Gewicht um 80 Kilogramm, und dies bei erhöhter Steifigkeit. In der vorderen Rahmengabel ist der Motor montiert, in der hinteren das Differenzial. Durch einen längeren Radstand und den recht weit nach vorn gesetzten Motor rücken auch die nun niedriger eingebauten Fondsitze in den gut gefederten Bereich vor der Zweigelenk-Pendelachse. Die Vorderräder sind einzeln aufgehängt und haben jeweils ein quer liegendes Blattfederpaket sowie Hebelstoßdämpfer. Die Bodenfreiheit von 205 Millimetern kommt dem Einsatz auf schlechten Straßen oder Feldwegen zugute. Die Karosserie entsteht in einer Mischbauweise aus Holzgerippe mit Blechbeplankung.

170 V Motor M136

Der Motor: Das Vierzylindertriebwerk M 136 hat in der Erprobungsphase zunächst 1,6 Liter Hubraum. Erst kurz vor Serienanlauf wird beschlossen, diesen zugunsten des Drehmoments durch eine Vergrößerung von Hub und Bohrung auf 1,7 Liter zu erhöhen. Mit stehenden Ventilen und Steigstromvergaser leistet das Aggregat 28 kW (38 PS). Für eine gute Laufkultur ist das Triebwerk „schwebend“ in Gummi gelagert. Der M 136 gilt als anspruchslos, laufruhig und sehr zuverlässig. Die Fachzeitschrift „Motor und Sport“ beschreibt das Fahrerlebnis in Heft 34/1936 mit diesen Worten: „Jedenfalls arbeitet die Maschine so ruhig, und die Abdämpfung der Schwingungen ist eine so gute, dass man nie einen Vierzylindermotor unter der Haube vermuten würde.“ Das Vierganggetriebe hat zunächst einen synchronisierten dritten und vierten Gang. Von 1940 an kommt ein vollsynchronisiertes Schaltgetriebe zum Einsatz.

Zeitgenössisches Genrefoto des Cabriolet B mit geöffnetem Verdeck.

Das Automobil wird 50: Es ist ein besonderes Jahr in der Geschichte des Automobils, als der Mercedes-Benz 170 V präsentiert wird. Denn fast auf den Monat genau fünf Dekaden vor der IAMA 1936 wird das Automobil geboren. Als Geburtstag gilt der 29. Januar 1886. An jenem Tag meldet Carl Benz sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ zum Patent an. Im Juli 1886 berichten die Zeitungen über eine erste öffentliche Ausfahrt des dreirädrigen Benz Patent-Motorwagens. Im August des gleichen Jahres stellt Gottlieb Daimler die Motorkutsche vor. Sie gilt als das erste vierrädrige Automobil der Welt. Dementsprechend steht die IAMA 1936 im Zeichen des Jubiläums. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 bleibt die Verbreitung von benzingetriebenen Fahrzeugen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Anschließend und trotz der vielerorts nach wie vor unbefestigten Straßen nimmt der Automobilbestand in Deutschland rasant zu. Von 32.000 Fahrzeugen im Jahr 1910 über 61.000 (1913), 98.000 (1925), 279.000 (1930) und 441.000 (1935) steigt die Zahl im letzten Vorkriegsjahr 1938 auf 715.000 Automobile.

Mercedes-Benz im Jahr 1936: Auf der IAMA feiert neben 170 V und 170 H auch der Mercedes-Benz 260 D (W 138) seine Weltpremiere – der erste serienmäßige Diesel-Pkw der Welt. Über Jahrzehnte hinweg wird der Dieselmotor Maßstab für sparsamen Treibstoffverbrauch sein. Weitaus schneller – und weniger genügsam – ist der 132 kW (180 PS) starke Mercedes-Benz 540 K (W 29), der wie der neue Typ 230 (W 143) im Oktober 1936 auf dem Pariser Autosalon erstmals öffentlich zu sehen ist. Das fünfzigste Jubiläum der Erfindung des Automobils ist auch der Anlass für das erste Mercedes-Benz Museum auf dem Werksgelände in Untertürkheim. Die Archive des Unternehmens bestehen offiziell seit Dezember 1936 – aber schon davor werden Unterlagen und Dokumente systematisch gesichert. Eine Fahrzeugsammlung existiert bereits seit dem Jahr 1900.

Modellpflege: Der Mercedes-Benz 170 V wird behutsam weiterentwickelt. Ab 1937 steht die Kühlermaske nahezu unmerklich steiler, und die Einfüllöffnung für das Kühlwasser befindet sich nun unter einem Schraubverschluss mit Stern auf der Kühlermaske. 1938 kommt der Kübelsitzwagen für Polizei und Wehrmacht hinzu. Von ihm entstehen bis 1942 in drei Varianten 19.065 Exemplare. Wenngleich Mercedes-Benz den Bau von Personenwagen kriegsbedingt 1942 nahezu einstellt, beginnt 1943 in Gaggenau die Produktion der für den 170 V entwickelten Gaserzeugungsanlage G 136. Mit einer Füllung von 24 Kilogramm Holzkohle legt ein damit ausgerüstetes Fahrzeug 100 bis 130 Kilometer zurück. Auch nach dem Krieg ist Benzin zunächst knapp, Holz dagegen verfügbar. Die Holzgasanlage wird daher ab Januar 1946 erneut hergestellt.

Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg

Produktionsanlauf nach dem Zweiten Weltkrieg: Nur sechs Monate nach Kriegsende erteilt die Wirtschaftsbehörde der US-Besatzungszone im November 1945 dem Stuttgarter Automobilhersteller die Produktionserlaubnis für die dringend benötigten Pritschenwagen, Kastenwagen und Krankenwagen auf Basis des 170 V. Im Frühjahr 1946 wird die Lizenz auf den Personenwagen erweitert. Im Mai 1946 verlässt ein Pritschenwagen als erstes Fahrzeug das von Bomben stark beschädigte Werk Sindelfingen. Erst Mitte 1947 wird die viertürige Limousine 170 V wieder gebaut. 1949 produziert das Unternehmen von diesem damals einzigen Modell außerhalb der Lkw-Sparte 12.719 Personen- sowie 382 Lieferwagen.

Mit Selbstzünder: Die Technische Exportmesse in Hannover im Jahr 1949 ist Premierenschauplatz zum einen für den bis auf den Antrieb mit dem 170 V baugleichen 170 D (W 136 I D) mit Dieselmotor. Oberhalb des 170 V hingegen ist der gleichfalls gezeigte 170 S (W 136 IV) positioniert, dessen größere Karosserie in Ganzstahlbauweise vor allem dem Innenraum zugutekommt. Mit ihm setzt die Marke erstmals nach dem Krieg wieder ein Signal in Richtung Oberklasse.

Kompakter Transporter: Ergänzend zu den Personenwagen gibt es den 170 V ab seiner Premiere im Jahr 1936 auch in einer Nutzfahrzeugvariante als Kastenwagen. Von ihm werden bis zum Produktionsstopp im Jahr 1942 insgesamt 989 Stück produziert. Er ist ein ideeller Vorläufer der kleinen Lieferwagen mit Stern. In diesem Segment ist Mercedes-Benz heute mit dem Citan vertreten. Von diesem wird Mercedes-Benz Vans in der zweiten Jahreshälfte 2021 die Nachfolgegeneration vorstellen, die auch eine vollelektrische Variante umfassen wird. Neben dem Citan wird es Fahrzeuge geben, die sich vornehmlich an Privatkunden richten. Ihre Klassenbezeichnung lautet „T-Klasse“, und sie wird in der ersten Jahreshälfte 2022 vorgestellt.

Lieferwagen

Im Spiegel der Presse: Die renommierte „Allgemeine Automobil-Zeitung“ (AAZ) hält in Heft 17/1937 fest: „Das hervorstechendste Merkmal dieses Wagens ist seine Geschmeidigkeit, seine wundervoll weiche Anpassung an jeden noch so leisen Wunsch des Fahrers. […] Es ist alles andere als Zufall, wenn sich dieser Wagen binnen kurzer Frist einen erheblichen Anteil am deutschen Markt hat erobern können.“ „Motor und Sport“ urteilt in Heft 17/1937: „Sein Wert liegt auf dem Gebiet, dass dieser Wagen, alle Eigenschaften abgewogen, wohl die ausgeglichenste Konstruktion ist, die man im internationalen Automobilbau auf dem Gebiet des Leichtwagens finden kann.“ Die „Automobil Revue“, Schweiz, schreibt in Heft 12/1950: „Der Mercedes-Benz Typ 170 V ist aus dem jugendlichen Alter eines Autos schon lange herausgewachsen. Aber ist es nicht ein Fahrzeug, das in seiner Leistung, in seiner Anspruchslosigkeit, seiner Wirtschaftlichkeit, seiner Sicherheit, seiner langen Lebensdauer und – last, not least – auch in seiner Schönheit auch heute noch den Vergleich mit den neuesten, chromschillernden Schöpfungen der Automobilmode aushält?“